Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Änderung des Einkommensteuerbescheids wegen nachträglicher, rückwirkender, teilweiser Aufhebung des Kindergeldbescheids

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Hebt die Kindergeldkasse bereits bewilligtes Kindergeld rückwirkend teilweise wieder auf, weil die Voraussetzungen eines zu berücksichtigenden Kindes gem. § 32 Abs. 4 EStG nicht erfüllt waren, so liegt darin zwar ein rückwirkendes Ereignis i.S.v. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977. Dieses hat aber keine steuerliche Auswirkung, wenn parallel auch ein ggf. anzusetzender Kinderfreibetrag für denselben Zeitraum ausscheidet. Die Auffassung der OFD Münster v. 22.12.2005, StEK EStG § 32 Nr. 174, ändert hieran nichts.

2) Eine nachträgliche Abziehbarkeit der Unterhaltsleistungen der Eltern gem. § 33a EStG als außergewöhnliche Belastung lässt sich nicht auf § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 stützen, da es nach § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG für die Abziehbarkeit allein darauf ankommt, dass kein Anspruch auf den Kinderfreibetrag oder Kindergeld besteht, nicht aber auf das Ergehen eines Kindergeldbescheids. Eine "neue" Tatsache ist damit nicht gegeben, weil ein Anspruch auf Kindergeld von Anfang an auch vor der Aufhebung des Kindergeldbescheids nicht bestand.

3) Eine nachträgliche Änderung kann nicht auf § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 beruhen, weil der Kindergeldbescheid kein Grundlagenbescheid für den Einkommensteuerbescheid der Eltern ist.

 

Normenkette

AO 1977 § 175 Abs. 1 Nr. 1, § 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; EStG § 32 Abs. 4, § 33a Abs. 1; AO 1977 § 175 Abs. 1 Nr. 2

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Steuerfestsetzung für das Streitjahr in der Weise zu ändern ist, dass Unterhaltsaufwendungen der Kläger für ihren Sohn im Hinblick auf die nachträgliche Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für drei Monate als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sind.

Die Kläger sind zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Ehegatten. Ihr am 14.09.1980 geborener Sohn B wohnte im Streitjahr in ihrem Haushalt. Dem Kläger wurde für seinen Sohn zunächst für das gesamte Streitjahr Kindergeld in Höhe von 3.240,– DM gewährt. In der am 25.05.2001 beim Beklagten eingegangenen Einkommensteuererklärung gaben die Kläger das Kindergeld in Höhe von 3.240,– DM in der „Anlage Kinder” an. Weiter beantragten sie in der Anlage einen Ausbildungsfreibetrag und gaben hierzu an, für ihren Sohn seien im Zeitraum von 01.01. bis zum 31.12. Aufwendungen für die Berufsausbildung entstanden. Mit dem ohne Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Einkommensteuerbescheid vom 07.08.2001 wurde der Ausbildungsfreibetrag in Höhe von 2.400,– DM berücksichtigt. In der Erläuterung des Bescheids ist ausgeführt, dass die Günstigerprüfung ergeben habe, dass die gebotene steuerliche Freistellung des Existenzminimums des Kindes der Kläger durch das ausgezahlte Kindergeld bewirkt worden sei und deshalb kein Kinderfreibetrag berücksichtigt worden sei. Der Bescheid wurde von den Klägern nicht angefochten. Mit dem 2003 ergangenen Bescheid ohne genaues Datum hob die Familienkasse des Arbeitsamts C die Festsetzung des Kindergeldes für den Sohn für die Zeit von März 2000 bis April 2000 und für Dezember 2000 bis Januar 2001 auf. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass für den Sohn die Anspruchsvoraussetzungen des § 32 Abs. 4 EStG insoweit nicht mehr erfüllt seien. Der Sohn sei bis Februar 2000 arbeitslos gemeldet gewesen. Ab Mai 2000 habe er sich bei der Berufsberatung als Ausbildungsplatzsuchender gemeldet und danach bis November 2000 eine Schule besucht. Nach dem Schulabbruch sei er ab Februar 2001 wieder Bewerber um einen Arbeitsplatz bis zur Arbeitsaufnahme im April 2001 bzw. September 2001 gewesen. In den Fehlzeiten sei der Sohn weder bei der Berufsberatung noch Arbeitsvermittlung gemeldet gewesen. Auch seien keine Eigenbemühungen für diese Zeiten nachgewiesen worden.

Mit Schreiben vom 18.07.2003 stellten die Kläger beim Beklagten den Antrag, den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO zu ändern. Die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für drei Monate des Streitjahres sei ein rückwirkendes Ereignis im Sinne der Vorschrift. Für die drei Monate seien jeweils Unterhaltsleistungen von 1.125,– DM zu berücksichtigen. Weiter sei der auf 1.800,– DM zu kürzende Ausbildungsfreibetrag anzusetzen, so dass die außergewöhnlichen Belastungen insgesamt 5.175,– DM betrügen.

Mit Bescheid vom 14.10.2003 lehnte der Beklagte den Änderungsantrag ab. Die nachträgliche Aberkennung bzw. Rückforderung des Kindergelds führe lediglich zu einer punktuellen Änderung. Da bisher weder ein Kinderfreibetrag zu berücksichtigen gewesen sei, noch ein solcher nach Berichtigung zu berücksichtigen wäre, führe der Rückforderungsbescheid des Kindergelds zu keiner steuerlichen Änderung. Eine Wiederaufrollung des gesamten Steuerfalles sei unzulässig.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren verfolgen die Kläger mit der Klage ihr Begehren auf Änderung der Steuerfestsetzung nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO weiter. Sie machen geltend, ausg...

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