Rz. 116

Unterliegt bei einer grenzüberschreitenden Umwandlung einer der beteiligten Rechtsträger dem deutschen Recht, greift für ihn die Rückwirkung nach § 2 Abs. 1 UmwStG ein. Das gilt auch, wenn übernehmender Rechtsträger eine in Deutschland ansässige Personengesellschaft oder natürliche Person ist. Bei einer Personengesellschaft erfasst die Rückwirkung nach § 2 Abs. 2 UmwStG auch deren Gesellschafter. Dies betrifft bei einer ausl. Personengesellschaft als übernehmendem Rechtsträger auch die im Inland ansässigen Gesellschafter dieser Personengesellschaft. Ist übernehmender Rechtsträger eine Kapitalgesellschaft, gilt die Rückwirkung nach § 2 Abs. 1 UmwStG nur für diese Kapitalgesellschaft, nicht für ihre Gesellschafter. Für die Anwendung des deutschen Steuerrechts bestimmt sich die Rückwirkung daher nur nach § 2 Abs. 1, 2 UmwStG und beträgt höchstens 8 Monate. Ist der übertragende Rechtsträger im Ausland ansässig, knüpft die steuerliche Rückwirkung an den Stichtag der nach ausl. Gesellschaftsrecht aufzustellenden Bilanz an.[1] Lässt das ausl. Recht eine längere Rückwirkung zu, ist dies für die deutsche Besteuerung nicht maßgeblich. Kennt das ausl. Recht keine Übertragungsbilanz, tritt keine Rückwirkung ein, weil diese Wirkung nach § 1 Abs. 1 UmwStG an die Übertragungsbilanz anknüpft.[2]

 

Rz. 117

Bei einer grenzüberschreitenden Umwandlung können der deutschen Regelung zur Rückwirkung anders gestaltete bzw. keine Rückwirkungsvorschriften des anderen Staats gegenüberstehen.[3] In Sonderfällen kann das Zusammentreffen unterschiedlicher Übertragungsstichtage zu unbesteuerten ("weißen") Einkünften führen.[4]

 
Praxis-Beispiel

Die deutsche A-AG wird am 1.7. rückwirkend auf den 31.12./1.1. auf eine ausl. Kapitalgesellschaft umgewandelt ("Herausverschmelzen"). Für Deutschland gilt die Rückwirkung auf den 31.12., das ausl. Recht kennt eine solche Rückwirkung nicht. Daraus resultiert die Gefahr, dass Einkünfte (z. B. ausl. Einkünfte, für die die Anrechnungsmethode galt) in der Zeit v. 1.1. bis zur zivilrechtlichen Wirksamkeit der Umwandlung weder in Deutschland (Zurechnung bei übernehmendem Rechtsträger infolge der Umwandlung) noch im Ausland (Zurechnung beim übertragenden Rechtsträger infolge fehlender Rückwirkung) besteuert werden.

 

Rz. 118

Um Besteuerungslücken infolge unterschiedlicher Regelungen zur Rückwirkung zu verhindern, gilt die steuerliche Rückwirkung nach § 2 Abs. 3 UmwStG nicht, wenn infolge unterschiedlicher steuerlicher Wirksamkeitszeitpunkte Einkünfte in einem anderen Staat der Besteuerung entzogen werden (subject-to-tax-clause).[5] Diese Vorschrift betrifft alle Arten der Umwandlung, für die eine Rückwirkung gilt, etwa durch Verweisung in § 9 S. 3 UmwStG für den Formwechsel in eine Personengesellschaft, in § 20 Abs. 6 S. 4 UmwStG für die Einbringung in eine Körperschaft und in § 24 Abs. 4 UmwStG für die Einbringung in eine Personengesellschaft durch Gesamtrechtsnachfolge.

 

Rz. 119

§ 2 Abs. 3 UmwStG kann als spezielle Missbrauchsklausel verstanden werden. Sie soll verhindern, dass infolge der Umwandlung an sich steuerpflichtige Einkünfte steuerfrei gestellt werden. Das Gesetz formuliert den Tatbestand objektiv, d. h., es kommt nur darauf an, ob Einkünfte objektiv der Besteuerung entzogen werden. Ein subjektiver Tatbestand, etwa eine Missbrauchsabsicht, ist nicht vorgesehen. Das Gesetz enthält zwar den Begriff "der Besteuerung entzogen"; damit wird aber keine zielgerichtete Entziehungshandlung zur Voraussetzung gemacht. Vielmehr beschreibt dieser Begriff lediglich die Wirkungen der unterschiedlichen Rückwirkungszeiträume.

 

Rz. 120

Die Regelung verstößt nicht gegen Art. 15 FRL. Zwar erfüllt § 2 Abs. 3 UmwStG nicht die europarechtlichen Vorgaben einer zielgenauen Missbrauchsvorschrift, wie sie Art. 15 FRL fordert; die FRL schreibt aber eine steuerliche Rückwirkung bei der Umwandlung nicht vor. Wenn nationales Recht die Rückwirkung einschränkt, verstößt dies daher unter keinem Gesichtspunkt gegen die Richtlinie. Problematischer ist die Vereinbarkeit des § 2 Abs. 3 UmwStG mit den Grundfreiheiten. Da die Vorschrift nach der Formulierung des Tatbestands nur auf grenzüberschreitende Umwandlungen Anwendung findet, kann darin ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV und die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 AEUV gesehen werden. U. E. ist das jedoch zweifelhaft, weil keine Vergleichbarkeit mit einem reinen Inlandsfall besteht, in welchem eine Kollision verschiedener Rückwirkungsregelungen nicht möglich ist. Auf jeden Fall liegt ein Rechtfertigungsgrund vor, nämlich derjenige der Sicherung der Einmalbesteuerung.[6] Die Einschränkung der Grundfreiheiten ist auch verhältnismäßig, weil die Wirkungen der Vorschrift durch das Wort "soweit" exakt auf diejenigen Einkunftsteile beschränkt werden, bei denen eine Nichtbesteuerung droht. Die Vorschrift ist daher zielgenau. Der Stpfl. kann auch die Besteuerung im anderen Staat darlegen und hat daher die Möglichkeit des Gegenbeweises.

 

Rz. 121

Die Regelung ist in...

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