Entscheidungsstichwort (Thema)

Festsetzung von Verspätungszuschlägen; Ausübung des Ermessens durch Finanzbehörde

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Im Falle der Herabsetzung der festgesetzten Steuer, auf die sich der Verspätungszuschlag bezieht, hat der Betroffene einen Rechtsanspruch auf wiederholte Prüfung. Die Finanzbehörde ist von Amts wegen verpflichtet, eine vollständig neue Ermessensentscheidung zu treffen, denn durch die Herabsetzung der Steuerschuld haben sich die für die Ausübung des Ermessens maßgebenden Umstände geändert.

2. Die Ermessensentscheidung der zuständigen Finanzbehörde, ob und in welcher Höhe es einen Verspätungszuschlag festsetzt, ist von den Gerichten nur in den Grenzen des § 102 FGO überprüfbar.

 

Normenkette

AO § 162; FGO § 102; AO § 5

 

Tatbestand

Streitig ist die Festsetzung von Verspätungszuschlägen zur Umsatzsteuer 2016 und 2017.

Unternehmensgegenstand der Klägerin in der Rechtsform einer GmbH ist […].

Der Beklagte setzte gegenüber der Klägerin bereits für frühere Jahre teils Verspätungszuschläge zur Umsatzsteuer fest:

Jahr

Erinnerungen / vorab angefordert

Eingang Erklärung

Festgesetzter Verspätungszuschlag

2009

06.10.2011

2010

Erinnerung 22.02.2012

12.07.2012

600 €

2011

Erinnerung 18.02.2013

07.11.2013

970 €

2012

30.11.2014

270 €

2013

Vorab angefordert 30.09.2014

25.12.2014

120 €

2014

Vorab angefordert 30.09.2015

25.04.2017

2015

Erinnerung 13.02.2017

25.04.2017

Nachdem die Klägerin für die Streitjahre 2016 und 2017 trotz Aufforderung keine Steuererklärungen eingereicht hatte, schätzte der Beklagte die Besteuerungsgrundlagen für die Klägerin gemäß § 162 Abgabenordnung (AO) und erließ Bescheide vom 03.07.2019, mit denen er die Umsatzsteuer auf 8.750 € (2016) und 26.800 € (2017) und Zinsen zur Umsatzsteuer i.H.v. 161 € (2016) und 88 € (2017) festsetzte. Laut des Abrechnungsteils der Bescheide ergaben sich insoweit Gesamtnachzahlungen i.H.v. 2.340,53 € (2016) und 5.997,70 € (2017). Zugleich setzte der Beklagte Verspätungszuschläge i.H.v. 780 € (2016) und 800 € (2017) fest. In den Erläuterungen der Bescheide führte der Beklagte jeweils aus: „Das Finanzamt hat die Besteuerungsgrundlagen gemäß § 162 AO geschätzt, weil Sie trotz Aufforderung bisher keine Steuererklärung abgegeben haben. … Der Verspätungszuschlag wurde wegen verspäteter Abgabe / Nichtabgabe der Erklärung festgesetzt. …” Die Umsatzsteuerbescheide standen gemäß § 164 Abs. 1 AO jeweils unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Am 05.08.2019 legte die Klägerin Einspruch gegen die festgesetzten Verspätungszuschläge zur Umsatzsteuer 2016 und 2017 ein. Darüber hinaus nahm die Klägerin auf die dem Beklagten am gleichen Tag auf elektronischem Weg (Elster) übermittelten Umsatzsteuererklärungen 2016 und 2017 Bezug und bat um Verrechnungsstundung des sich aus der Umsatzsteuererklärung 2016 ergebenden Guthabens mit der sich aus der Umsatzsteuererklärung 2017 ergebenden Nachzahlung. In den Umsatzsteuererklärungen hatte die Klägerin für 2016 eine Umsatzsteuer i.H.v. 4.823,91 € und damit eine Umsatzsteuererstattung i.H.v. 1.746,56 €, für 2017 eine Umsatzsteuer i.H.v. 22.356,96 € und damit eine Nachzahlung i.H.v. 1.466,66 € errechnet. Die Klägerin fügte ihrem Schreiben vom 05.08.2019 Summen- und Saldenlisten für 2016 und 2017 bei.

Auf den Einspruch reagierte der Beklagte mit Schreiben vom 08.08.2019 dahingehend, dass unter Abwägung von Ermessenserwägungen angesichts des durchweg säumigen Abgabeverhaltens der Klägerin lediglich eine Herabsetzung des Verspätungszuschlags zur Umsatzsteuer 2016 um 300 € auf 480 € in Betracht komme. Zugleich bat der Beklagte mit Frist bis zum 11.09.2019 noch um die Übermittlung der E-Bilanzen nebst Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuererklärungen nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz. Mit Schreiben vom 25.09.2019 erinnerte er nochmals an die Abgabe der fehlenden übrigen Erklärungen und Bilanzen mit Frist bis zum 07.10.2019. Die Klägerin hingegen sah es als ausreichend an, dass sie die Umsatzsteuererklärungen für 2016 und 2017 sowie Summen- und Saldenlisten dazu vorgelegt habe.

Zwischen den Beteiligten wurde in der Folgezeit auch darüber gestritten, ob die Einreichung der Umsatzsteuererklärungen 2016 und 2017 innerhalb der Rechtsbehelfsfrist als Einsprüche gegen die Umsatzsteuerbescheide vom 03.07.2019 auszulegen war.

Mit Einspruchsentscheidung vom 30.10.2019 verwarf der Beklagte den Einspruch der Klägerin wegen Umsatzsteuer 2016 und 2017 als unzulässig. Weder die bloße Übermittlung der Umsatzsteuererklärungen noch das Schreiben vom 05.08.2019 seien als Einspruch auszulegen.

Mit weiterer Einspruchsentscheidung vom 30.10.2019 setzte der Beklagte den Verspätungszuschlag zur Umsatzsteuer 2016 unter Änderung des Bescheides vom 03.07.2019 auf 480 € herab und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Die Bescheide würden weiterhin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergehen. Zur Begründung der festgesetzten Verspätungszuschläge verwies der Beklagte auf den für die Streitjahre zur Anwendung kommenden § 152 AO in der bis zum 3...

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