Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterbrechung des Einspruchsverfahrens durch Insolvenzeröffnung

 

Leitsatz (redaktionell)

Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Stpfl. wird ein bereits anhängiges Einspruchsverfahren gegen Einkommensteuerfestsetzungen analog § 240 ZPO unterbrochen.

 

Normenkette

AO §§ 365, 367; InsO § 35; ZPO § 240

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 30.07.2019; Aktenzeichen VIII R 21/16)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Beklagte drei Einspruchsentscheidungen vom 13.12.2012 betreffend Einkommensteuer 2003-2007 gegenüber der Klägerin, der Insolvenzverwalterin über das Vermögen des Herrn A, rechtmäßig erlassen hat.

Über das Vermögen des Herrn A (Insolvenzschuldner) wurde am ….2012 das Insolvenzverfahren eröffnet und die Klägerin zur Insolvenzverwalterin ernannt (Amtsgericht B, Az. 1).

Der Insolvenzschuldner, …, befand sich zu diesem Zeitpunkt seit … 2012 in Haft. …

Das für den Insolvenzschuldner zuständige Finanzamt G hatte im Anschluss an eine Steuerfahndungsprüfung (Bericht vom 20.01.2011) gegenüber dem Insolvenzschuldner unter dem 24.02.2011 unter anderem geänderte Einkommensteuerbescheide 2003-2007 erlassen.

Gegen die Änderungsbescheide hatte der Insolvenzschuldner mit Schreiben vom 26.03.2011 Einspruch eingelegt. Gegen die durch die Einkommensteuerbescheide 2006 und 2007 vom 24.02.2011 geänderten Veranlagungen hatte der Insolvenzschuldner schon zuvor am 13.03.2008 (Einkommensteuer 2006) und am 02.02.2009 (Einkommensteuer 2007) Einspruch eingelegt.

Auf die Einspruchsschreiben vom 13.03.2008, 02.02.2009 und 26.03. 2011 wird verwiesen.

Auf einem Schreiben an die Klägerin vom 12.10.2012, mit dem der zwischenzeitlich zuständig gewordene Beklagte Abgabeforderungen (Einkommensteuer 2009, 2010, 2011) gegen den Insolvenzschuldner gemäß § 174 Abs. 1 Insolvenzordnung (InsO) zur Tabelle angemeldet hat, befindet sich ein handschriftlicher Vermerk, wonach die Abgabeforderungen (Einkommensteuer 2003-2007) nicht zur Tabelle angemeldet werden sollten und demzufolge keine Verfahrensunterbrechung des Einspruchsverfahrens nach § 240 ZPO gegeben sei.

Am 24.10.2012 fragte der Beklagte bei der Klägerin an, ob sie die Einsprüche aufrechterhalten wolle.

Die Klägerin erwiderte unter dem 30.10.2012, die Einspruchsverfahren seien analog § 240 ZPO durch die Insolvenzeröffnung bis zu einer Aufnahme des Verfahrens unterbrochen. Eine Aufnahme durch das Finanzamt sei erst nach Durchführung des gerichtlichen Prüfungstermins möglich. Dennoch sollten die Einsprüche vorsorglich aufrechterhalten werden. Da sich der Insolvenzschuldner in Haft befinde und nach seinen Angaben wesentliche Teile seiner Unterlagen von der Steuerfahndung beschlagnahmt seien, könne sie erst nach Freigabe beurteilen, inwieweit die Einsprüche berechtigt seien.

Nach Aktenlage war der Anmeldetermin auf den 11.11.2012 und der Prüfungstermin auf den 21.12.2012 angesetzt.

Ausweislich eines Kontoauszuges vom 05.12.2012 waren die Einkommensteuerforderungen 2003-2007 zu diesem Zeitpunkt bereits vollständig beglichen.

Mit Einspruchsentscheidungen vom 13.12.2012 gegenüber der Klägerin wies der Beklagte den Einspruch des Insolvenzschuldners vom 26.03.2011 bezüglich Einkommensteuer 2003-2005 als unbegründet zurück und verwarf den Einspruch bezüglich Einkommensteuer 2006 und 2007 als unzulässig. Die Einsprüche bezüglich Einkommensteuer 2006 und 2007 vom 13.3.2008 bzw. 2.2.2009 wies der Beklagte als unbegründet zurück.

Auf die Einspruchsentscheidungen wird verwiesen.

Insbesondere führte der Beklagte aus, nach § 240 ZPO werde das Rechtsbehelfsverfahren, wenn es die Insolvenzmasse betreffe, bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochen. Die Verfahrensunterbrechung gelte nur in Bezug auf das dem Insolvenzverfahren unterliegende Vermögen. Eine Verfahrensunterbrechung nach § 240 ZPO sei mithin nicht gegeben, soweit Einsprüche nicht im Zusammenhang mit zur Insolvenztabelle angemeldeten Steuerforderungen stünden. Im Streitfall seien die aus den angefochtenen Einkommensteuerbescheiden resultierenden Steuerforderungen vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens beglichen worden. Bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens hätten somit bezüglich der Streitjahre 2003-2007 keine Rückstände bestanden. Eine Verfahrensunterbrechung nach § 240 ZPO sei damit nicht gegeben.

Die Klägerin teilte daraufhin dem Beklagten mit Schreiben unter dem 14.12.2012 mit, die in der Einspruchsentscheidung vertretene Rechtsauffassung bezüglich der Unterbrechung des Verfahrens sei unzutreffend. Die Unterbrechung betreffe nicht nur die bezüglich etwaiger Insolvenzforderungen anhängigen Verfahren, sondern auch und gerade Verfahren, deren Gegenstand Rechte seien, die der Insolvenzschuldner für sich in Anspruch nehme und die im Fall der Insolvenzeröffnung zur Insolvenzmasse gehörten. Eine Verengung auf Verfahren über Insolvenzforderungen sei der Regelung des § 240 ZPO nicht zu entnehmen. Dies bestätige sich in § 85 InsO, in welchem die Aufnahme vom Verfahren geregelt sei, welche das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen...

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