Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung zwischen gewerblicher oder freiberuflicher Fertigung von Gebrauchskunst

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein Typograph und Grafiker, der nach vier Jahren Kunststudium und einer Schriftsetzerlehre nunmehr einzelunternehmerisch Plakate, Anzeigen für Hochzeiten und Geburtstage, Briefbögen, Visitenkarten, Speisekarten und Getränkekarten mit der Hand aus Blei- und Holzbuchstaben fertigt und auf Büttenpapier druckt, wird nicht künstlerisch i. S. d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG tätig, wenn der zwar eine besondere Kreativität und hohe technische Fähigkeiten erkennen lassenden Gebrauchskunst der für eine gewisse Gestaltungshöhe erforderliche Abstraktionsgrad fehlt (Vorgabe der Materialien, Formen und des Zwecks durch Auftraggeber). Gibt die handwerkliche Leistung den Drucksachen das Gepräge, liegt eine gewerbliche Tätigkeit vor.

 

Normenkette

EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2, § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die steuerliche Anerkennung von Verlusten aus Gewerbebetrieb, die der Kläger aus einer Tätigkeit als Typograph und Grafiker in den Streitjahren 2001 – 2007 erzielt hat.

Der 1947 geborene Kläger studierte 1964 – 1968 an der Kunstakademie in …, absolvierte von 1969 – 1971 eine Schriftsetzerlehre in … und arbeitete von 1974 – 1982 als Grafiker in einem Schriften-Atelier in …. 1976 gründete er die „… Handpresse”. Seit dem Jahr 1982 ist er als Typograph und Grafiker selbständig tätig und betreibt die „… Handpresse” auf einem in seinem Eigentum befindlichen Grundstück in …. Das Grundstück mit Gebäude, das vollständig betrieblich genutzt wurde, wurde vom Kläger im Jahr 1997 für einen Gesamtkaufpreis von 339.174 DM (= 173.416 EUR) erworben. Der darin enthaltene Grund- und Bodenanteil von 340 m² hat einen unstreitigen Wert von 102.000 DM (= 52.152 EUR). Im Rahmen eines Umbaus des Anwesens fielen im Jahr 1997 nachträgliche Herstellungskosten von 84.640,22 DM (= 43.276 EUR) an.

Im Rahmen seines Unternehmens, dessen Einkünfte er durch Einnahmenüberschussrechnung ermittelte, fertigte der Kläger Plakate, (Hochzeits- und Geburtstags-)Anzeigen, Briefbögen, Visitenkarten, Speise- und Getränkekarten mit der Hand aus Blei- und Holzbuchstaben und brachte sie mit der Tiegelpresse in kleinen Auflagen für einen kleinen Kundenkreis auf besonderem Papier (z.B. Büttenpapier) auf. Seit dem Jahr 1977 beteiligte er sich an den … Kulturtagen und an weiteren Ausstellungen. Zudem nahm er seitdem an den jährlich stattfindenden Ausstellungen der Sparkasse … teil. Im Jahr 2006 nahm er an der Ausstellung „Brecht in der Buchkunst und Graphik” im …haus in … und vom 18. Juli – 30. Oktober 2008 an der Ausstellung …-Art in … teil.

In den Streitjahren wurde der Kläger zusammen mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer veranlagt. Die Ehefrau des Klägers erzielte in den Streitjahren Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Gymnasiallehrerin und in den Jahren 2002 – 2003 Einkünfte aus selbständiger Arbeit als Musikpädagogin. Daneben erzielten die Kläger gemeinsam Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und teilweise Einkünfte aus Kapitalvermögen.

In den Jahren 1987 – 2000 wurden folgende Einkünfte aus Gewerbebetrieb des Klägers der Einkommensbesteuerung des Klägers zugrunde gelegt (in DM):

1987

1988

1989

1990

1991

1992

1993

2.483

2.656

1.692

11.109

- 9.716

- 10.484

- 9.607

1994

1995

1996

1997

1998

1999

2000

Summe 1987 – 2000

- 7.335

- 8.055

- 14.314

- 47.630

- 26.530

- 6.136

- 11.708

- 133.575 DM (= – 68.296 EUR)

Im Bericht über die Außenprüfung im Einzelunternehmen des Klägers durch die Betriebsnahe Veranlagungsstelle vom 6. Juli 2000 kam der Prüfer nach Prüfung der Jahre 1996 – 1998 zu dem Ergebnis, dass die Gewinnerzielungsabsicht des Klägers erst nach Ablauf des Jahres 2001 beurteilt werden könne.

Folgende negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb wurden in den Jahren 2001 – 2006 (in EUR) zunächst der Besteuerung zugrunde gelegt:

2001

2002

2003

2004

2005

2006

Summe 2001 - 2006

9.270

11.661

12.055

8.786

10.877

11.090

- 63.739 EUR

In den Jahren 2007 – 2012 erklärte der Kläger aus seinem Einzelunternehmen Einkünfte aus Gewerbebetrieb von - 4.329 EUR (2007), - 2.928 EUR (2008), - 1.881 EUR (2009), 2.327 EUR (2010), - 465 EUR (2011) und 294 EUR (2012). Die Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre ergingen nach § 165 Abs. 1 Sätze 1 und 2 der Abgabenordnung (AO) teilweise vorläufig hinsichtlich der Einkünfte aus Gewerbebetrieb, weil die Gewinnerzielungsabsicht nicht abschließend beurteilt werden konnte.

Aus der Gewinnermittlung des Klägers ergaben sich folgende Betriebseinnahmen und -ausgaben aus Gewerbebetrieb (in EUR):

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

Einnahmen (brutto)

8.591

7.345,05

4.537,38

7.171,86

4.850,81

4.772,29

7.476,75

Ausgaben (brutto)

Geringwertige Wirtschaftsgüter

1.643

1.076,61

1.208,46

1.195,28

677,31

1.022,67

1.297,78

Bürobedarf

309

552,42

332,48

236,28

179,91

223,83

173,78

Fachzeitschriften

220

115,04

180...

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