Entscheidungsstichwort (Thema)

Die Aufrechnung von Insolvenzforderungen der Finanzbehörden gegen den Vorsteuerbetrag, der in der Rechnung des vorläufigen Insolvenzverwalters für seine Tätigkeit ausgewiesen ist, verbietet sich nach der Regelung des § 16 Abs. 2 Satz1 UStG und nach dem Sinn und Zweck des Insolvenzverfahrens

 

Leitsatz (amtlich)

Dem Vorsteuerabzugsanspruch, als dem in einer Rechnung iSv § 14 UStG gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuerbetrag, fehlt die Verkehrsfähigkeit eines eigenständigen Vermögenswertes. Er findet als Verrechnungsposten Eingang in die Steuerberechnung nach § 16 UStG und stellt lediglich einen Abzugsbetrag gegenüber der auf die Entgelte berechneten Umsatzsteuer dar.

Die Auffassung, dass eine Verrechnung von vor Insolvenzeröffnung begründeten Vorsteuerbeträgen nur mit auf vor Insolvenzeröffnung zurückzuführenden Umsätzen und daraus folgender Umsatzsteuer erforderlich wäre, verstößt gegen die gesetzliche Regelung in § 16 Abs. 2 UStG, die nicht durch § 251 Abs. 2 Satz 1 AO aufgehoben wird.

Die Aufrechnung von Insolvenzforderungen gegen den Vorsteuerbetrag, der in der Rechnung des vorläufigen Insolvenzverwalters für seine Tätigkeit ausgewiesen ist, verbietet sich auch nach dem Sinn und Zweck des Insolvenzverfahrens und insbesondere aus § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO, weil er zu den Kosten des Insolvenzverfahrens gehört (§ 54 Nr. 2 InsO).

 

Normenkette

AO § 218 Abs. 2, § 226 Abs. 1, § 251 Abs. 2 S. 1; InsO § 54 Nr. 2, § 96 Abs. 1 Nr. 1; UStG § 16 Abs. 2 S. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 16.01.2007; Aktenzeichen VII R 4/06)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob das Finanzamt zu Recht mit dem Abrechnungsbescheid vom 03.11.2003 festgestellt hat, dass der Vorsteuerabzugsanspruch für den Voranmeldungszeitraum Juli 2003 durch Aufrechnung i.H.v. 5.612,99 € erloschen ist.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma A- GmbH & Co. KG (A- KG), die im Bekleidungsgewerbe tätig war. Auf den eigenen Antrag der A- KG hin ordnete das Amtsgericht Z mit Beschluss vom 02.05.2003 gem. § 21 Abs. 1 und 2 Insolvenzordnung (InsO) die vorläufige Insolvenzverwaltung an und bestellte Rechtsanwalt B zum vorläufigen Insolvenzverwalter. Weiter ordnete es gem. § 21 Abs. 1, 2 Nr. 2 InsO an, dass Verfügungen der A- KG nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind. Am 21.05.2003 ordnete das Amtsgericht Z zur Sicherung des Schuldnervermögens der A- KG an, dass ihr gem. § 21 Abs. 1, 2 Nr. 2 InsO mit Wirkung vom 21.05.2003, 12.00 Uhr ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt wird. Schließlich beschloss das Amtsgericht Z am 01.07.2003 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und bestellte Rechtsanwalt B zum Insolvenzverwalter.

Die Umsatzsteuervorauszahlung für Mai 2003 mit einer Zahllast von 20.961,10 €, fällig zum 14.07.2003 meldete das Finanzamt am 17.07.2003 i.H.v. 20.960,87 € gem. § 174 Abs. 1 InsO zur Tabelle an.

Für Juni 2003 waren in der am 15.07.2003 eingereichten Voranmeldung steuerpflichtige Umsätze zu 16 % i.H. v. 12.003 €, Vorsteuerbeträge von 10.533 € und entrichtete Einfuhrumsatzsteuer von 6.246 € angegeben, so dass sich ein Erstattungsbetrag von 14.858 € errechnete.

Am 15.08.2003 gab der Kläger die Umsatzsteuervoranmeldung für Juli 2003 ab, in der er eine Vorauszahlungsschuld von 10.210 € errechnete. Von den dabei geltend gemachten Vorsteuerabzugsbeträgen von insg. 14.594,26 € entfiel ein Vorsteuerbetrag von 5.612,99 € auf den Rechnungsbetrag, mit dem er am 01.07.2003 gegenüber dem Amtsgericht Z seine Vergütung und die zu erstattenden Auslagen für seine Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter geltend machte. Weiter enthielt die Voranmeldung Vorsteuerbeträge von 980,61 €, die vor der Insolvenzeröffnung an die A- KG ausgeführte Lieferungen oder Leistungen betrafen. Auf die im Juli 2003 ausgeführten steuerpflichtigen Umsätze entfiel eine Umsatzsteuer in Höhe von 32.950,58 €.

Die Umsatzsteuerjahreserklärung für 2003 wies insgesamt eine Umsatzsteuer von 214.715,22 €, abziehbare Vorsteuerbeträge von 95.505,97 € und damit eine Umsatzsteuerschuld von 119.209,25 € aus.

Das Finanzamt erklärte mit Bescheid vom 10.10.2003 die Aufrechnung gegen den in der Vergütungsrechnung vom 01.07.2003 insgesamt ausgewiesenen Vorsteuerbetrag i.H.v. 5.612,99 € mit einem entsprechenden Teilbetrag der Umsatzsteuervorauszahlungsschuld für Mai 2003. Gegen diese Aufrechnung wandte sich der Kläger und beantragte am 16.10.2003 einen Abrechnungsbescheid gem. § 218 Abs. 2 AO.

In dem Abrechnungsbescheid vom 03.11.2003 bestätigte das Finanzamt, dass der Vorsteuerabzugsanspruch für den Voranmeldungszeitraum Juli 2003 durch Aufrechnungserklärung i.H.v. 5.612,99 € erloschen sei. Hiergegen erhob der Kläger am 02.12.2003 die Sprungklage gem. § 45 FGO, der das Finanzamt auch zustimmte.

Der Kläger beantragt, den Abrechnungsbescheid vom 03.11.2003 aufzuheben.

Zur Begründung trägt er vor, dass die Aufrechnung aufgrund der Regelung in § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO, der nach § 251 Abs. 2 Satz 1 AO auch im Besteuerungsverfahren gelte, unzulässig sei.

Danach s...

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