Entscheidungsstichwort (Thema)

Büroraum als Betriebsstätte eines Handelsvertreters nach DBA-Jugoslawien. Zu den Merkmalen einer Betriebsstätte i. S.v. Art. 5 DBA Jugoslawien. Einkommensteuer 1996

 

Leitsatz (amtlich)

Ein selbständiger Handelsvertreter für Bügelmaschinen, der überwiegend vor Ort in den Geschäftsräumen seiner Kunden in Jugoslawien tätig wird, weil dort die Verträge ausgehandelt und abgeschlossen werden, der aber aufgrund des Umfangs der Geschäfte einer ortsfesten Einrichtung („Geschäftsstelle”) zur Vorbereitung und Koordinierung der Geschäfte sowie zur Organisation der nachvertraglichen Betreuung der Kundschaft bedarf und hierzu einen Büroraum in Jugoslawien angemietet hat, unterhält dadurch eine Betriebsstätte (Geschäftsstelle) i. S. des DBA-Jugoslawien.

 

Normenkette

DBA YUG Art. 5 Abs. 1, 4 Buchst. E, Abs. 2 Buchst. C

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 23.07.2003; Aktenzeichen I R 62/02)

BFH (Urteil vom 23.07.2003; Aktenzeichen I R 62/02)

 

Tenor

1. Der geänderte Einkommensteuerbescheid 1996 vom 6. April 1998 und insoweit auch die Einspruchsentscheidung vom 27. April 1999 werden aufgehoben.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger ist zumindest seit 1979 für die … in … (V-KG in L), eine Herstellerin von Bügelmaschinen, als selbständiger Handelsvertreter tätig. Das Aufgabengebiet umfasst im Wesentlichen den Verkauf dieser Produkte im ehemaligen Jugoslawien (J).

Ab 1. Januar 1987 wurden Pflichten und Rechte des Klägers im Verhältnis zur V-KG vertraglich geregelt (s. Vereinbarung vom 9./11. März 1987, Bl. 147–154 Einkommensteuer-ESt-Akte 1996). Der Kläger hat gem. § 1 Abs. 1 der Vereinbarung den Verkauf der Bügeltechnikprodukte von der V-KG an die Bekleidungsindustrie in J. zu übernehmen. Die vom Kläger zu erbringenden Tätigkeiten sind in § 3 Nr. 2–5 der Vereinbarung beschrieben. Gem. § 4 erhält der Kläger eine Provision von 20 % aus dem Warennettowert. Für besondere Tätigkeiten steht ihm gem. § 5 Abs. 2 eine Aufwandsentschädigung (Reisekosten, Telefongebühren, Porto) zu.

Die aufgrund dieser Tätigkeit angefallenen Einnahmen versteuerte der Kläger für 1987 und 1988 in der BRD, wobei er mit dem Beklagten (Finanzamt –FA–) darin Übereinstimmung erzielte, 50 % den Einkünften aus Gewerbebetrieb und 50 % denjenigen aus selbständiger Arbeit zuzuordnen; am 2. Februar und 13. März 1989 hatten über diese Frage der Gewerblichkeit oder Freiberuflichkeit der erzielten Einkünfte zwei Besprechungen zwischen der Sachbearbeiterin und dem Sachgebietsleiter des FA einerseits und dem Kläger (nur am 13. März anwesend) sowie zwei steuerlichen Vertretern andererseits stattgefunden, welche auch den Veranlagungszeitraum 1986 umfassten (Bl. 33 f., 63 f. ESt-Akte 1986).

Der Kläger unterhielt in seiner … (P) Wohnung einen Büroraum, den er zunächst als Betriebsstätte ansah.

Mit Vertrag vom 1. Dezember 1988 mietete der Kläger einen möblierten Büroraum in (2), ein Ersatzteillager und eine Kaffeeküche mit insgesamt 45 qm an; außerdem zwei Kfz-Stellplätze (s. die Vertragsablichtung in Deutsch und Kroatisch; Bl. 2–3 b BNV-Akte).

Ab 1. Januar 1993 gründete der Kläger eine GmbH, der er den Firmennamen seines Einzelunternehmens … (im folgenden: „Lu”) verlieh, mit dem Sitz in … –MS– (s. den in beglaubigter Übersetzung vorgelegten Gründungsvertrag vom 19. Februar 1993, Bl. 141–146 ESt-Akte 1996).

Ab 1. Februar 1993 mietete der Kläger einen Raum in MS unter dem Firmennamen Lu an. Die Miete betrug (27 qm × 22 DM =) 594 DM (§§ 1, 2 des Mietvertrags vom 1. Februar 1993, Bl. 183–184 ESt-Akte 1996, aufgerundet 600 DM). Noch 1997 hatte der Kläger lt. Rechnung an die Vermieterin für die Monate April – Juni 1.800 DM Miete zu überweisen (Bl. 17 FG-Akte).

Lt. Angabe hat die Lu-GmbH keine Geschäftstätigkeit entfaltet und somit keine Einnahmen erzielt. Alle Einkünfte der Streitjahre 1989–1996 (für 1989 s. das rechtskräftige Urteil vom 10. April 2000 – 13 K 2347/99, Bl. 63–74 FG-Akte) wurden allein vom Kläger persönlich erwirtschaftet, obwohl in den ESt-Erklärungen 1994 und 1995 (Anlagen KSO) die Einkünfte aus der Fachberatung als ausländische Kapitaleinkünfte und somit als Einnahmen der GmbH in J. dargestellt wurden. Lt. einer Bestätigung der V-KG vom 19. Oktober 1998 (Bl. 94 f. FG-Akte), welche sich auf den angemieteten Raum in MS bezieht, soll der Kläger für sie in folgenden Bereichen in J. tätig geworden sein:

  • selbständiger Handelsvertreter, exklusiv für das Verkaufsgebiet J
  • Neukundenwerbung
  • Beratung
  • Angebotserstellung
  • Auftragsabschluss
  • Sicherstellung der Zahlungsmodalitäten.

Die V-KG habe nach Vorliegen des Vertragsabschlusses geliefert und fakturiert.

Tätigkeiten nach dem Verkauf:

  • Aufstellung der Maschinen
  • Einweisung der Maschinen und S...

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