Entscheidungsstichwort (Thema)

Duldungsbescheid zur Inanspruchnahme bei sog. Kontenleihe

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Gemäß § 1 AnfG anfechtbar ist auch die Übertragung einer formellen Rechtsposition durch Einzahlung auf das "geliehene", als Eigen-, nicht als Anderkonto geführte Bankkonto eines anderen oder die Aufforderung an einen Drittschuldner mit schuldbefreiender Wirkung auf ein solches Konto zu überweisen.

2) Die Anfechtung einer solchen unentgeltlichen Leistung gegenüber dem Kontoinhaber ist gemäß § 4 Abs. 1 AnfG innerhalb des vierjährigen Anfechtungszeitraums zulässig. Für eine auf zehn verlängerte Anfechtungsfrist i.S.d. § 3 Abs. 1 Satz 1 AnfG muss der Kontoinhaber mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gehandelt haben. Eine Zurechnung der Gläubigerbenachteiligungsabsicht analog § 166 Abs. 2 BGB kommt nur in Betracht, wenn der Schuldner bei seiner anfechtbaren Rechtshandlung zugleich in Vertretung für den Anfechtungsgegner handelt bzw. wenn die anfechtbare Rechtshandlung zumindest in einem engen Zusammenhang mit dem Auftreten oder seiner Stellung als Vertreter des Schuldners steht.

 

Normenkette

AnfG § 3 Abs. 1 S. 1, § 4 Abs. 1; AO § 191 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen ihre Inanspruchnahme per Duldungsbescheid für Steuerrückstände ihres Lebensgefährten.

Die Klägerin lebt seit dem Jahr 2001 mit ihrem Lebensgefährten, dem Zeugen C (im Folgenden auch: „Zeuge”), zusammen. Sie haben zwei gemeinsame Töchter, die in den Jahren 2002 und 2004 geboren wurden. Der Zeuge war früher Geschäftsführer der H Ltd, über deren Vermögen im Jahr 2008 ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde (AG …, 73 IE 1/08).

Die Klägerin unterhielt bei der T-Bank, BLZ …, seit 1995 das Girokonto mit der Nummer xxx (Konto A) und seit 2006 das weitere Girokonto mit der Nummer xxx (Konto B). Über diese Konten war der Zeuge nach einer Auskunft der T-Bank vom 10.2.2015 gegenüber dem Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung … seit dem 1.9.2012 verfügungsbefugt. Die Klägerin vereinnahmte für sich über beide Konten ab dem Jahr 2011 per SB-Bareinzahlung Entgelte für von ihr abgehaltene sog. FEP-Kurse (Frühkindliche Entwicklungsförderprogramme) bei der …. Daneben war sie in ihrem Beruf als Erzieherin tätig.

Das Konto A war auf Rechnungen der „F Ltd „ als deren Geschäftskonto benannt; als Geschäftsführer dieser steuerlich in Deutschland nicht geführten Gesellschaft war „L…” angegeben. In den beigezogenen Strafakten des Amtsgericht … (AG …, Az. …) befinden sich exemplarisch vier dieser Rechnungen aus dem Zeitraum 10.9.2010 bis 1.10.2010.

Auf den beiden vorgenannten Konten der Klägerin gingen im Zeitraum vom 1.1.2009 bis zum 31.12.2013 per Überweisung bzw. in bar Beträge ein, als Entgelt des Zeugen für dessen einzelunternehmerische Tätigkeit im Baugewerbe.

Gegen den Zeugen erging am 17.9.2015 ein rechtskräftig gewordener Strafbefehl des Amtsgerichts …, Az. …. Darin stellte das AG … fest, dass der Zeuge in den Jahren 2009 bis 2013 gewerblich als Einzelunternehmer tätig war (Handwerker im Baugewerbe). Er habe vorsätzlich keine Einkommen- und Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 2009 bis 2013 abgegeben und dadurch Einkommensteuer nebst Solidaritätszuschlag für die Jahre 2009 bis 2013 und Umsatzsteuer für die Jahre 2010 bis 2013 verkürzt bzw. versucht zu verkürzen. Er habe als Einzelunternehmer über die steuerlich nicht existente F Ltd ., deren Geschäftsführer er gewesen sei, Leistungen in Rechnung gestellt. Er habe die unbaren Erlöse über das Konto einer dritten Person, seiner Lebensgefährtin, vereinnahmt, um dadurch den betrieblichen Charakter dieser Einnahmen zu verschleiern.

Der Beklagte erließ gegen den Zeugen (geänderte) Bescheide betreffend Einkommen- und Umsatzsteuer zzgl. Nebenabgaben, insbesondere für die Jahre 2009 bis 2013. Die Einkommensteuerbescheide für diese Jahre waren am 10.9.2015, als der Vorbehalt der Nachprüfung für die Jahre 2010 bis 2013 aufgehoben wurde, bereits bestandskräftig.

Nach Duldungsanfragen vom 2.9.2015 und vom 9.10.2015, die mit einfacher Post verschickt wurden, erging am 21.1.2016 ein Duldungsbescheid gegenüber der Klägerin, der ihr am 26.1.2016 zugestellt wurde. Wegen Abgabenrückständen des Zeugen in Höhe von 44.303,13 EUR (Einkommen- und Umsatzsteuer für 2009 bis 2013 zzgl. Nebenabgaben), die der Beklagte in Anlage 1 zum Duldungsbescheid im Einzelnen auflistete, habe sie nach § 191 der Abgabenordnung (AO) i.V.m. §§ 3, 4 des Anfechtungsgesetzes (AnfG) in gleicher Höhe die Vollstreckung in ihr Vermögen zu dulden. Angefochten wurden Beträge, die Kunden bzw. Schuldner des Zeugen auf dessen Anweisung auf die Konten A und B der Klägerin bei der T-Bank überwiesen hätten, und Bareinzahlungen auf diese Konten, die im Zusammenhang ständen mit Bareinnahmen des Zeugen aus dessen einzelunternehmerischer Tätigkeit im Baugewerbe. Für den Zeitraum 1.1.2009 bis 31.12.2013 seien den beiden Konten der Klägerin auf diese Weise 158.373,07 EUR gutgeschrieben worden.

Mit Einspruchsentscheidung vom 26.3.2018 änderte der Beklagte d...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Gold. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge