Entscheidungsstichwort (Thema)

Übertragung des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf darf alleine auf Antrag des Elternteils, bei dem die Kinder gemeldet sind, übertragen werden.

Die Vorschrift verstößt nicht gegen Verfassungsrecht.

Der Antrag auf Übertragung ist eine neue Tatsache oder ein rückwirkendes steuerliches Ereignis.

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 6 S. 6 2. Hs; AO § 173 Abs. 1 Nr. 1, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 27.10.2011; Aktenzeichen III R 42/07)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob der Beklagte – das Finanzamt (FA) – zu einer Änderung des Steuerbescheides berechtigt war und hierbei gegen den Willen des Klägers den Betreuungsfreibetrag beim anderen Elternteil, jedoch nicht mehr beim Kläger berücksichtigen durfte.

Der in Ismaning wohnende Kläger ist seit dem 31. März 2002 von seiner früheren Ehefrau geschieden und wird für das Streitjahr 2004 zur Einkommensteuer (ESt) einzeln veranlagt.

In seiner ESt-Erklärung für das Streitjahr gab der Kläger in der Anlage „Kind” für die 1994 und 1998 geborenen Kinder an, es habe ein Kindergeldanspruch bestanden. Die Anschrift der Kinder gab er mit „O.” an, dem Wohnort auch von deren Mutter.

Das FA veranlagte zunächst unter Übernahme der erklärten Angaben und berücksichtigte für die zwei Kinder Freibeträge in Höhe von je 2.904 EUR (ESt-Bescheid für 2004 vom 15. September 2005). Ein Antrag auf Übertragung des Freibetrags war dem FA bei der Veranlagung nicht bekannt. In den „Dauerunterlagen” befand sich hierzu keinerlei Hinweis. Im ESt-Bescheid für das Vorjahr 2003 wurde in der Veranlagung des Klägers je Kind ein Freibetrag in Höhe von 2.904 EUR berücksichtigt, so dass sich auch hieraus kein Hinweis auf eine Übertragung ergab.

Am 7. Oktober 2005 ging beim FA eine schriftliche Mitteilung des Finanzamts Erding vom 4. Oktober 2005 ein, wonach der Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf für die beiden Kinder auf den beim Finanzamt Erding geführten antragstellenden Elternteil übertragen worden sei, weil die Kinder nicht in der Wohnung des anderen Elternteils (Anmerkung: des Klägers) gemeldet seien. Das FA bat daraufhin den Kläger mit Schreiben vom 14. Oktober 2005 um einen Rückruf. In der Notiz über das Telefonat vom 20. Oktober 2005, in dem die Sach- und Rechtslage erörtert wurde, notierte sich der Bearbeiter, dass die Kinder nicht beim Kläger gemeldet seien.

Das FA änderte unter dem 3. November 2005 den ESt-Bescheid für das Streitjahr unter Berufung auf die Änderungsvorschrift des § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) und berücksichtigte für die Kinder nur noch Kinderfreibeträge gemäß § 32 Abs. 6 Satz 1, 1. Alternative des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von je 1.824 EUR – also ohne den Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf in Höhe von 1.080 EUR je Kind.

Hiergegen richtete der Kläger seinen Einspruch (Schreiben vom 14. November 2005). Die Voraussetzungen der angegebenen Änderungsnorm seien nicht gegeben. In seiner Erwiderung vom 24. November 2005 stützte das FA die Änderung auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO (rückwirkendes Ereignis). Im Bescheid sei irrtümlich § 173 AO genannt worden. Daraufhin gab der Kläger mit Schreiben vom 20. Dezember 2005 seiner Auffassung Ausdruck, auch die Voraussetzungen des § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO seien nicht erfüllt, worauf das FA mit Schreiben vom 16. Januar 2006 seine rechtliche Beurteilung ausführlich erläuterte. Nach der weiteren Gegenäußerung des Klägers unter dem 18. Januar 2006 wies das FA in der Einspruchsentscheidung (EE) vom 26. Januar 2006 den Einspruch als unbegründet zurück.

Mit seiner Klage (Schriftsätze vom 21. Februar 2006 und vom 13. Dezember 2006) trägt der Kläger vor, das FA dürfe nicht eine andere Änderungsnorm „nachschieben”. Weder die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO noch die des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO seien gegeben. Die Ehefrau habe bereits in den Vorjahren die Übertragung des Kinderfreibetrages beantragt, weshalb dem FA alle Tatsachen bekannt gewesen seien und auch kein rückwirkendes steuerliches Ereignis vorgelegen habe. Im Übrigen sei die zwangsweise Übertragung des Freibetrages auf den anderen Elternteil verfassungswidrig.

Der Kläger beantragt,

den ESt-Änderungsbescheid für 2004 vom 3. November 2005 und die hierzu ergangene EE vom 26. Januar 2006 aufzuheben, so dass der vorherige Bescheid vom 15. September 2005 wieder in Kraft tritt;

hilfsweise: die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es verweist im Wesentlichen auf die Einspruchsentscheidung.

Wegen der weiteren Rechtsausführungen der Beteiligten im Einzelnen wird auf die genannten Schriftsätze sowie auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Auf Antrag des Klägers und im Einvernehmen mit dem...

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