Rz. 202

§ 17 Abs. 2a EStG definiert den Begriff der Anschaffungskosten i. S. d. § 17 Abs. 2 EStG und konkretisiert auf diese Weise die Vorschriften zur Ermittlung des Gewinns aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft i. S. d. § 17 Abs. 1, 4 und 5 EStG. Die Regelung wurde mit dem Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlichen Vorschriften v. 12.12.2019[1] eingeführt, und ist nach § 52 Abs. 25a S. 1 EStG erstmals auf Veräußerungen i. S. d. § 17 Abs. 1, 4 und 5 EStG nach dem 31.7.2019 anzuwenden. Auf Antrag des Stpfl. findet die Regelung nach § 52 Abs. 25a S. 2 EStG auch auf Veräußerungen vor dem 31.7.2019 Anwendung. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll § 17 Abs. 2a EStG gewährleisten, dass ausgefallene Gesellschafter-Finanzierungshilfen im Zusammenhang mit Anteilen an einer Kapitalgesellschaft – unter teilweiser Abweichung von der neueren BFH-Rspr.[2] – weiterhin im Rahmen des § 17 Abs. 1, 4 und 5 EStG steuermindernd berücksichtigt werden können. Ohne die Regelung würden entsprechende Verluste unter § 20 Abs. 2 EStG fallen[3] und von der Verlustverrechnungsbeschränkung des § 20 Abs. 6 S. 6 EStG erfasst, worin der Gesetzgeber eine Gefahr für die Finanzierungsfreiheit sieht.[4]

[1] BGBl I 2019, 2451.
[3] Moritz/Strohm, DB 2018, 86.
[4] BT-Drs. 19/13436, 110f.; kritisch Weber-Grellet, DB 2021, 81.

3.2.4.1 Definition der Anschaffungskosten (S. 1)

 

Rz. 203

§ 17 Abs. 2a S. 1 EStG enthält eine Definition der Anschaffungskosten i. S. d. § 17 Abs. 2 EStG und fasst hierunter alle Aufwendungen, die geleistet werden, um Anteile an einer Kapitalgesellschaft i. S. d. § 17 Abs. 1 EStG zu erwerben. Der Begriff des § 17 Abs. 2a S. 1 EStG lehnt sich an die handelsrechtliche Definition der Anschaffungskosten in § 255 Abs. 1 S. 1 HGB an, die auch im Steuerrecht gilt.[1] Nach § 17 Abs. 2a S. 1 EStG setzt das Vorliegen von Anschaffungskosten Aufwendungen des Stpfl. voraus. Notwendig hierfür ist eine vermögensmäßige Belastung, etwa durch den Abfluss von Geld oder die Übernahme einer Verbindlichkeit. Anschaffungskosten erfordern eine "Anschaffung", also einen entgeltlichen Erwerb des (zumindest) wirtschaftlichen Eigentums an Anteilen an einer Kapitalgesellschaft. Unentgeltliche Vorgänge sind keine Anschaffung und führen daher grundsätzlich auch nicht zu Anschaffungskosten.[2] Zwischen den Aufwendungen und dem Erwerb von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft muss ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang bestehen. Der Begriff der Anschaffungskosten i. S. d. § 17 Abs. 2a S. 1 EStG ist aufgrund des Einbezugs der Anschaffungsnebenkosten und der nachträglichen Anschaffungskosten (Rz. 204) zwar weit auszulegen. Ein bloßer kausaler oder zeitlicher Zusammenhang reicht aber nicht aus. Entscheidend ist vielmehr die Zweckbestimmung der Aufwendungen (sog. finaler Anschaffungskostenbegriff).[3] Zu den Anschaffungskosten i. S. d. § 17 Abs. 2a S. 1 EStG gehört in erster Linie der Kaufpreis, der für den Erwerb von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft i. S. d. § 17 Abs. 1 EStG gezahlt wird.[4] Im Fall der Gründung einer Kapitalgesellschaft korrespondieren die Anschaffungskosten mit den Einzahlungen des Gesellschafters in das Nennkapital.[5] Zum Nachweis der Einzahlung ist nicht zwingend ein Zahlungsbeleg erforderlich. Es können auch andere Indizien berücksichtigt werden.[6] Eine spätere Kapitalerhöhung führt bei den bereits bestehenden Anteilen zu einer Substanzabspaltung mit der Folge, dass ein Teil der Anschaffungskosten der Altanteile im Wege der Gesamtwertmethode den neuen Anteilen zuzuordnen sind.[7] Eine Kapitalherabsetzung und anschließende Rückzahlung des Nennkapitals hat eine Minderung der Anschaffungskosten zur Folge.[8] Bei einer Entnahme von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft ist nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG der Teilwert oder der gemeine Wert anzusetzen, sofern dieser besteuert wurde, andernfalls die (historischen) Anschaffungskosten.[9] Ebenfalls zu den Anschaffungskosten i. S. d. § 17 Abs. 2a S. 1 EStG rechnet ein Aufgeld (Agio), also ein Aufschlag, der bei der erstmaligen Ausgabe von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft oder bei einer späteren Kapitalerhöhung gegen Einlage zusätzlich zum Nennbetrag zu zahlen ist.[10] Werden Anteile an einer Kapitalgesellschaft i. S. d. § 17 Abs. 1 EStG gegen wiederkehrende Leistungen erworben, entsprechen die Anschaffungskosten dem kapitalisierten Barwert der Leistungen im Zeitpunkt des Erwerbs.[11] Nicht zu den Anschaffungskosten zählt der nicht ausgeschüttete Gewinn einer Kapitalgesellschaft.[12] Ebenfalls keine Anschaffungskosten sind Schuldzinsen für ein Darlehen, mit dem der Erwerb von Anteilen an einer Ka...

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