Rz. 142

Die Voraussetzung, dass die übertragenen und, bei der Abspaltung, die zurückbehaltenen Vermögensgegenstände einen Teilbetrieb bilden müssen, könnte durch Ausnutzen der Bestimmung, dass Beteiligungen an Personengesellschaften und 100 %ige Beteiligungen an Kapitalgesellschaften immer einen Teilbetrieb bilden, leicht umgangen werden. Es wäre möglich, im Vorfeld einer Spaltung Vermögensgegenstände, die für sich allein betrachtet keinen Teilbetrieb bilden, durch Einlage in Personen- oder Kapitalgesellschaften gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten auszugliedern, sodass die zu spaltende Körperschaft nur noch Beteiligungen an Personen- und Kapitalgesellschaften hält, die ihrerseits die Teilbetriebseigenschaft aufweisen. Die einzelnen Wirtschaftsgüter wären dann in "Teilbetriebe" umgewandelt worden. Um dies zu verhindern, bestimmt § 15 Abs. 2 S. 1 UmwStG, dass § 11 Abs. 2 UmwStG (steuerneutrale Spaltung) nicht für Mitunternehmeranteile und 100 %ige Beteiligungen an Kapitalgesellschaften gilt, wenn der Mitunternehmeranteil bzw. die Beteiligung innerhalb eines Zeitraums von 3 Jahren vor dem steuerlichen Übertragungsstichtag[1] durch Übertragung von Wirtschaftsgütern, die selbst keinen Teilbetrieb gebildet haben, erworben oder aufgestockt worden ist.

 

Rz. 143

Bei dieser Regelung handelt es sich um eine spezielle Missbrauchsregelung, die § 42 AO vorgeht. Die Vorschrift setzt keine konkret nachzuweisende Missbrauchsabsicht voraus, sondern sieht typisierend jede Aufstockung oder jeden Erwerb eines "fiktiven Teilbetriebs" unter den genannten Voraussetzungen als Missbrauch an. Es handelt sich daher um eine unwiderlegbare Vermutung, die keinen Gegenbeweis zulässt. Die Missbrauchsregelung ist nicht an der FRL (Rz. 3) zu messen. Die FRL sieht "fiktive" Teilbetriebe nicht vor. Daher war der nationale Gesetzgeber frei, die Begünstigung auf diese fiktiven Teilbetriebe auszudehnen, aber auch, sie zu versagen, wenn nach seiner Auffassung Missbrauch vorliegt.

 

Rz. 144

Die Vorschrift geht über ihren Gesetzeszweck hinaus; ihr Anwendungsbereich sollte im Wege der teleologischen Reduktion beschränkt werden. Ein Missbrauch liegt nämlich nur dann vor, wenn die Übertragung der Wirtschaftsgüter zum Erwerb oder zur Aufstockung der Beteiligung steuerneutral erfolgt. Eine steuerneutrale Einbringung setzt regelmäßig einen Teilbetrieb als Einbringungsgegenstand voraus[2] und wäre damit ohnehin nicht vom Anwendungsbereich des § 15 Abs. 2 S. 1 UmwStG erfasst; die steuerneutrale Einbringung von einzelnen Wirtschaftsgütern ist hingegen nur in Sonderfällen möglich, z. B. die Einbringung von nicht 100 %igen, aber mehrheitsvermittelnden Beteiligungen bei Kapitalgesellschaften nach § 21 Abs. 1 S. 2 UmwStG oder bei Personengesellschaften im Rahmen des § 6 Abs. 5 S. 2, 3 EStG. In allen anderen Fällen führt der Erwerb/die Aufstockung einer Beteiligung (= offene Einlage) zur Gewinnrealisierung.[3] Hat die Aufstockung zur Gewinnrealisierung geführt, besteht m. E. kein Grund, eine anschließende Spaltung nicht steuerneutral durchzuführen. Die Vorschrift sollte daher, entsprechend ihrem Missbrauchscharakter, auf steuerneutrale Erwerbe oder Aufstockungen von Beteiligungen durch Einbringung begrenzt werden. Die Finanzverwaltung nimmt entsprechend bei der Übertragung von Wirtschaftsgütern, die stille Reserven enthalten, eine steuerschädliche Aufstockung nur an, wenn die stillen Reserven durch den Aufstockungsvorgang nicht oder nicht vollständig aufgelöst werden.[4] M. E. muss dies entsprechend für die Aufstockung durch Wirtschaftsgüter gelten, die keine stillen Reserven enthalten, z. B. Finanzmittel.[5]

 

Rz. 145

Diese Regelung gilt nur für Mitunternehmeranteile und 100 %ige Beteiligungen an Kapitalgesellschaften, die aufgrund des § 15 Abs. 1 S. 3 UmwStG fiktiv als Teilbetriebe gelten. Sie wirkt sich auf alle Teilbetriebsvoraussetzungen im Rahmen der Spaltung aus, gilt also sowohl für den übergehenden Teilbetrieb als auch bei der Abspaltung für den bei der übertragenden Körperschaft verbleibenden Teilbetrieb.[6] Das Erwerbs- oder Aufstockungsverbot gilt nicht für originäre Teilbetriebe, die ohne Berücksichtigung des Abs. 1 S. 3 Teilbetriebe sind. Es schadet also nicht, wenn eine Gruppe von Wirtschaftsgütern durch Hinzuerwerb weiterer Wirtschaftsgüter und die entsprechenden organisatorischen Vorkehrungen innerhalb der Frist von 3 Jahren erstmals zu einem Teilbetrieb zusammengefasst oder wenn bestehende Teilbetriebe durch Zuordnung weiterer Wirtschaftsgüter vergrößert werden. Teilbetriebe außerhalb des Abs. 1 S. 3 können daher zum Zweck der Spaltung ohne zeitliche Einschränkung erstmals gebildet oder vergrößert werden.

 

Rz. 146

Da sich die Vorschrift nur auf die fiktiven Teilbetriebe des § 15 Abs. 1 S. 3 UmwStG bezieht, nicht jedoch auf originäre Teilbetriebe, dürfte nach Auffassung der Finanzverwaltung das Begründungs- und Aufstockungsverbot nicht gelten, wenn die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft zu einem originären Teilbetrieb gehört. Dies ist nur konsequ...

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