Entscheidungsstichwort (Thema)

Wohnsitz bei 3-jähriger Abordnung eines Piloten ins Ausland

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Wohnsitz ist für jeden Familienangehörigen einzeln zu prüfen.

2. Wurde der Familienwohnsitz ins Ausland verlagert, so führt die Rückverlagerung des Wohnsitzes des Ehegatten u. U. nicht schon zu einer Rückverlagerung des Familienwohnsitzes.

3. Kurzzeitige Besuche des im Ausland wohnenden anderen Ehegatten bei seinem Partner im Inland vermitteln ersterem nicht zwingend auch einen Wohnsitz im Inland

 

Normenkette

AO § 8; EStG § 1

 

Tenor

1.

  1. Der Einkommensteuerbescheid für 2008 vom 16.05.2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.03.2014 wird insoweit geändert, als die Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit um 60.616 EUR niedriger angesetzt werden und dieser Betrag lediglich bei der Bemessung des Steuersatzes – Progressionsvorbehalt – berücksichtigt wird, sowie die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung um 161 EUR niedriger angesetzt werden (Ansatz der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung mit -20.794 EUR),
  2. Der Einkommensteuerbescheid für 2009 vom 16.05.2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.03.2014 wird aufgehoben und das Finanzamt verpflichtet, eine Veranlagung des Klägers als beschränkt Steuerpflichtiger durchzuführen und dabei nur dessen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung mit -12.400 EUR anzusetzen;
  3. Der Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 16.05.2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.03.2014 wird aufgehoben und das Finanzamt verpflichtet, eine Veranlagung des Klägers als beschränkt Steuerpflichtiger durchzuführen und dabei nur dessen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung mit -7.313 EUR anzusetzen;
  4. Der Einkommensteuerbescheid für 2011 vom 16.05.2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.03.2014 wird insoweit geändert, als die Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit um 150.393 EUR niedriger angesetzt werden und dieser Betrag lediglich bei der Bemessung des Steuersatzes – Progressionsvorbehalt – berücksichtigt wird, sowie die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung um 4.190 EUR höher angesetzt werden (Ansatz der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung mit -6.013 EUR);

Die Berechnung der Steuer wird dem Finanzamt übertragen (§ 100 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung).

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Kläger die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob der Kläger in den Streitjahren in Deutschland einen Wohnsitz hatte und daher unbeschränkt steuerpflichtig war.

Die Kläger sind Ehegatten und werden vom Beklagten – dem Finanzamt (FA) – für die Streitjahre 2008 bis 2011 zur Einkommensteuer (ESt) zusammenveranlagt.

1. Der Kläger ist Pilot, die Klägerin im Wesentlichen nicht erwerbstätig, jedoch in geringem Umfang als Masseurin und medizinische Bademeisterin tätig. Daneben hat der Kläger Einkünfte aus 3 Vermietungsobjekten erklärt. Die Kläger haben zwei Töchter, die in den Jahren 1995 und 1997 geboren sind.

Der Kläger wurde von seinem deutschen Arbeitgeber, der A GmbH, mit Entsendungsvertrag vom 18.06.2008 für den Zeitraum vom 01.10.2008 bis voraussichtlich 30.09.2011 nach [C-Land] abgeordnet. Diese Auswärtstätigkeit beendete er etwas früher als geplant im Sommer 2011. Vor der Abordnung und nach der Rückkehr wohnten die Kläger in München in einem dem Kläger gehörenden Einfamilienhaus in der [D-Straße].

2. In der ESt-Erklärung für 2008 erklärten die Kläger, ab dem 25.09.2008 nicht mehr im Inland ansässig gewesen zu sein. Hinsichtlich des bis zu diesem Zeitpunkt als Familienwohnsitz dienenden Hauses in München erklärten sie Vermietungseinkünfte ab Oktober 2008 in Höhe eines Werbungskostenüberschusses von -946 EUR. Entsprechende Angaben machten Sie im Lohnsteuerverfahren.

In der ESt-Erklärung für 2009 erklärten die Kläger, nicht in Deutschland ansässig gewesen zu sein. Entsprechend erklärten sie lediglich Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zweier fremdvermieteter Wohnungen in Deutschland, sowie hinsichtlich des Hauses Mieteinnahmen in Höhe von 7.800 EUR (entspricht einer Monatsmiete von 650 EUR), bei Werbungskosten von 3.571 EUR.

Für 2010 reichten die Kläger keine Erklärung ein – offenbar unter dem Eindruck der Ermittlungen der Steuerfahndung, die mit der Durchsuchung des Münchner Hauses am 22.02.2011 begannen.

In der ESt-Erklärung für 2011 erklärten die Kläger entsprechend ihren Ausführungen im Steuerstrafverfahren, seit 01.07.2011 wieder im Inland einen Wohnsitz zu haben. Hinsichtlich des Hauses erklärten sie Mieteinnahmen von 3.900 EUR bei Werbungskosten von 4.929 EUR (entspricht einer Monatsmiete für die ersten sechs Monate in Höhe von monatlich 650 EUR).

Den Wohnsitz der Kinder erklärten Sie (analog bei der Familienkasse) von Oktober 2008 bis Juni 2011 als im Ausland belegen.

Aufg...

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