Rz. 23

In persönlicher Hinsicht erfasst die Anrufungsauskunft die Beteiligten, d. h. nach § 78 Nr. 1 AO den oder die Antragsteller.

Hat der Arbeitgeber den Antrag gestellt, wirkt sie gegen ihn mit der Folge, dass er bei einem dem Inhalt der Anrufungsauskunft entsprechenden Verhalten nicht in Haftung genommen werden kann. Der Arbeitnehmer ist nicht Beteiligter, die Wirkungen der Anrufungsauskunft erstrecken sich nicht auf ihn. Allerdings tritt eine arbeitsrechtliche Wirkung insoweit ein, als der Arbeitgeber berechtigt ist, einen der Anrufungsauskunft entsprechenden LSt-Abzug vorzunehmen. Da die Anrufungsauskunft den Arbeitgeber vor der Haftung schützt, handelt er nicht vertragswidrig, wenn er sich an den Inhalt der Anrufungsauskunft hält.

Die Finanzbehörden sind im Rahmen des LSt-Abzugsverfahrens an die Anrufungsauskunft gegenüber allen Beteiligten, also auch dem Arbeitnehmer gebunden.[1]

 

Rz. 24

Hat nur der Arbeitnehmer den Antrag gestellt, ist der Arbeitgeber zu dem Verfahren notwendig beizuladen. Der Arbeitgeber hat u. U. aufgrund der Anrufungsauskunft bestimmte Handlungen (Einbehaltung der LSt) vorzunehmen oder nicht vorzunehmen. Er ist daher Beteiligter des Verfahrens. Die Anrufungsauskunft bezieht sich notwendig auf das LSt-Verfahren und damit auf ihn.[2] Der Arbeitnehmer kann auch in diesem Fall Erstattung der LSt außerhalb des LSt-Verfahrens beantragen, wenn er den Inhalt der Anrufungsauskunft für unrichtig hält.

 

Rz. 25

Folge der Anrufungsauskunft ist, dass der Arbeitgeber nicht nach § 42d EStG in Haftung genommen werden kann, wenn er den LSt-Abzug entsprechend dem Inhalt der Anrufungsauskunft vornimmt. Der LSt-Abzug ist dann insoweit, auch wenn er sachlich falsch ist, rechtmäßig. Es liegt daher auch keine "nicht vorschriftsmäßige Einbehaltung" der LSt i. S. d. § 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG vor; der LSt-Abzug ist vielmehr "vorschriftsmäßig". Eine Pauschalierung kann daher nicht erfolgen.[3] Erteilt das Betriebsstätten-FA dem Arbeitgeber eine LSt-Anrufungsauskunft, sind die Finanzbehörden im Rahmen des LSt-Abzugsverfahrens an diese auch gegenüber dem Arbeitnehmer gebunden. Das FA kann daher die vom Arbeitgeber aufgrund einer (unrichtigen) Anrufungsauskunft nicht einbehaltene und abgeführte LSt vom Arbeitnehmer nicht nach § 42d Abs. 3 S. 4 Nr. 1 EStG nachfordern.[4]

Hat der Arbeitgeber eine Anrufungsauskunft eingeholt und ist er danach verfahren, ist eine Nacherhebung der LSt auch dann nicht zulässig, wenn der Arbeitgeber nach einer LSt-Außenprüfung einer Pauschalierung nach § 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG zugestimmt hat.[5]

Da die Anrufungsauskunft die Beteiligten schützen soll, gilt sie nicht zulasten der Beteiligten. Ist die Anrufungsauskunft zulasten der Beteiligten unrichtig, können sie von ihr abweichen und den richtigen LSt-Abzug vornehmen.

Auch wenn der Inhalt der Anrufungsauskunft sachlich richtig ist, ist der Arbeitgeber an sie nicht im strengen Sinne gebunden. Er kann von ihr abweichen und den LSt-bzug anders als in der Anrufungsauskunft vorgeschrieben vornehmen. Tut der Arbeitgeber dies jedoch, setzt es sich der Gefahr der Haftung nach § 42d EStG aus.[6] Es ist dann i. d. R. nicht ermessensfehlerhaft, wenn die Finanzbehörde den Arbeitgeber in Haftung nimmt. Die zutreffende Anrufungsauskunft wird in aller Regel den Schuldvorwurf gegen den Arbeitgeber begründen, der bei der Vornahme des LSt-Abzugs hiervon abweicht. Der Arbeitgeber kann bei Verstoß gegen die Anrufungsauskunft der Haftung auch nicht nach § 41c Abs. 4 EStG entgehen.[7]

 

Rz. 26

Der sachliche Umfang der Anrufungsauskunft ergibt sich aus der Beschränkung des § 42e EStG auf das LSt-Abzugsverfahren. Nur in diesem Bereich ist der Arbeitgeber der Haftungsfolge des § 42d EStG ausgesetzt; daher ergibt sich auch nur in diesem Bereich die Notwendigkeit für eine Anrufungsauskunft. Außerhalb dieses Bereichs, d. h. für die ESt-Veranlagung des Arbeitnehmers, besteht keine Notwendigkeit für eine Anrufungsauskunft. Die Bindung der Anrufungsauskunft beschränkt sich daher auf das LSt-Abzugsverfahren; auf die ESt-Veranlagung des Arbeitnehmers hat sie keine Wirkung.[8] Das gilt sowohl, wenn der Arbeitgeber, als auch, wenn der Arbeitnehmer die Anrufungsauskunft beantragt hat. Eine Bindung über das LSt-Verfahren hinaus und für die ESt-Veranlagung des Arbeitnehmers hat die Anrufungsauskunft in keinem Fall.[9] Diese Rechtsfolge ergibt sich schon daraus, dass dem Betriebsstätten-FA, das die Anrufungsauskunft erteilt, die Kompetenz fehlt, sachlich endgültig über den Steueranspruch gegen den Arbeitnehmer zu entscheiden. Das Wohnsitz-FA kann daher bei der ESt-Veranlagung des Arbeitnehmers einen anderen Rechtsstandpunkt als das Betriebsstätten-FA einnehmen.[10]

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