Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Frage der freiberuflichen Tätigkeit eines Rechtsanwalts auf dem Gebiet der Insolvenzverwaltung

 

Leitsatz (amtlich)

Ein als Insolvenzverwalter tätiger Rechtsanwalt erzielt Einkünfte aus selbständiger Arbeit gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG. Die Qualifizierung als Einkünfte aus Gewerbebetrieb erfolgt unter den Voraussetzungen der sog. Vervielfältigungstheorie. Der in der der InsO vorgegebene umfangreiche höchstpersönliche Pflichtenkatalog des Insolvenzverwalters steht einer schematischen Umsetzung der Vervielfältigungstheorie, wie es das BMF-Schreiben vom 27.05.2002 (IV A 6 - S-2248 - 16/02) vorsieht, entgegen.

 

Normenkette

EStG § 15 Abs. 2 S. 1, § 18 Abs. 1 Nrn. 1, 3; GewStG § 2 Abs. 1

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist in Streit, ob die Einkünfte des Klägers als Insolvenzverwalter noch als freiberuflich oder schon als gewerblich einzustufen sind.

Der Kläger erzielte als selbständiger Rechtsanwalt Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes -EStG-. Daneben war er in den Streitjahren in zunehmendem Umfang als Insolvenzverwalter tätig. Den aus der Insolvenzverwaltertätigkeit erzielten Gewinn ermittelte der Kläger für das Kalenderjahr 2002 getrennt von den Einkünften aus der übrigen Rechtsanwaltstätigkeit. In seiner Einkommensteuererklärung für 2002 erklärte der Kläger sowohl die Gewinne aus der Rechtsanwalts- als auch aus der Insolvenzverwaltertätigkeit als Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG.

Für die Kalenderjahre 2000 bis 2002 fand bei dem Kläger eine Außenprüfung statt. Im Rahmen dieser Prüfung wurden die Einkünfte aus der Insolvenzverwaltertätigkeit als Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG qualifiziert. Da nach Auffassung des Betriebsprüfers ab dem Kalenderjahr 2001 die Insolvenzverwaltung nach ihrem Umfang nicht mehr im Wesentlichen auf der persönlichen Arbeitskraft des Klägers beruhte, qualifizierte er unter Bezugnahme auf das BFH-Urteil vom 12. Dezember 2001 (Az.: XI R 56/00, BStBl II 2002, 202) nunmehr die Einkünfte aus dieser Tätigkeit nach der sogen. Vervielfältigungstheorie als Einkünfte aus Gewerbebetrieb.

Der Beklagte folgte den entsprechenden Prüfungsfeststellungen (Hinweis auf den Prüfungsbericht vom 2. November 2004, Bl. 5 ff. der Bp-Berichtsakten) und erließ unter dem Datum vom 4. Januar 2005 für die Kalenderjahre 2001 und 2002 erstmalige Gewerbesteuermessbescheide, wobei er die in der Höhe unstreitigen Gewinne aus der Insolvenzverwaltung als Gewerbeertrag nach § 7 des Gewerbesteuergesetzes -GewStG- ansetzte. Den entsprechenden Gewerbesteuermessbescheid für 2003 erließ der Beklagte aufgrund der zwischenzeitlich eingereichten Gewinnermittlung unter dem Datum vom 23. März 2005.

Hiergegen legte der Kläger jeweils fristgerecht Einspruch ein. Zur Begründung führte er aus, dass der hier zu beurteilende Streitfall sich wesentlich von dem durch den BFH entschiedenen Rechtsstreit unterscheide. In dem vom BFH entschiedenen Fall habe es sich um eine aus vier Rechtsanwälten bestehende Gesellschaft des bürgerlichen Rechts -GdbR- gehandelt, welche als Verwalterin im Gesamtvollstreckungsverfahren tätig gewesen sei. Die GdbR habe mehrere Rechtsanwälte mit vergleichbarer Qualifikation wie ihre Gesellschafter sowie weitere 67 Personen (z. B. Reno-Gehilfinnen und Buchhalterinnen) beschäftigt gehabt. Allein in der großen Zahl der Beschäftigten sei hier ein gewichtiges Indiz gegen die individuelle Leistung der Gesellschafter der GdbR zu sehen gewesen. Im vorliegenden Streitfall seien dagegen lediglich drei Personen (Reno-Gehilfinnen und Buchhalterin) beschäftigt gewesen. Diese Mitarbeiter sowie die als „Subunternehmer“ hinzugezogenen Rechtsanwälte hätten zwar allesamt über eine qualifizierte Ausbildung verfügt; eine ordnungsgemäße Abwicklung von Insolvenzverfahren setze aber gerade ein besonderes Fachwissen der Mitarbeiter voraus. Im Übrigen werde das Amt eines Insolvenzverwalters immer „höchstpersönlich“ ausgeübt und könne demzufolge auch nicht durch einen Bevollmächtigten wahrgenommen werden. Da ein Insolvenzverwalter zudem als Amtstreuhänder eingesetzt sei, könnten die Einkünfte aus dieser Tätigkeit nur als solche aus selbständiger Arbeit qualifiziert werden. Trotz der höchstpersönlichen Ausübung des Amtes des Insolvenzverwalters sei die Beschäftigung von Hilfskräften durch die Insolvenzordnung nicht ausgeschlossen. Da aber der Kernbereich der höchstpersönlichen Arbeiten gerade nicht auf Bevollmächtigte übertragen werden könne, scheide damit auch in seinem Fall die sogen. Vervielfältigungstheorie aus. Solange die Tätigkeit der Mitarbeiter entsprechend überwacht werde, sei der Umfang der Einschaltung von Mitarbeitern daher ohne Bedeutung. Zu einer solchen Überwachung sei der Insolvenzverwalter nach den Vorschriften der Bundesrechtsanwaltsordnung -BRAO- sowie der Insolvenzordnung -InsO- aber ohnehin verpflichtet. Für eine Verletzung der entsprechenden Pflichten ha...

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