Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiedereinsetzung bei Klage per Email

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist zu gewähren, wenn

  • eine Klage innerhalb der Klagefrist ohne qualifizierte Signatur per Email erhoben wird
  • der Hinweis des Gerichts gemäß § 52a Abs. 2 Satz 3 FGO aufgrund von Umständen in der Sphäre des Gerichts nach Ablauf der Klagefrist erfolgt
  • das Finanzamt Einsprüche per Email als zulässig behandelt
  • der nicht vertretene Kläger als steuerlicher und juristischer Laie aufgrund der identischen Abfassung der Rechtsbehelfsbelehrungen im Bescheid und in der Einspruchsentscheidung nicht erkennen kann, dass für die Klageerhebung andere Formanforderungen als für den Einspruch.

2. Kosten für Lernmittel und Schülerbeförderung sind mit dem Kindergeld, bzw. Kinderfreibetrag abgegolten und können nicht als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 EStG geltend gemacht werden.

 

Normenkette

EStG §§ 31, 33; FGO §§ 56, 64, 52a

 

Tatbestand

Streitig ist, ob Aufwendungen für Schulbücher und öffentliche Verkehrsmittel als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind.

Die Kläger sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute. Sie haben drei gemeinsame Kinder, für die sie Kindergeld erhalten und die im Streitjahr 2008 die Schule besuchten.

In ihrer Einkommensteuererklärung für 2008 machten die Kläger außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 1.157,67 € geltend. Es handelte sich dabei um Aufwendungen für Schulbücher und öffentliche Verkehrsmittel (Maxx-Tickets).

Der Beklagte erließ am 22.01.2010 einen Einkommensteuerbescheid für 2008, in dem er die geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen nicht berücksichtigte. Zur Begründung führte er aus, diese Aufwendungen seien mit dem Kindergeld, bzw. den Kinderfreibeträgen abgegolten.

Der dagegen gerichtete Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 06.05.2010 als unbegründet zurückgewiesen. Die Einspruchsentscheidung wurde am 06.05 .2010 mit einfacher Post versendet. Die Einspruchsentscheidung war mit folgender Rechtsbehelfsbelehrung versehen:

Rechtsbehelfsbelehrung

Gegen diese Entscheidung kann Klage erhoben werden. Die Klage ist bei dem Finanzgericht Rheinland-Pfalz schriftlich einzureichen oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erklären.

Die Anschrift des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz lautet:

Postfach 10 04 27, 67404 Neustadt/Weinstraße oder

Robert-Stolz-Straße 20, 67433 Neustadt/Weinstraße.

Telefax: 06321/401-355

Sie ist gegen das auf Seite 1 bezeichnete Finanzamt zu richten.

Die Frist für die Erhebung der Klage beträgt einen Monat. Sie beginnt mit Ablauf des Tages, an dem Ihnen diese Einspruchsentscheidung bekannt gegeben worden ist. Bei Zusendung durch einfachen Brief oder Zusendung mittels Einschreiben durch Übergabe gilt die Bekanntgabe mit dem dritten Tag nach Aufgabe zur Post (Tag der Aufgabe zur Post entspricht Datum im Kopfteil) als bewirkt, es sei denn, dass diese Einspruchsentscheidung zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Bei Zustellung durch Zustellungsurkunde oder durch Einschreiben mit Rückschein oder gegen Empfangsbekenntnis ist Tag der Bekanntgabe der Tag der Zustellung.

Die Frist für die Erhebung der Klage gilt als gewahrt, wenn die Klage bei dem auf Seite 1 bezeichneten Finanzamt innerhalb der Frist angebracht oder zur Niederschrift gegeben wird.

Die Klage muss den Kläger, den Beklagten, den Gegenstand des Klagebegehrens, den angefochtenen Verwaltungsakt und die Einspruchsentscheidung bezeichnen. Sie soll einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben. Die Klageschrift soll in zweifacher Ausfertigung eingereicht werden. Ihr sollen die Urschrift oder eine Abschrift des angefochtenen Verwaltungsaktes und der Einspruchsentscheidung beigefügt werden.

Am 04.06.2010 ging die Klage per Email ohne elektronische Signatur ein (Bl. 3 Prozessakte – PA –).

Mit Verfügung vom 11.06.2010 wies die Berichterstatterin die Kläger darauf hin, dass die Klage nicht ordnungsgemäß erhoben wurde. Am 14.06.2010 wurde die Klage nochmals per Telefax erhoben.

Zur Begründung ihrer Klage berufen die Kläger sich auf die Entscheidung des BVerfG vom 19.05.1990 -1 BvL 20/84 sowie die BFH-Urteile vom 30.07.1982 – VI R 67/79 , vom 12.08.1999 – XI R 65/98 und vom 14.12.2004 – XI R 32/03 .

Außer im Saarland, in Thüringen und in Rheinland-Pfalz gebe es in allen übrigen Bundesländern Lernmittelfreiheit, zumindest für Familien mit drei und mehr Kindern. Gleiches gelte für die Schülerbeförderung.

Als Familie mit drei Kindern in Rheinland-Pfalz seien die Kläger somit eine Minderheit, die mit den geltend gemachten Kosten belastet sei.

Unrichtig sei auch die Argumentation des Beklagten, dass die geltend gemachten Aufwendungen mit dem Kindergeld, bzw. den Kinderfreibeträgen abgegolten seien. Gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG könnten bis zu 5.000 € je Kind für den Besuch einer Privatschule abgezogen werden; nur die Kosten für Beherbergung, Betreuung und Verpflegung müssten heraus gerechnet werden. Ob in dem S...

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