Rz. 554

Nach § 7 Abs. 8 S. 1 ErbStG soll folgender Fall schenkungsteuerpflichtig sein: "Als Schenkung gilt auch die Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die eine an der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligte natürliche Person oder Stiftung (Bedachte) durch die Leistung einer anderen Person (Zuwendender) an die Gesellschaft erlangt". Dem nach Meinung des Gesetzgebers besteuerungswürdigen Sachverhalt liegt eine Dreieckskonstellation bestehend aus dem Leistendem (Zuwendendem), der Kapitalgesellschaft und dem begünstigten Gesellschafter (Bedachter) zugrunde. Der Tatbestand des Satz 1 ist ausschließlich auf das Rechtsverhältnis zwischen dem Leistenden und der Kapitalgesellschaft zugeschnitten ("Leistung einer anderen Person an die Gesellschaft"), welches im Folgenden als Deckungs- bzw. Grundverhältnis bezeichnet wird. Darin besteht – wie sogleich aufgezeigt wird – der grundlegende handwerkliche Fehler des Gesetzgebers. Die Rechtsfolge besteht in der Fiktion einer Schenkung der Wertsteigerung der Anteile. Da nicht Anteile übertragen werden, ist nach dem Wortlaut und der Auffassung der FinVerw[1] die Steuerbegünstigung nach §§ 13a, 13b ErbStG nicht zu gewähren.[2] Es bleibt nur die Analogie, wenn man davon ausgeht, dass der Gesetzgeber den Verweis auf die entsprechende Anwendung des § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG schlicht "vergessen" hat. Eine vergleichbare Interessenlage ist gegeben, sodass es systematisch nahegelegen hätte, die Begünstigung gleichermaßen zu gewähren.

 

Rz. 555

Der Tatbestand setzt

(1) eine Leistung an eine Kapitalgesellschaft voraus;

(2) die Person des Leistenden muss eine andere Personen als der Bedachte sein;

(3) Bedachter kann nur eine an der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligte natürliche Person oder Stiftung sein und es muss

(4) eine Werterhöhung von Anteilen des Bedachten eintreten, was zwingend eine Werterhöhung der Kapitalgesellschaft voraussetzt.

Zu (1) Das Gesetz verlangt eine "Leistung" an die Gesellschaft, was man in einem weiten Sinn als jedes Tun, Dulden oder Unterlassen[3] verstehen kann. Ob der Leistung eine nach Fremdvergleichsgrundsätzen angemessene Gegenleistung gegenübersteht, scheint zunächst unerheblich zu sein. Damit erfasst der Wortlaut auch "entgeltliche" Leistungen von Nichtgesellschaftern. Ein Bereicherungswille ist damit erst recht nicht erforderlich. Satzungsänderungen, wie etwa Änderungen der Gewinnverteilungsabrede oder der Verzicht auf ein Mehrstimmrecht[4] stellen keine "Leistung" an die Kapitalgesellschaft i. S. d. § 7 Abs. 8 S. 1 ErbStG dar, auch wenn sich dadurch der Wert der Geschäftsanteile von Mitgesellschaftern erhöhen sollte. Denn die Kapitalgesellschaft ist hier nicht Subjekt der Zuwendung (Vertragspartner), sondern Objekt.

Nach dem Wortlaut sind als "Leistungen" an die Kapitalgesellschaft auch Nutzungseinlagen (z. B. die unentgeltliche Überlassung von Wirtschaftsgütern), Fremdfinanzierungsleistungen (z. B. die zinslose Darlehensgewährung) und unentgeltliche Dienstleistungen zu qualifizieren. Ebenso wenig spielt es eine Rolle, ob aus Sicht des Leistenden seine Leistung objektiv wertlos ist. Verzichtet der Gesellschafter in der Krise der Gesellschaft auf eine Forderung gegen die Gesellschaft, dann ist seine Forderung wegen § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO regelmäßig wertlos. Nach der Rspr. des Großen Senats des BFH[5] liegt keine verdeckte Einlage vor, weil der Gesellschafter aus seinem Vermögen nichts Werthaltiges aufwendet. Trotzdem führt der Wegfall der Verbindlichkeit bei der Gesellschaft zur Mehrung des Eigenkapitals, und zwar in Form von Gewinn.

Zu (2) Zuwendender kann nicht nur ein unmittelbarer oder mittelbarer (Mit-)Gesellschafter sein. Der Wortlaut spricht von einer "anderen" Person, schließt also nicht an der Gesellschaft beteiligte Dritte mit ein. Damit geht der sachliche Anwendungsbereich des Satz 1 über den ertragsteuerrechtlichen Fall der sog. verdeckten Einlage von Gesellschaftern hinaus. Leistet ein Dritter an die Kapitalgesellschaft, ist nach dem Wortlaut Satz 1 zu dem Alleingesellschafter oder allen Mitgesellschaftern einschlägig. Kein Fall des Satz 1 ist es, wenn der unmittelbare Alleingesellschafter Wirtschaftsgüter in die Kapitalgesellschaft verdeckt einlegt.

 
Praxis-Beispiel

Herr A ist zu 100 % Gesellschafter der A-GmbH und leistet eine Bareinlage in die Kapitalrücklage des § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB; A ist zugleich Zuwendender und Bedachter.

Nach dem Wortlaut ist Satz 1 aber bereits nicht ausgeschlossen, wenn die A-GmbH, die an der B-GmbH zu 100 % beteiligt ist, an diese eine entsprechende Bareinlage leistet. Denn Zuwendender (A-GmbH) und mittelbar Bedachter (Herr A) sind zivilrechtlich "andere" Personen. Hier kommt aber Satz 2 zum Zuge, der nicht auf Konzernsachverhalte begrenzt ist (Rz. 580).

Zu (3) Der Bedachte muss nicht unmittelbar Gesellschafter sein. Juristische Personen und Personengesellschaften sind transparent zu natürlichen Personen oder Stiftungen. Handelt es sich bei der natürlichen Person oder Stiftung um...

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