Entscheidungsstichwort (Thema)

Praxisjahr zur Vorbereitung auf den Abschluss als „Staatlich geprüfter Agrarbetriebswirt”

 

Leitsatz (redaktionell)

Das Praxisjahr zur Vorbereitung auf den Abschluss als „Staatlich geprüfter Agrarbetriebswirt” ist Teil einer einheitlichen Ausbildung.

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 4 S. 2 Nr. 2 Buchst. a

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 23.03.2022; Aktenzeichen III R 41/20)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob zugunsten der Klägerin für ihren Sohn Kindergeld für die Monate August 2017 bis Dezember 2017 (Streitzeitraum) festzusetzen ist, der zur Erlangung des Berufsabschlusses „Staatlich geprüfter Agrarbetriebswirt” ein Praxisjahr unternimmt.

Die Klägerin ist Mutter des am xx.xx.1996 geborenen A (Sohn). Der Sohn der Klägerin hat nach Abschluss seiner Schulausbildung mit Abitur im Juni 2015 eine Berufsausbildung im Ausbildungsberuf „Landwirt” am 12.07.2017 abgeschlossen. Die Beklagte hob mit dem Ende dieser Berufsausbildung die Kindergeldfestsetzung auf.

Danach strebte er den landwirtschaftlichen Abschluss „Staatlich geprüfter Agrarbetriebswirt” an der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen – Berufskolleg, Fachschule für Agrarwirtschaft – Fachrichtung Landwirtschaft (Fachschule) an. Eine Zulassung zur Abschlussprüfung „Staatlich geprüfter Agrarbetriebswirt” kann nur erhalten, wer auch ein Praxisjahr nach seiner Ausbildung nachweisen kann. Auf das Praxisjahr darf nicht verzichtet werden. Die Trägerin der Fachschule empfiehlt, das Praxisjahr vor dem Beginn der Fachschule zu absolvieren. Der Sohn der Klägerin meldete sich bereits im Juni 2017 bei der Fachschule an.

In der Zeit von August 2017 bis Juli 2018 absolvierte der Sohn der Klägerin das Praxisjahr in drei verschiedenen landwirtschaftlichen Betrieben (vgl. insoweit Zeugnis der X-GbR vom 02.11.2017 nebst dazugehörigem Praktikantenvertrag, Bl. 28 ff. der Finanzgerichtsakte – FGA –; Arbeitszeugnis der Y GmbH & Co. KG vom 01.02.2018, Bl. 37 FGA; Praktikumsbescheinigung der Z GbR vom 20.07.2018, Bl. 57 FGA).

Mit Schreiben vom 27.03.2018 teilte die Fachschule dem Sohn der Klägerin mit, dieser werde zum Besuch der Fachschule zum Schuljahr 2018/2019 zugelassen. Allerdings erfolgte die Zulassung unter Vorbehalt, weil der Sohn der Klägerin den Nachweis der geforderten Berufspraxis nach der Abschlussprüfung (ab November 2017) noch nicht erbracht hatte. Unter dem 29.08.2018 bescheinigte die Trägerin der Fachschule, dass deren Besuch insbesondere ein einjähriges Praxisjahr voraussetze.

Den unter Hinweis auf das Praxisjahr gestellten Kindergeldantrag der Klägerin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 06.09.2017 ab, weil der Sohn der Klägerin insoweitallein Berufserfahrungen gesammelt habe. Ein berufsbezogenes Ausbildungsverhältnis (einschließlich Praktikum) sei daher zu verneinen. Den hiergegen eingelegten Einspruch (Eingang bei der Beklagten: 05.10.2017) wies die Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 12.12.2017 als unbegründet zurück. Das Praxisjahr sei nicht zwingend vor Beginn der Schulausbildung an der Fachschule abzuleisten. Die Berufspraxis schiebe die weitere Berufsausbildung hinaus, so dass keine mehraktige Berufsausbildung vorliege. Da der Sohn der Klägerin eine erstmalige Berufsausbildung i. S. des§ 32 Abs. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) abgeschlossen habe und er anschließend eine anspruchsschädliche Erwerbstätigkeit ausgeübt habe, sei kein Kindergeld festzusetzen.

Mit ihrer daraufhin erhobenen Klage (Eingang bei Gericht: 27.12.2017) verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Da den Abschluss als „Staatlich geprüfter Agrarbetriebswirt” nur erlangen könne, wer zunächst die landwirtschaftliche Berufsschule, danach das Praxisjahr und anschließend die Fachschule erfolgreich absolviert habe, lägen aufeinander aufbauende Ausbildungsabschnitte im Rahmen einer zusammenhängenden Berufsausbildung vor. Dies werde durch finanzgerichtliche Rechtsprechung bestätigt (rechtskräftiges Urteil des Finanzgerichts – FG – Rheinland-Pfalz vom 28.06.20175 K 2388/15, juris; Urteil des FG Nürnberg vom 17.01.2018 7 K 826/16, juris, Revision anhängig, Az. des BFH: III R 37/18).

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des Bescheides vom 06.09.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.12.2017 die Beklagte zu verpflichten, zugunsten der Klägerin für das Kind A Kindergeld ab August 2017 festzusetzen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf die Ausführungen in ihrer Einspruchsentscheidung. Durch das Praxisjahr sei eine Zäsur eingetreten, die den notwendigen engen Zusammenhang zwischen den einzelnen Ausbildungsabschnitten entfallen lasse.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend einverstanden erklärt mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung sowie mit einer Entscheidung durch den zum Berichterstatter bestellten Richter anstelle des Senats.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist das vom Sohn der Klägerin unternommene Praxisjahr eine Berufsausbildung i. S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG...

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