Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeldanspruch bei krankheitsbedingter Unterbrechung der Berufsausbildung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Unterbrechung einer Berufsausbildung ist für den Anspruch auf Kindergeld unschädlich, wenn sie infolge einer Erkrankung des Kindes erfolgt.

2. Entscheidend für die Frage, ob eine Unterbrechung der Ausbildung wegen einer Erkrankung im Sinne von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG kindergeldrechtlich unschädlich ist, ist nicht, ob während der Unterbrechung ein förmliches Ausbildungsverhältnis zu einem bestimmten Ausbildungsbetrieb besteht, sondern, ob das erkrankte Kind wegen der Erkrankung zeitweise objektiv gehindert ist, Ausbildungsmaßnahmen zu ergreifen.

3. Eine Unterbrechung der Ausbildung liegt auch vor, wenn das ursprüngliche Ausbildungsverhältnis aufgrund der Erkrankung gekündigt und unmittelbar nach der Genesung eine gleichartige Ausbildung bei einem anderen Ausbildungsbetrieb aufgenommen wird.

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a, c

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 07.10.2021; Aktenzeichen III R 8/20)

 

Tenor

Der an die Beigeladene gerichtete Bescheid vom … 2017 über die Aufhebung der Festsetzung von Kindergeld für die Klägerin für den Zeitraum von April 2015 bis einschließlich August 2016 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom … 2017, sowie

der an die Klägerin gerichtete Bescheid vom … 2017 über die Rückforderung von Kindergeld i. H. v. 3.212,00 EUR für den Zeitraum von April 2015 – August 2016 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom … 2017 werden aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruches der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Aufhebung einer Kindergeldfestsetzung sowie die darauf gestützte Kindergeldrückforderung durch die Beklagte für den Zeitraum April 2015 – August 2016.

Der am … 1993 geb. Klägerin wurde das der Beigeladenen, ihrer kindergeldberechtigten Mutter, zustehende Kindergeld ab Februar 2015 aufgrund eines Abzweigungsantrages ausgezahlt.

Die Klägerin hatte am 14.10.2013 eine dreijährige Friseurlehre in … bei dem Friseurunternehmen … begonnen. Sie kündigte das Ausbildungsverhältnis zum 31.03.2015 und unterzog sich wegen Drogenabhängigkeit vom 22.04.2015 – 12.05.2015 in einem Krankenhaus einer stationär durchgeführten Entgiftungsbehandlung (Bl. 421 f. KG-Akte). Vom 23.06.2015 – 24.05.2016 durchlief sie in einer Fachklinik für Drogenabhängige in … eine wiederum stationär durchgeführte Drogenentwöhnungstherapie (Bl. 423 KG-Akte). Vom 24.05.2016 – 31.08.2016 begab sie sich zur Entwöhnungsbehandlung in die Rehabilitationseinrichtung „…” in …. Während ihrer drogenbedingten Behandlung bezog die Klägerin vom „Jobcenter” Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II), auf die der Kindergeldbezug angerechnet wurde. Weder die Klägerin noch die Beigeladene hatten der Beklagten die Beendigung der Friseurausbildung mitgeteilt.

Am 01.09.2016 begann die Klägerin erneut eine dreijährige Friseurausbildung in ….

Nachdem die Beklagte von dem Abbruch der Ausbildung bei dem Friseur … durch die Klägerin erfahren hatte, hob sie mit Bescheid vom … 2017 die Kindergeldfestsetzung gegenüber der Beigeladenen für die Zeit von April 2015 – August 2016 auf und forderte von der Klägerin mit weiterem Bescheid vom selben Tag überzahltes Kindergeld i. H. v. 3.212,00 EUR zurück. Gegen „den Bescheid” bzw. „Ihr Schreiben” vom … 2017 mit dem identischen Aktenzeichen … legte die Beigeladene am … 2017 und die Klägerin am … 2017 Einspruch ein. Zur Begründung verwiesen beide auf die drogenbedingte Erkrankung und Behandlung der Klägerin, die Beigeladene beantragte außerdem die Stundung des Rückforderungsbetrages.

Mit Einspruchsentscheidung vom … 2017 wies die Beklagte den Einspruch der Beigeladenen zurück.

Zur Begründung war auf die Beendigung des Ausbildungsverhältnisses der Klägerin bei dem Friseurunternehmen … hingewiesen, insoweit liege nicht nur eine unschädliche krankheitsbedingte Unterbrechung des Ausbildungsverhältnisses vor. Die Einspruchsentscheidung wurde auch der Klägerin bekannt gegeben. Mit weiterer Einspruchsentscheidung vom … 2017 wies die Beklagte den Einspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung war angegeben, dass die Kindergeldrückforderung berechtigt sei, weil die Kindergeldfestsetzung gegenüber der Beigeladenen aufgehoben worden sei.

Mit Schreiben vom … 2017 berichtigte die Beklagte die der Einspruchsentscheidung an die Klägerin beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung dahin, dass eine Klage bei dem Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern und nicht bei dem Finanzgericht … erhoben werden müsse.

Die Klägerin hat am … 2017...

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