Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungsmäßigkeit der Zinsbesteuerung in den Jahren 1994, 1995, 2000, 2001. Einkommensteuer 1994, 1995, 2000 und 2001

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Besteuerung von Zinserträgen (früher: § 20 Abs. 1 Nr. 8, jetzt § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG) in den Jahren 1994, 1995, 2000 und 2001 entspricht verfassungsrechtlichen Vorgaben. Die früher bestehenden strukturellen Erhebungsmängel sind durch das Zinsabschlaggesetz vom 9.11.1992 soweit abgemildert worden, dass von einem weiter bestehenden Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot nicht ausgegangen werden kann.

 

Normenkette

EStG § 20 Abs. 1 Nr. 7; GG Art. 3 Abs. 1

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 10.03.2008; Aktenzeichen 2 BvR 2077/05)

BFH (Urteil vom 07.09.2005; Aktenzeichen VIII R 90/04)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Besteuerung von Zinserträgen verfassungsrechtlichen Vorgaben entspricht.

Die Kläger werden als Eheleute zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Die von den Klägern in ihren Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre bei den Einkünften aus Kapitalvermögen angegebenen Beträge (Einnahmen und Werbungskosten) legte der Beklagte ohne Abweichung der Besteuerung nach dem Einkommensteuergesetz zugrunde. Zum Ansatz gelangten als Einkunftsbeträge

1994:

4.373.– DM

(Einkommensteuerbescheid vom 21. November 1995)

1995:

12.914.– DM

(Einkommensteuerbescheid vom 13. August 1996)

2000:

13.059.– DM

(Einkommensteuerbescheid vom 03. September 2001)

2001:

8.537.– DM

(Einkommensteuerbescheid vom 27. Juni 2002).

Die Einsprüche blieben erfolglos. Die Einspruchsentscheidung erging am 12. Februar 2003, nachdem zuvor der Bundesfinanzhof die Revision der Kläger gegen das Urteil des FG München vom 30. März 1995 (Az 6 K 2765/94) betreffend die verfassungsrechtliche Beurteilung der 1993 von den Klägern bezogenen Kapitaleinkünfte als unbegründet zurückgewiesen (Urteil vom 18. Februar 1997 VIII R 33/95, BStBI. II 1997, 499) und das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde der Kläger (2 BvR 1440/97) nicht zur Entscheidung angenommen hatte.

Zur Begründung der Klage wird im Wesentlichen geltend gemacht: In der Entscheidung vom 27. Juni 1991 (2 BvR 1493/89, BStBI. II 1991, 654) habe das Bundesverfassungsgericht eine Neugestaltung der Besteuerung von Zinsen aus Kapitalvermögen aus verfassungsrechtlichen Gründen angemahnt. Die Neuregelung durch das Zinsabschlaggesetz (Gesetz zur Neuregelung der Zinsbesteuerung vom 09. November 1992, BStBI. l 1992, 682) entspreche nicht den vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Grundsätzen. Der Gesetzgeber habe sich dazu entschlossen, die Kapitaleinkünfte an der Quelle zu besteuern. Diese Maßnahme sei aber nicht ausreichend, um das gerügte Erhebungsdefizit auszugleichen. Statt einer vollständigen Erfassung aller Kapitalerträge habe die Einführung des Zinsabschlagsverfahrens die größte Steuerfluchtbewegung in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland hervorgerufen. Banken und die Deutsche Steuergewerkschaft schätzten übereinstimmend das Vermögen deutscher Privatanleger auf ausländischen Konten, auf die der deutsche Fiskus keinen Zugriff habe, auf 350 bis 400 Milliarden Euro. Der jüngst entworfene Plan der Bundesregierung, durch ein Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit die Repatriierung im Ausland versteckter Vermögen mit Hilfe einer Abgeltungssteuer und der Zusicherung von Straffreiheit zu erleichtern, belege eindrucksvoll das eklatante strukturelle Erhebungsdefizit der Zinsbesteuerung. Der Gesetzgeber habe es versäumt, die tatsächliche Durchsetzung der Steuerpflicht wirksam sicherzustellen. Insbesondere sei der vom Bundesverfassungsgericht gegebene Hinweis auf eine entsprechende Öffnung des Bankgeheimnisses nicht aufgenommen worden. Denkbar wäre auch eine Abgeltungssteuer von 25 bis 30 % gewesen, die wahrscheinlich eine Steuerflucht in dem beschriebenen Ausmaß verhindert hätte. Die immer noch anhaltende Kapitalflucht belege, dass die tatsächliche Steuerbelastung nach wie vor entscheidend davon abhänge, ob die Zinsen erklärt würden oder nicht. Die Umgehung der Steuerpflicht durch Verlagerung des Kapitals in angrenzende Länder (z. B. Luxemburg), wo die Zinsen ohne Steuerabzug voll ausbezahlt würden, zeige, dass die Zinsabschlagsteuer die Mängel in der Durchsetzung der Zinsbesteuerung nicht beseitige. Damit sei der Grundsatz der Besteuerungsgleichheit verletzt. Die materielle Steuernorm dürfe als Folge der Verfassungswidrigkeit nicht mehr als Grundlage für eine Besteuerung der Zinseinkünfte herangezogen werden. Die Verfassungswidrigkeit ergebe sich außerdem daraus, dass bei Kapitaleinkünften höhere Freibeträge als bei anderen Einkunftsarten zum Abzug gelangten, dass der Halbteilungsgrundsatz nicht beachtet werde und dass das Nominalwertprinzip anzuwenden sei.

Die Kläger beantragen, unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 12. Februar 2003 die Einkünfte aus Kapitalvermögen bei der Festsetzung der Einkommensteuer 1994, 1995, 200...

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