Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeld: Anwaltskosten-Erstattung bei erfolgreichem Einspruch?

 

Leitsatz (amtlich)

Trotz grundsätzlicher Anwaltskosten-Erstattung nach § 77 EStG ist diese zu verneinen, wenn alle erforderlichen Hinweise von der Familienkasse in allgemein verständlicher Form gegeben worden sind (hier Ausfüllhinweise zu den Werbungskosten) und wenn danach die kindergeldberechtigte Person die interessierenden bzw. abgefragten Daten und Unterlagen zumutbar selbst (oder mit Hilfe des erwachsenen Kindes) hätte einreichen können oder sogar schon früher vor dem ursprünglich angefochtenen Bescheid hätte einreichen können.

 

Normenkette

EStG § 77; FGO §§ 137, 139 Abs. 3

 

Tatbestand

Streitig ist die Erstattung von Anwaltskosten für das Kindergeld-Einspruchsverfahren nach dortiger Abhilfe gemäß § 77 EStG.

I. 1. Im Kindergeld-Verfahren ging es um das Kindergeld für die am 28. Oktober 1983 geborene Tochter L der Klägerin, die sich seit 1. August 2002 in der Berufsausbildung befindet.

Die Tochter erhält Ausbildungsvergütungen gemäß Bescheinigung der ausbildenden Firma vom 16. Juni 2003 (Kindergeld-Akte -KiG-A- Bl. 70).

Die beklagte Familienkasse errechnete, dass danach bei der Tochter die Einkommensgrenze für das Kindergeld 2003 voraussichtlich überschritten wird (KiG-A Bl. 71), und bat die Klägerin mit Schreiben vom 14. Juli 2003 um Prüfung gemäß Vordruck binnen 4 Wochen, ob für die Tochter höhere Werbungskosten geltend gemacht werden, wodurch die Einkommensgrenze wieder unterschritten werden und Kindergeld weiterhin beansprucht werden könnte (KiG-A Bl. 73).

Zu dem übersandten Vordruck "Erklärung zu den Werbungskosten ..." (KiG-A Bl. 76) gehört ein Blatt "Hinweise zum Ausfüllen ..." (KiG-A Bl. 137). Dort werden u.a. Beispiele für Arbeitsmittel genannt ("... Personalcomputer etc.") und Reisekosten erläutert ("... Fahrtkosten, Verpflegungsmehraufwendungen ..., Nebenkosten ...").

Die Klägerin reichte den mit ihrer Tochter und der Ausbildungsfirma ausgefüllten Vordruck Werbungskosten am 1. August 2003 ein (KiG-A Bl. 76).

Nach erneuter Berechnung wurde die Einkommensgrenze immer noch überschritten (KiG-A Bl. 83 f). Mit Bescheid vom 25. September 2003 hob die beklagte Familienkasse die Kindergeldfestsetzung ab Januar 2003 auf und forderte die bereits geleisteten Zahlungen zurück (KiG-A Bl. 86).

2. Am 6. Oktober 2003 legte die Klägerin durch ihre jetzigen Prozessbevollmächtigten Widerspruch bzw. sinngemäß Einspruch ein. Zur Begründung wurden zusätzliche Werbungskosten für Computer nebst Zubehör und für Englischkurs-Literatur geltend gemacht. Danach werde die Einkommensgrenze unterschritten. Im Übrigen sei ein Antrag auf Berufsausbildungsförderung (gemeint Berufsausbildungsbeihilfe) wegen des gewährten Kindergelds abgelehnt worden, so dass bei dessen Fortfall eine Nachbewilligung der Berufsförderung geprüft werden müsste (KiG-A Bl. 92).

Auf Antrag vom 8./10. Oktober 2003 setzte die beklagte Familienkasse am 5. November 2003 die Vollziehung der Kindergeld-Rückforderung aus (KiG-A Bl. 101, 114, 116).

Auf Anforderung wurden Belege und ein Fragebogen zur Computernutzung nachgereicht und zusätzlich Kosten einer Berufsschul-Klassenreise vom 13.-15. November 2003 geltend gemacht und spezifiziert (KiG-A Bl. 105 ff, 117 ff).

Mit Bescheid vom 21. November 2003 half die beklagte Familienkasse dem Einspruch vollen Umfangs ab. Jedoch übernahm sie nicht die der Klägerin im Einspruchsverfahren entstandenen Kosten, weil diese nicht notwendig gewesen seien (KiG-A Bl. 130).

3. Gegen die Ablehnung der Kostenübernahme legte die Klägerin am 10. Dezember 2003 Einspruch ein. Es sei umfangreiches Material zu prüfen und diesbezüglich vorzutragen gewesen (KiG-A Bl. 134).

Die beklagte Familienkasse wies den Kosten-Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 16. Dezember 2003 zurück. Die Klägerin habe die Anwaltskosten verschuldet. Ihr sei zuzumuten gewesen, das Merkblatt zum Ausfüllen der Werbungskosten-Erklärung zur Kenntnis zu nehmen und die Kosten für Computer und Klassenreise selbst geltend zu machen (KiG-A Bl. 138).

II. Zur Begründung der beim Finanzgericht (FG) am 30. Dezember 2003 eingegangenen Klage trägt die Klägerin vor (FG-A Bl. 1): Sie habe sich mangels eigener Sachkunde im Kindergeld-Einspruchsverfahren anwaltlicher Hilfe bedienen müssen.

Die Klägerin beantragt (FG-A Bl. 2, 24), den Bescheid vom 21. November 2003 (KiG-A Bl. 130) in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. Dezember 2003 (KiG-A Bl. 138) dahin zu ändern, dass die im Kindergeld-Einspruchsverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten als notwendig von der Beklagten übernommen werden.

Die beklagte Familienkasse beantragt (FG-A Bl. 11, 24), die Klage abzuweisen.

Sie trägt in Ergänzung der Einspruchsentscheidung vor (FG-A Bl. 11, 24): Die Anwaltskosten seien durch Verschulden der Klägerin entstanden und deshalb von ihr selbst zu tragen. Sie hätte die Werbungskosten-Ausfüllhinweise auch ohne Anwalt lesen können und die Werbungskosten-Unterlagen gleich selbst einreichen können. Im Übrigen ...

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