Rz. 13

Die erste relevante Größe zur Ermittlung des Zugewinnausgleichs ist das jeweilige Anfangsvermögen der beiden Ehegatten. Anfangsvermögen ist das Vermögen, das einem Ehegatten beim Eintritt des Güterstands nach Abzug der Verbindlichkeiten gehört.[1] Bestand und Wert des Anfangsvermögens einschließlich der Verbindlichkeiten bestimmen sich nach den Verhältnissen in diesem Zeitpunkt.[2] Seit der am 1.9.2009 in Kraft getretenen Reform des Zugewinnausgleichsrechts[3] können gem. § 1373 Abs. 3 BGB Verbindlichkeiten über die Höhe des positiven Vermögens hinaus abgezogen werden, sodass das Anfangsvermögen seitdem negativ sein kann.

 
Praxis-Beispiel

M hatte bei Eheschließung Schulden in Höhe von 100.000 EUR. Sein Endvermögen zum Todeszeitpunkt beträgt 10.000 EUR. F hatte ein Anfangsvermögen von 10.000 EUR und ein Endvermögen von 30.000 EUR. Der Zugewinn des M beträgt 110.000 EUR, der der F 20.000 EUR.

 

Rz. 14

Vermögen, das ein Ehegatte nach Eheschließung von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht erwirbt, ist mit seinem Nettowert dem Anfangsvermögen hinzuzurechnen.[4] Ein nach Eintritt in den Güterstand der Zugewinngemeinschaft von Todes wegen erworbener Pflichtteilsanspruch ist eine rechtlich geschützte Position von wirtschaftlichem Wert, die bei Berechnung der fiktiven Zugewinnausgleichsforderung dem Anfangsvermögen des erwerbenden Ehegatten hinzuzurechnen ist. Die Berücksichtigung i. R. d. zugewinnausgleichsrelevanten Vermögens wird nach Ansicht des BFH nicht dadurch ausgeschlossen, dass es sich bei dem Pflichtteilsanspruch um eine Geldforderung im Sinne eines Geldsummenanspruchs handelt, der am Stichtag noch nicht erfüllt ist.[5] Zwar ist der Zugewinnausgleich auf den sofortigen Ausgleich der vorhandenen Vermögenswerte gerichtet. Das kann aber nicht bedeuten, dass das auszugleichende Vermögen liquidationsrechtlich bewertet werden müsste und nur solche Gegenstände berücksichtigt werden dürften, deren Wert sogleich verfügbar ist, oder dass die Gegenstände nur mit dem Wert angesetzt werden dürften, der sich sogleich realisieren lässt. Der zivilrechtlichen Hinzurechnung eines von Todes wegen erworbenen Pflichtteilsanspruchs zum Anfangsvermögen steht nicht entgegen, dass dem bloßen Entstehen eines solchen Anspruchs mit dem Erbfall (§ 2317 Abs. 1 BGB) erbschaftsteuerrechtlich noch keine Bedeutung zukommt, und zwar weder bei dem Berechtigten noch bei dem Verpflichteten. In beiden Fällen wird der Pflichtteilsanspruch erst berücksichtigt, wenn er geltend gemacht wurde (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 3 ErbStG bzw. § 10 Abs. 5 Nr. 2 Alt. 3 ErbStG). Dieses zeitliche Hinausschieben der erbschaftsteuerrechtlichen Folgen eines Pflichtteilsanspruchs ist im Interesse des Berechtigten geschehen und soll ausschließen, dass bei ihm auch dann Erbschaftsteuer anfällt, wenn er seinen Anspruch zunächst oder dauerhaft nicht erhebt. Für die im Rahmen von § 5 Abs. 1 S. 1 ErbStG erforderliche Bestimmung, welche Vermögenswerte zum Anfangsvermögen eines Ehegatten gehören, ist hingegen vorbehaltlich von § 5 Abs. 1 S. 2–5 ErbStG allein die Zivilrechtslage ausschlaggebend. Zwar unterliegt es grundsätzlich der freien Entscheidung des Pflichtteilsberechtigten, ob er einen ihm zustehenden Pflichtteil verlangen will oder nicht. Dies ändert aber nichts daran, dass der Pflichtteilsanspruch eine Geldforderung im Sinne eines Geldsummenanspruchs ist und auf ihn die Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts Anwendung finden. Auf die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs kommt es für die Frage der Hinzurechnung mithin nicht an.[6] Nach Ansicht des BFH steht einer Hinzurechnung zum güterrechtlichen Anfangsvermögen ferner nicht entgegen, wenn der Pflichtteilsanspruch beim Tod des Ehegatten bereits verjährt war.[7] Entscheidend sei, dass zum Zeitpunkt des Todes der Pflichtteilsanspruch nach § 2317 Abs. 1 BGB als Vollrecht im Vermögen des Ehegatten (Erblassers) entstanden sei. Der spätere Eintritt der Verjährung wirke nicht auf den Zeitpunkt des Erwerbs zurück.

[1] Nettovermögen, § 1374 Abs. 1 BGB.
[3] Gesetz zur Änderung des Zugewinnausgleichs- und Vormundschaftsrechts v. 6.7.2009, BGBl I 2009, 1696.
[6] BFH v. 22.7.2020, II R 42/18, DStR 2021, 100, Rz. 20; a. A. wohl Münch, DStR 2021, 1823, 1826; Mylich, ZEV 2021, 345, 350.

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