Leitsatz (amtlich)

Die Zulässigkeit des grenzüberschreitenden Formwechsels einer französischen GmbH in eine deutsche GmbH ist nach den deutschen Vorschriften über den Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine GmbH zu beurteilen. Die Vorschriften über den grenzüberschreitenden Sitzwechsel einer Europäischen Aktiengesellschaft finden keine Anwendung.

 

Normenkette

UmwG §§ 191, 226; AEUV Art. 49, 54

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Charlottenburg (Beschluss vom 30.04.2015; Aktenzeichen 99 AR 3434/15 B)

 

Tenor

Der Beschluss des AG Charlottenburg vom 30.4.2015 wird aufgehoben. Das AG wird angewiesen, nach Maßgabe dieser Entscheidung eine Zwischenverfügung mit einer Erledigungsfrist von einem Monat zu erlassen.

 

Gründe

I. Die Beteiligte ist eine nach französischem Recht gegründete Kapitalgesellschaft (Société à responsabilité limitée), die seit dem 2.4.1999 unter der Nr. 4...R. C. S. Paris im Handelsregister in Paris eingetragen ist. Mit Beschluss vom 24.12.2014 beschloss der Alleingesellschafter u.a. die Erhöhung des Stammkapitals auf 25.008 EUR, die Verlegung des Geschäftssitz von Paris nach Berlin und die Verabschiedung einer neuen Satzung der Gesellschaft in Form einer Gesellschaft deutschen Rechts. Die Beschlüsse wurden sodann im Handelsregister in Paris vermerkt. Wegen der Sitzverlegung heißt es im Register: "Eintrag Nr. 19 vom 09.01.2015 Plan der Verlegung des Geschäftssitzes der Gesellschaft ab dem 24.12.2014 nach ...Berlin (Deutschland)". Mit notariell beurkundetem Beschluss vom 30.3.2015 beschloss der Alleingesellschafter eine formwechselnde Umwandlung der Gesellschaft in eine GmbH nach deutschem Recht.

Der Geschäftsführer hat diese Umwandlung mit einer Anmeldung vom 30.3.2015 angemeldet. Das AG hat diese Anmeldung mit einem Beschluss vom 30. Arpil 2015 zurückgewiesen. Es hat insoweit die Auffassung vertreten, dass auf einen derartigen grenzüberschreitenden Formwechsel die Vorschrift des Art. 8 SE-VO anzuwenden ist. Danach wären etwa ein Umwandlungsplan, der der Veröffentlichung bedurft hätte, und unverzichtbar ein Umwandlungsbericht zu erstellen gewesen. Es hätten Bekanntmachungen erfolgen und die Frist von zwei Monaten nach Art. 8 Abs. 6 SE-VO eingehalten werden müssen. Weiter fehle es an einem Nachweis der registermäßigen Vollziehbarkeit der Sitzverlegung im französischen Register. Weiter hat das AG darauf hingewiesen, dass für eine Eintragung des Formwechsels überdies ein Nachweis über die Werthaltigkeit des zu übernehmenden Vermögens der französischen Gesellschaft, die Angaben nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG und die Festsetzung der Sacheinlage im Gesellschaftsvertrag fehlten. Letzteres sei erforderlich, weil die Übernahme des Vermögens - ohne Rechtsträgerwechsel - eine Sachgründung darstelle. Gegen diesen am

30.4.2015 beim Notar eingegangenen Beschluss hat die Beteiligte mit einem am 2.6.2015 eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt. Das Amsgericht hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und die Sache dem Senat mit Beschluss vom 3.6.2015 zur Entscheidung vorgelegt.

II.1. Die im Namen der Gesellschaft eingelegt Beschwerde gegen den Zurückweisungsbeschluss vom 30.4.2015 ist nach § 58 Abs. 1 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig. In dem Anmeldeverfahren auf Eintragung des Formwechsels der französischen Gesellschaft in eine GmbH nach deutschem Recht ist der betroffene Rechtsträger, dessen Eintragung abgelehnt wird, nach § 59 Abs. 1 FamFG beschwerdebefugt (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 24.10.1988 - II ZB 7/88 -, BGHZ 105, 324; Beschluss vom 16.3.1992 - II ZB 17/91 -, BGHZ 117, 323). Denn es handelt sich um einen Fall der Ersteintragung, die bei der GmbH rechtsbegründend wirk, vgl. § 11 Abs. 1 GmbHG. Auch die Beschwerdefrist von einem Monat ist eingehalten. Die Beschwerdeschrift vom 1.6.2015 ist an diesem Tag, einem Montag, per Fax eingegangen, der angefochtene Beschluss ist am 30.4.2015 zugestellt worden. Der Beschwerwert nach § 61 Abs. 1 FamFG wird erreicht, weil er in Bezug auf die Ersteintragung einer Kapitalgesellschaft in jedem Fall höher als 600 EUR liegt.

2. Die Beschwerde ist begründet. Das AG hat die Anmeldung vom 30.3.2015 auf Eintragung der durch einen Formwechsel einer Gesellschaft französischen Rechts in eine GmbH nach deutschem Recht entstandenen Rechtsträger zu Unrecht zurückgewiesen.

a) Nach § 382 Abs. 4 Satz 1 FamFG darf ein auf eine Eintragung in das Handelsregister gerichteter Antrag nach § 12 Abs. 1 Satz 1 HGB nicht zurückgewiesen werden, wenn er lediglich unvollständig ist oder der Eintragung ein anderes durch den Antragsteller behebbares Hindernis entgegensteht. In diesem Fall ist dem Antragsteller vielmehr durch eine Zwischenverfügung eine angemessene Frist zur Beseitigung des Hindernisses zu setzen. Danach hat das AG die Anmeldung vom 30.3.2015 zu Unrecht zurückgewiesen. Es hätte vielmehr eine Zwischenverfügung erlassen müssen. Der Anmeldung stehen keine nicht behebbaren Hindernisse entgegen.

Nach der Rechtsprechung des EuGH zur Auslegung der Art. 49, 54 AEUV, die dem nationalen Recht vorg...

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