rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Geschäftsführerhaftung für Lohnsteuer der GmbH. keine Einwendungen gegen den Haftungsbescheid bei Nichterhebung eines Widerspruchs im Insolvenzverfahren

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Bestellung eines vorläufigen schwachen Insolvenzverwalters führt nicht dazu, dass die Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übergeht; diese verbleibt vielmehr beim Schuldner bzw. dessen Organen.

2. Eine Lohnsteueranmeldung erwächst mit ihrem Regelungsgehalt in materielle Bestandskraft, so dass sie in Bezug auf die einzubehaltende Lohnsteuer Tatbestandswirkung entfaltet.

3. Die Regelungen des Besteuerungsverfahrens, zu denen auch § 164 AO gehört, werden durch die ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens geltenden Regelungen der InsO überlagert. Insoweit besteht grundsätzlich Vorrang des Insolvenzrechts vor dem Steuerverfahrensrecht.

4. Der Geschäftsführer einer GmbH muss unanfechtbare Lohnsteueranmeldungen der GmbH gegen sich gelten lassen, wenn er nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH keinen Widerspruch gegen die (formell bestandskräftigen) Lohnsteuerfestsetzungen wirksam erhoben hat.

5. Wirksam ist ein Widerspruch nur dann, wenn er im Prüfungstermin mündlich erhoben wird.

 

Normenkette

AO § 191 Abs. 1 S. 1, § 69 S. 1, § 34 Abs. 1, §§ 166, 168, 164; InsO § 21 Abs. 2 Nr. 2, §§ 176, 184 Abs. 1 S. 1, Abs. 2; EStG § 41a Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 16.05.2017; Aktenzeichen VII R 25/16)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen einen Haftungsbescheid des Beklagten, mit dem er als ehemaliger Geschäftsführer der GmbH (im Folgenden: GmbH) in Haftung genommen worden ist.

Der Kläger war seit der Gründung der GmbH am 18.04.2007 deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer. Gegenstand des Unternehmens war die Durchführung internationaler Transporte.

Der Kläger beantragte am 22.10.2009 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH. Das Amtsgericht … ordnete mit Beschluss vom 27.10.2009 die vorläufige Insolvenzverwaltung mit Zustimmungsvorbehalt (§ 21 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alt. Insolvenzordnung – InsO –) an und bestellte einen vorläufigen Insolvenzverwalter. Dieser kam in dem Gutachten vom 22.12.2009 zu dem Ergebnis, dass die GmbH zahlungsunfähig und überschuldet und dass eine die Kosten deckende Masse vorhanden sei. Daraufhin eröffnete das Amtsgericht … unter dem Az. 60 IN 403/09 am 01.01.2010 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH. Im Bericht vom 18.03.2010 geht der Insolvenzverwalter davon aus, dass für Insolvenzgläubiger keine Quotenaussichten bestünden.

Der Beklagte erließ gegen den Kläger als Haftungsschuldner für die Ansprüche gegen die GmbH nach – erfolgloser – Anhörung am 30.04.2010 den streitgegenständlichen Haftungsbescheid sowie einen Haftungsbescheid wegen rückständiger Umsatz- und Körperschaftsteuer, der jedoch nicht Gegenstand dieses Verfahren ist.

Der Beklagte nahm den Kläger für Lohn-, Lohnkirchensteuern und steuerliche Nebenleistungen i. H. v. insgesamt 6.063,16 EUR in Anspruch, welche sich wie folgt zusammensetzen:

Steuerart

Zeitraum

Fällig

Betrag in EUR

Säumniszuschläge bis 01.01.2010

Lohnsteuer-Verspätungszuschlag

Sept. 2009

09.11.2009

25,00

Lohnsteuer

August 2009

24.09.2009

2.269,69

114,00

Lohnsteuer

Sept. 2009

16.10.2009

3.130,60

93,00

Soli z. LSt

August 2009

24.09.2009

147,88

4,00

Soli z. LSt

Sept. 2009

16.10.2009

161,37

4,50

Lohnkirch.St.ev

August 2009

24.09.2009

52,24

Lohnkirch.St.ev

Sept. 2009

16.10.2009

52,24

Lohnkirch.St.rk

August 2009

24.09.2009

2,88

Lohnkirch.St.rk

Sept. 2009

16.10.2009

5,76

Summe

5.847,66

215,50

Die rückständigen Steueransprüche beruhten auf den von der GmbH eingereichten Lohnsteueranmeldungen. Der Insolvenzverwalter habe angegeben, dass die Löhne erst ab Oktober 2009 offen gewesen seien.

Der Kläger legte dagegen form- und fristgerecht, jedoch ohne nähere Begründung Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung (AdV).

Nachdem der Beklagte die AdV-Anträge abgelehnt hatte, begehrte der Kläger vorläufigen Rechtsschutz durch das Gericht. Dort machte der Kläger u. a. geltend, dass eine Haftung nicht in voller Höhe der angemeldeten Lohnsteuern bestehen könne, sondern allenfalls hinsichtlich der Lohnsteuerbeträge, die bei der gebotenen Kürzung der Nettolöhne an das Finanzamt hätten abgeführt werden können. Nach Kenntnis des Klägers seien die Löhne für August und September 2009 nicht mehr gezahlt worden; er habe keine Lohnzahlung veranlasst. Offensichtlich habe das Steuerbüro Lohnsteuererklärungen abgegeben, ohne zu prüfen, ob tatsächlich Löhne gezahlt worden seien. Das Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern wies den Antrag auf AdV des Haftungsbescheides betreffend Lohnsteuer als unbegründet zurück (Beschluss vom 20.08.2010, 2 V 68/10, abgetrennt aus 2 V 58/10).

Der Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 23.12.2010 mit, dass dieser bisher nicht glaubha...

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