Rz. 11

Die Gestaltungsmöglichkeiten, die sich unter dem Anrechnungsverfahren für Nichtanrechnungsberechtigte durch Umqualifizierung von Gewinnausschüttungen in Fremdkapitalvergütungen boten (vgl. dazu § 8a a. F. Rz. 2), haben schon bald nach In-Kraft-Treten zum 1.1.1977 die Diskussion ausgelöst, wie sie eingeschränkt werden können. Wiederholt wurden Gesetzentwürfe für einen § 8a ausgearbeitet, so im Zusammenhang mit dem Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes, des Körperschaftsteuergesetzes und anderer Gesetze im Jahr 1980[1] und dem Steuerreformgesetz 1990 aus dem Jahr 1988[2]. Zusätzlich wurden verschiedene Referentenentwürfe und "Formulierungshilfen" erstellt. Diese Vorhaben wurden jedoch wegen systematischer und die praktische Handhabung erschwerender Mängel nicht realisiert. Weiterer Hinderungsgrund für eine gesetzliche Regelung der Gesellschafter-Fremdfinanzierung war die unklare politische Interessenlage. Zwar herrschte weit gehend Übereinstimmung, ausländischen Anteilseignern als Nichtanrechnungsberechtigten die Vorteile der Gesellschafter- Fremdfinanzierung zu entziehen; nichtanrechnungsberechtigt waren aber auch inländische Anteilseigner, wie die öffentliche Hand und Berufsverbände (z. B. Gewerkschaften), die ebenfalls von den Vorteilen der Gesellschafter-Fremdfinanzierung Gebrauch gemacht hatten und sich gegen deren Entziehung mit politischen Mitteln lange erfolgreich zur Wehr setzten. Eine Differenzierung zwischen in- und ausländischen Nichtanrechnungsberechtigten war angesichts der vergleichbaren Sach- und Interessenlage nicht möglich, sondern hätte gegen das verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsverbot des Art. 3 GG, gegen Diskriminierungsverbote der DBA und gegen das Diskriminierungsverbot des EG-Vertrags (vgl. Rz. 14) verstoßen[3].

 

Rz. 12

Da das Problem der Gesellschafter-Fremdfinanzierung auf gesetzgeberischem Weg (vorerst) nicht zu lösen war, reagierte die Finanzverwaltung [4]: Gesellschafter-Darlehen sollten in bestimmten Fällen als "verdecktes Stammkapital" behandelt, also in Eigenkapital (und die Verzinsung entsprechend in Gewinnausschüttungen) umqualifiziert werden (vgl. § 8a a. F. Rz. 8). Dieser Versuch scheiterte, als der BFH in seinem Urteil vom 5.2.1992[5] das BMF-Schreiben als rechtswidrig bezeichnete. Auch einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten hat der BFH verneint. Es gebe keinen steuerrechtlichen Grundsatz, der eine bestimmte Mindestfinanzierung mit Eigenkapital vorschreibe[6]. Wenn die Finanzierung durch Fremdkapital steuerlich günstiger sei, dürfe der Gesellschafter diesen Weg wählen; es gebe keinen Grundsatz, dass an nicht anrechnungsberechtigte Anteilseigner gezahlte Vergütungen einer bestimmten Mindeststeuer unterliegen müssten.

 

Rz. 13

Aufgrund dieser Entwicklung wurde klar, dass sich das Problem der Gesellschafter-Fremdfinanzierung nur durch ein Gesetz würde lösen lassen. Das Vorhaben eines § 8a wurde daher im Standortsicherungsgesetz  wieder aufgenommen. Eine vom Finanzausschuss eingesetzte Arbeitsgruppe mit Vertretern aus Wissenschaft, Wirtschaft und Finanzverwaltung entwickelte schließlich eine Lösung[7]. Für die politische Durchsetzung förderlich war dabei, dass das aus § 8a erwartete Mehraufkommen an Körperschaftsteuer zur Gegenfinanzierung der im Standortsicherungsgesetz vorgesehenen Steuerentlastungen benötigt wurde. § 8a wurde schließlich als Teil des Standortsicherungsgesetzes vom 13.9.1993[8] verabschiedet.

Die Vorschrift ist durch das Steuersenkungsgesetz vom 23.10.2000[9] verschärft worden, indem erfolgsabhängige Vergütungen schlechthin der Hinzurechnung unterworfen wurden und der safe haven für nicht erfolgsabhängige Vergütungen von 3:1 auf 1,5:1, für Holdinggesellschaften von 9:1 auf 3:1 verringert wurde. Außerdem wurde die Vorschrift an die Beseitigung des Anrechnungsverfahrens angepasst[10].

Eine weitere Änderung erfolgte durch das Gesetz vom 20.12.2001[11], indem ein Formulierungsfehler in Abs. 1 S. 3 beseitigt wurde. Im Rahmen der Anpassung an den Wegfall des Anrechnungsverfahrens wurde die Anwendung des § 8a in Abs. 2 S. 1 ausgeschlossen, wenn die Vergütung bei dem Empfänger "im Rahmen einer Veranlagung" erfasst wurde; nach S. 3 wurde die Nichtanwendung jedoch davon abhängig gemacht, dass die Vergütung "im Inland nicht steuerpflichtig" sei. Da dies zu unterschiedlichen Rechtsfolgen bei vergleichbaren Sachverhalten führen konnte[12], wurde S. 3 entsprechend geändert und die Nichtanwendbarkeit der Vorschrift ebenfalls von der Einbeziehung in eine Veranlagung abhängig gemacht.

 

Rz. 14

Die Vereinbarkeit des § 8a mit dem europäischen Recht wurde von Anfang an angezweifelt[13]. Geltend gemacht wurde ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit nach Art. 43 EGV und die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 56 EGV. Demgegenüber wurde die Ansicht vertreten, die Vorschrift diskriminiere im Ausland ansässige Gesellschafter nicht, da auch deutsche Gesellschafter, die sich in der gleichen Situation befänden (die nicht dem Anrechnungsverfahren unterlagen bzw. be...

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