Vorlagebeschluss an den EuGH (C 382/16)

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Gemeinschaftsrechtswidrigkeit von § 1 Abs. 1 AStG 2003?

 

Leitsatz (amtlich)

Es ist klärungsbedürftig, ob § 1 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 3. Alt. AStG 2003 den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen an die Möglichkeit des Nachweises von wirtschaftlichen Gründen für das Abweichen einer zwischen gesellschaftsrechtlich verbundenen Personen begründeten Geschäftsbeziehung vom Fremdüblichen vollumfänglich genügt.

 

Normenkette

AStG § 1; AEUV Art. 49, 54, 267; EGV Art. 43, 48

 

Nachgehend

EuGH (Urteil vom 31.05.2018; Aktenzeichen C-382/16)

 

Gründe

I. Sach- und Streitstand

Die Klägerin ist eine in Deutschland ansässige Aktiengesellschaft. Gegenstand ihres Unternehmens ist das Betreiben von Baumärkten im In- und Ausland.

Die Klägerin hielt im Streitjahr 2003 Beteiligungen an mehreren Gesellschaften im EU-Ausland sowie in Drittstaaten, für die sie gegenüber Gläubigern bzw. Banken jeweils Garantie- und Patronatserklärungen abgegeben hatte, ohne hierfür ein Entgelt zu verlangen. U.a. war sie über ihre Tochtergesellschaft, die X International GmbH, und deren Tochtergesellschaft, die X Holding B.V., mittelbar zu 100 % an der X Real Estate Ort1 B.V. und der X Real Estate Ort2 B.V. (im Folgenden: ausländische Konzerngesellschaften), beide mit Sitz in den Niederlanden, beteiligt. Für die ausländischen Konzerngesellschaften hatte sie unter dem 25. September 2002 gegenüber deren finanzierender Bank unentgeltlich sog. Patronatserklärungen abgegeben. Hintergrund dessen war, dass die ausländischen Konzerngesellschaften ein negatives Eigenkapital hatten und für die Fortführung ihres Geschäftsbetriebs sowie für die beabsichtigte Errichtung eines Bau- und Gartenmarktes auf Bankkredite in Höhe von 10.057.000,00 € (X Real Estate Ort1 B.V.) bzw. 14.800.000,00 € (X Real Estate Ort2 B.V.) angewiesen waren. Die finanzierende Bank hatte die Gewährung der Kredite von der Gestellung von Patronatserklärungen durch die Klägerin abhängig gemacht.

In den Patronatserklärungen vom 25. September 2002 verpflichtete sich die Klägerin gegenüber der finanzierenden Bank, ihre Beteiligung an der X Holding B.V. nicht aufzugeben oder zu verändern und ferner darauf hinzuwirken, dass die X Holding B.V. ihre Beteiligung an den ausländischen Konzerngesellschaften ebenfalls nicht aufgeben oder verändern werde, ohne dass der Bank darüber eine schriftliche Mitteilung mindestens drei Wochen vor einer solchen Aufhebung oder Veränderung gemacht werde. Außerdem verpflichtete sich die Klägerin unwiderruflich und unbedingt, die ausländischen Konzerngesellschaften finanziell so ausgestattet zu halten, dass sie in der Lage seien, ihre sämtlichen Verbindlichkeiten zu erfüllen. Deshalb werde sie, solle dies notwendig werden, den ausländischen Konzerngesellschaften die erforderlichen finanziellen Mittel zuführen, damit sie in die Lage versetzt würden, ihre Verbindlichkeiten gegenüber der Bank zu erfüllen. Darüber hinaus werde sie dafür Sorge tragen, dass diese finanziellen Mittel zur Begleichung der Verbindlichkeiten gegenüber der Bank eingesetzt würden.

Der Beklagte (das Finanzamt; im Folgenden: FA) ging davon aus, dass aufgrund der für die im EU-Ausland und in Drittstaaten ansässigen Tochtergesellschaften der Klägerin abgegebenen Garantie- und Patronatserklärungen Geschäftsbeziehungen im Sinne von § 1 Abs. 4 Außensteuergesetz (AStG) begründet worden und die Einkünfte der Klägerin deshalb um (fiktive) Haftungsvergütungen zu erhöhen seien, da voneinander unabhängige Dritte solche Haftungsvergütungen vereinbart hätten. Dabei nahm das FA u.a. Einkünftekorrekturen um 15.253,00 € (X Real Estate Ort1 B.V.) und 22.447,00 € (X Real Estate Ort2 B.V.) vor. Die von der Klägerin gegen die daraufhin erlassenen Bescheide für 2003 über Körperschaftsteuer und über den Gewerbesteuermessbetrag eingelegten Einsprüche wies das FA als unbegründet zurück. Die hiergegen form- und fristgerecht erhobene Klage ist beim vorlegenden Senat unter dem Az. 1 K 1472/13 anhängig.

Im Rahmen des Klageverfahrens macht die Klägerin geltend, die vom FA vorgenommene Erhöhung ihrer steuerpflichtigen Einkünfte um (fiktive) Haftungsvergütungen sei wegen Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht unzulässig. § 1 AStG führe zu einer Ungleichbehandlung von in- und ausländischem Sachverhalt, weil im reinen Inlandssachverhalt eine fiktive Erhöhung des Einkommens nicht erfolge, wohingegen die Gewährung von Garantien an ausländische Tochtergesellschaften "bestraft" werde. Soweit die Finanzverwaltung die Europarechtswidrigkeit des § 1 AStG verneine, sei diese Auffassung durch die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache "SGI" (Urteil vom 21. Januar 2010, C-311/08, Slg. 2010, I-487) entkräftet worden. Die Beschränkung der Niederlassungsfreiheit durch eine Gewinnkorrekturvorschrift für Vorteilsgewährungen gegenüber verbundenen Unternehmen im Ausland sei hiernach nur verhältnismäßig, soweit dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit eingeräumt werde, wirtschaftliche Gründe für eve...

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