Entscheidungsstichwort (Thema)

Besteuerung der Einkünfte eines persönlich haftenden Gesellschafters einer Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA), wenn der Gewinn der KGaA auch auf steuerfreien Dividendenbezügen beruht

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Von einer KGaA von ausländischen Tochtergesellschaften vereinnahmte Dividenden, die nach dem Schachtelprivileg in einem Doppelbsteuerungsabkommen (hier: Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b DBA-Schweiz in der Fassung ab 12.3.2002 und Art. 20 Abs. 2 Satz 3 DBA-Luxemburg in der vom 15.6.1973 bis 31.12.2013 gültigen Fassung) in voller Höhe steuerfrei sind und von der KGaA an einen persönlich haftenden Gersellschafter durchgeleitet werden, sind bei der Einkommensteuer des persönlich haftenden Gesellschafters infolge des Schachtelprivilegs ebenfalls steuerfrei und unterliegen nach § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG lediglich dem Progressionsvorbehalt.

2. Soweit von einer KGaA vereinnahmte Dividenden nach § 8b Abs. 1, Abs. 5 KStG steuerfrei sind und von der KGaA an einen persönlich haftenden Gesellschafter durchgeleitet werden, unterliegen sie bei der Einkommensteuer des persönlich haftenden Gesellschafters (hier: in den Jahren 2004 bis 2008) dem Halbeinkünfteverfahren und sind nach § 3 Nr. 40 Buchst. d EStG nur teilweise steuepflichtig. Das Gericht folgt nicht der Auffassung der Finanzverwaltung, dass es sich bei der Bestimmung des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG um eine originäre Einkünftequalifikation dergestalt handelt, als die Erzielung betrieblicher Kapitaleinkünfte für einen persönlich haftenden Gesellschafter im Rahmen seiner mitunternehmerischen Beteiligung an der KGaA nicht möglich wäre.

3. Es ist eine an den Grundsätzen des § 39 AO orientierte wirtschaftliche Betrachtungsweise zur steuerrechtlichen Qualifizierung des Gewinnanteils des persönlich haftenden Gesesellschafters geboten. Auf den Umstand, dass eine gesamthänderische Beteiligung des persönlich haftenden Gesellschafters am Betriebsvermögen der KGaA nicht stattfindet, kann es dabei nicht ankommen. Vielmehr erfolgt in dem Maße, in dem der persönlich haftende Gesellschafter aus seiner mitunternehmerischen Beteiligung an der KGaA einen Ertragsanteil beanspruchen kann, eine originäre Aufteilung der Einkünftequellen der KGaA zwischen dem Gesellschafter und der KGaA.

4. § 9 Abs. 1 Nr. 1 KStG ist nicht als Aufwands-, sondern als Zuordnungs- und Aufteilungsnorm auszulegen und anzuwenden, so dass es bei einer einheitlichen Qualifikation des steuerrechtlichen Geschäftsvorfalls bezogen auf das gesamte Betriebsvermögen bleibt, mit der Möglichkeit, gegebenenfalls unterschiedliche steuerrechtlichen Wirkungen auf Ebene des jeweiligen Anteilsberechtigten zu ziehen (Ausführungen zu Sinn und Zweck von § 9 Abs. 1 Nr. 1 KStG).

 

Normenkette

EStG 2002 § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, § 3 Nr. 40 Buchst. d, § 32b Abs. 1 S. 1 Nr. 3; KStG 2002 § 9 Abs. 1 Nr. 1, § 8b Abs. 1, 5-6; DBA CHE Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b; DBA LUX 1973 Art. 20 Abs. 2 S. 3; AO § 39

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 01.06.2022; Aktenzeichen I R 44/18)

 

Tenor

1. Die Einkommensteuerfestsetzung 2004, 2005, 2006 und 2007 jeweils vom 16. Mai 2013 und 2008 vom 12. Juni 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom jeweils 10. Juli 2013 wird geändert, als aus der Tätigkeit des Klägers als persönlich haftender Gesellschafter der KGaA Einkünfte in Höhe von EUR im Jahr 2004, von EUR im Jahr 2005, von EUR im Jahr 2006, von EUR im Jahr 2007 und von EUR im Jahr 2008 berücksichtigt werden und die Einkommensteuer unter Berücksichtigung eines Progressionsvorbehaltes für steuerfreie ausländische Einkünfte in Höhe von EUR (2004), EUR (2005), EUR (2006), EUR (2007) und EUR (2008) jeweils entsprechend herabgesetzt wird.

Die Berechnung wird der Behörde gem. § 100 Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung übertragen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Kläger die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.

4. Die Kosten der Beigeladenen werden nicht erstattet.

5. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob ein Teil der Einnahmen des Klägers im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als persönlich haftender Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft auf Aktien –KGaA– die auf durchgeleiteten Dividenden beruhen, ermäßigt nach dem Halbeinkünfteverfahren zu besteuern sind und soweit sie bei der KGaA im Rahmen einer sogenannten „Schachtelprivilegierung” einer DBA-Steuerbefreiung unterlegen haben steuerfrei unter dem Progressionsvorbehalt zu berücksichtigen sind.

Die KGaA wurde zum Verfahren beigeladen.

Der Kläger war in den Streitjahren 2004 bis 2008 persönlich haftender Gesellschafter (phG) einer KGaA. Gemäß Tätigkeitsvertrag vom 1. Januar 1999 erhielt er für diese Tätigkeit eine feste Vergütung, sowie eine Beteiligung von 4% am Gewinn der KGaA, die mit bestimmten Bed...

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