Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung von atypischer und typischer stiller Gesellschaft

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Eine Mitunternehmerschaft zwischen dem tätigen Teilhaber und dem stillen Gesellschafter liegt nur dann vor, wenn sich aus den Gesamtumständen des Falles ergibt, dass der stille Gesellschafter Mitunternehmerrisiko trägt und Mitunternehmerinitiative entfalten kann. Ist der stille Gesellschafter zwar am Zuwachs des Geschäftswerts und an den stillen Reserven beteiligt, nicht aber am Verlust des Unternehmens, trägt er kein Mitunternehmerrisiko.

2) Die rechtliche Eigenqualifikation der Beteiligten im Vertrag als atypisch stille Gesellschaft ist unbeachtlich.

3) Behandelt das Finanzamt ein derartiges Rechtsverhältnis bei Erlass eines Einheitswertbescheides als atypisch stille Gesellschaft, kommt dem keine Bindungswirkung zu.

 

Normenkette

EStG § 15 Abs. 1, 1 Sätze 1, 1 Nr. 2, § 15

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 07.11.2006; Aktenzeichen VIII R 5/04)

BFH (Urteil vom 07.11.2006; Aktenzeichen VIII R 5/04)

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob eine atypisch stille Gesellschaft vorliegt und ob Darlehen und Bürgschaften des stillen Gesellschafters als Aufgabeverlust nach § 16 EStG zu berücksichtigen sind, wenn diese nach Auflösung der stillen Gesellschaft uneinbringlich werden.

Der Kläger (Kl.) erzielt hauptberuflich gewerbliche Einkünfte aus einem …großhandel.

Durch notariellen Vertrag vom 20.03.1972 (Urk.Nr. 30/1972 der Notarin E. aus C.) gründete der Kl. zusammen mit dem Werbeschriftsteller I.-K. T. die W.- -Studios T. GmbH & Co KG (KG). Das Unternehmen war in der Werbebranche tätig; zum Geschäftsfeld gehörte insbesondere die Herstellung und der Vertrieb von Dia-Tonfilmen sowie von geeigneten Projektionsanlagen. Der Kl. und Herr T. waren zu je 50 % als Kommanditisten an der KG beteiligt. Ihre Einlagen betrugen jeweils 10.000,– DM. An der geschäftsführenden Komplementär-GmbH waren ebenfalls beide beteiligt.

In den Jahren 1972 bis 1975 und 1977 erzielte die KG einen Gesamtgewinn von rd. 845.000 DM und in den Jahren 1976, 1978 und 1979 einen Gesamtverlust von rd. 700.000 DM.

Im Jahr 1980 wurde der Kl. unter Übernahme der Einlage des Herrn T. alleiniger Kommanditist und zugleich alleiniger Gesellschafter der Komplementär-GmbH. In 1981 erhöhte er seine Kommanditeinlage von 20.000 DM auf 300.000 DM und änderte den Namen der KG in W.- -Studios GmbH & Co KG (W. KG). In den Jahren 1980 bis 1983 erzielte die W. KG Verluste in Höhe von ca. 2,6 Mio DM.

Am 05.07.1984 veräußerte der Kl. seine Anteile an der W. KG und der Komplementär-GmbH für 1,– DM an Herrn X1 N., einen Angestellten der W. KG. Zusätzlich glich der Kl. einen Verlustvortrag i.H.v. 261.125 DM aus.

Noch am selben Tag wurde der Kl. gegen eine Einlage von 100.000 DM stiller Gesellschafter der W. KG. Der Vertrag trägt die Überschrift „Vertrag über eine atypisch stille Gesellschaft” und enthält in den §§ 2, 3 und 6 folgende Regelungen:

„§ 2 Geschäftsführung und Vertretung

Herr B. ist an der Geschäftsführung der W.-…-Studios GmbH & Co. KG nicht beteiligt und hat keine Vertretungsbefugnis. Eine Beteiligung am Verlust der GmbH & Co. KG ist ausgeschlossen.

§ 3 Gewinn- und Verlustbeteiligung

Herr B. erhält von dem Gewinn der Kommanditgesellschaft (…) einen Gewinnanteil von 50 %.

Herr B. ist am Zuwachs der Geschäftsvermögens und an dem Firmenwert ab 1. Juli 1984 mit 50% beteiligt.

§ 6

Die GmbH & Co. KG sowie die Komplementärin, die W.-…-Studios GmbH, der Geschäftsführer der Komplementärin und der Kommanditist verpflichten sich jegliche Veränderungen im Bestand des oder der Kommanditisten oder der Gesellschafter der GmbH nur nach Zustimmung mit dem stillen Gesellschafter durchzuführen. Das gleiche gilt im Bezug auf Änderungen des oder der gesetzlichen Vertreter (Geschäftsführer) der persönlich haftenden Gesellschafterin.”

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Vertrag über die stille Gesellschaft vom 05.07.1984 Bezug genommen.

In den Jahren 1984 bis 1995 erwirtschaftete die W. KG einen Verlust von rd. 3.547.000 DM, der sich auf die einzelnen Jahre wie folgt verteilt:

1984

./. 570.547 DM

1985

./. 134.229 DM

1986

./. 167.693 DM

1987

./. 143.906 DM

1988

./. 127.854 DM

1989

./. 161.160 DM

1990

./. 253.218 DM

1991

./. 324.799 DM

1992

./. 587.930 DM

1993

./. 342.260 DM

1994

./. 460.348 DM

1995

./. 273.037 DM

Der Geschäftsbetrieb konnte nur aufrecht erhalten werden, weil der Kl. im gleichen Zeitraum (1984 bis 1995) als stiller Gesellschafter Darlehen und Bürgschaften i.H.v. insgesamt 4.149.365,– DM hingab. Die bis einschließlich 1989 gewährten Darlehen wurden der W. KG zinslos durch den Kl. persönlich gewährt. Ab 1990 erfolgte die Auszahlung der Darlehen über die im …handel tätige S. Q. GmbH & KG (S. KG), wobei nach Aktenlage unklar ist, ob diese oder der Kl. Darlehensgeber ist. Der Kl. ist an der im …großhandel tätigen S. KG zu 70 % als Kommanditist beteiligt; die weiteren Kommanditisten sind Kinder des Kl., geschäftsführende Komplementärin ist die B. Verwaltungs GmbH.

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