Entscheidungsstichwort (Thema)

Übergang zu gewerblichem Betriebsvermögen

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Beim Übergang eines freiberuflichen in ein gewerbliches Betriebsvermögen besteht ein vorhandener Praxiswert nicht fort, sondern wandelt sich in einen Geschäftswert.

2) Dieser Geschäftswert ist nach § 7 Abs. 1 S. 3 EStG zwingend über 15 Jahre abzuschreiben.

 

Normenkette

EStG § 7 Abs. 1 Sätze 2-3, 1

 

Tatbestand

Streitig ist die Höhe von Absetzungen für Abnutzung – AfA – eines „ideellen Praxiswerts” in Ergänzungsbilanzen der Beigeladenen im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Klägerin in den Streitjahren 2009 und 2010.

Die Klägerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die als ärztliche Gemeinschaftspraxis ein medizinisches Labor in … betreibt. Gesellschafter der Klägerin waren zu Beginn des Streitzeitraums L. (38,8 %), die Beigeladenen E. (24,0 %) und N. (10,0 %) sowie weitere Gesellschafter. L. schied zum 1.5.2009 aus der Klägerin aus.

Der zwischen den vorgenannten Gesellschaftern sowie einem weiteren früheren Gesellschafter, I., im „September 2000” abgeschlossene und am 22.1.2002 geänderte Gesellschaftsvertrag sah in § 14 für den Fall des Ausscheidens eines Partners aus der Praxis einen Anspruch auf ein Abfindungsguthaben vor. Dieses Abfindungsguthaben sollte aufgrund einer auf den Tag des Ausscheidens zu erstellenden Auseinandersetzungsbilanz zu ermitteln sein. Bezüglich eines „immateriellen Praxiswertes” war vereinbart, dass

„beim Ausscheiden eines Partners zur pauschalen Abgeltung des immateriellen Praxiswertes ein Gesamtbetrag von 100 % des durchschnittlichen auf den ausscheidenden Partner entfallenden Jahresgewinnanteils der letzten 5 Jahre in die Auseinandersetzungsbilanz anzusetzen und seinem Sonderkonto gutzubringen ist.

Der durchschnittliche Jahresgewinn eines ausscheidenden Gesellschafters wird in der Weise ermittelt, daß der in den letzten zwei vollen Jahren vor dem Ausscheiden erzielte Gewinnanteil doppelt gewichtet wird. Rechnerisch ist der Durchschnittsbetrag deshalb in der Weise zu ermitteln, daß die auf den ausscheidenden Gesellschafter entfallenden Gewinnanteile der fünf letzten Jahre zu addieren sind. Dazu sind die Gewinnanteile der letzten zwei Jahren noch einmal hinzuzusetzen. Die Summe ist sodann durch sieben zu teilen.”

Wegen der Einzelheiten wird auf die vorgenannten Verträge verwiesen. Auf L. entfielen in der Kapitalkontenentwicklung der Klägerin Gewinnanteile in Höhe von 1.172.704,–EUR (2008), 1.001.060,– EUR (2007), 696.774,– EUR (2006), 920.851,– EUR (2005) und 656.494,– EUR (2004). Unter Berücksichtigung einer doppelten Gewichtung der Jahre 2008 und 2007 hätte sich hiernach ein Durchschnittsbetrag von 945.959,– EUR ergeben.

Aufgrund einer für die Vorjahre 2004 bis 2007 vom Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung … – GKBP – durchgeführten Betriebsprüfung gingen die Beteiligten übereinstimmend davon aus, dass die Klägerin ab dem Jahr 2006 gewerbliche Einkünfte aus dem Betrieb des Labors erzielte, obwohl alle Gesellschafter Ärzte sind und damit einen Katalogberuf i.S.d. § 18 des EinkommensteuergesetzesEStG – ausüben. Denn es fehle, so die Vor-Betriebsprüfung, an dem Merkmal der „Eigenverantwortung” der Gesellschafter aufgrund des hohen Mechanisierungsgrades der Arbeit. Sowohl die Anzahl der Untersuchungen pro Gesellschafter, nämlich 1.539 Untersuchungen pro Gesellschafter pro Tag im Jahr 2006 bzw. 1.681 Untersuchungen pro Gesellschafter pro Tag im Jahr 2007, als auch die jedem Gesellschafter verbleibende Zeit für die Begutachtung der Befunde überschritten die Grenzen, bei denen noch von einer freiberuflichen Tätigkeit ausgegangen werden könne. Weiter sei zu berücksichtigen, dass außer einem Gesellschafter alle Gesellschafter weitere Geschäftsführungsaufgaben in organschaftlich mit der Klägerin verbundenen Gesellschaften (in der Rechtsform der GmbH) wahrnehmen würden. Als Stichtag für die Annahme der Gewerblichkeit legte die Vor-Betriebsprüfung den 1.1.2006 zu Grunde, da zu diesem Zeitpunkt der frühere Gesellschafter, I., aus der Klägerin ausgeschieden war. Wegen der Einzelheiten wird auf den Betriebsprüfungsbericht vom 8.4.2009 verwiesen.

Durch Vertrag vom 1.4.2009 schied der Gesellschafter L. mit Wirkung zum 1.5.2009 aus der Klägerin aus und veräußerte seinen Gesellschaftsanteil je hälftig (je 19,4 %) an die Beigeladenen. Dadurch waren E. fortan zu 43,4 % und N. fortan zu 29,4 % an der Klägerin beteiligt. Unter Berücksichtigung eines ebenfalls übertragenen Rücklagenkontos betrug der Gesamtkaufpreis, den beide Erwerber je hälftig schuldeten, 3.156.078,80 EUR. Zu diesem Betrag enthielt Tz. 4 des Vertrags vom 1.4.2009 die folgende Erläuterung:

„Als Kaufpreis erhält L. die Guthaben auf seinem Festkapitalkonto in Höhe von EUR 31.078, 80 und seinem Rücklagenkonto in Höhe von EUR 485.000,00.

Der Kaufpreis erhöht sich um einen Betrag von EUR 2.640.000,00 für die Abgeltung des ideellen Praxiswertes von L.:

Festkapialkonto

EUR 31.078,80

Rückla...

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