Entscheidungsstichwort (Thema)

Änderungsbefugnis bei widerstreitender Steuerfestsetzung – Betriebsausgabe und Aufwendungsersatzanspruch als einheitlicher Sachverhalt – Entstehung des Aufwendungsersatzanpruches aufgrund neu hinzugetretener Tatsachen

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Anfall von Betriebsausgaben für ein zur betrieblichen Nutzung überlassenes Gebäude und der Verzicht auf einen bei Beendigung des Nutzungsverhältnisses im Folgejahr entstandenen Aufwendungsersatzanspruch stellen keinen einheitlichen Sachverhalt dar, der nach Anerkennung des Betriebsausgabenabzugs auf Antrag des Steuerpflichtigen eine Änderung des bestandskräftigen Steuerbescheids des Folgejahres nach § 174 Abs. 4 AO wegen widerstreitender Steuerfestsetzungen rechtfertigen könnte.

Das tatsächliche Entstehen eines Aufwendungsersatzanpruchs ist in diesem Fall ein weiterer in zeitlicher Hinsicht und seiner Art nach unbestimmter Vorgang, der erst durch die neu hinzugetretenen Tatsachen im Folgejahr verwirklicht worden ist.

 

Normenkette

AO § 174 Abs. 4

 

Streitjahr(e)

2001

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 19.08.2015; Aktenzeichen X R 50/13)

 

Tatbestand

Streitig ist die verfahrensrechtliche Befugnis des Beklagten zum Erlass des geänderten Einkommensteuerbescheides 2001 vom 11.02.2011.

Die Kläger sind Eheleute, die im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden.

Der Kläger erzielt als selbständiger Einzelunternehmer mit einem Maler- und Lackierbetrieb Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Aufgrund einer Vereinbarung aus dem Jahre 1993 überließ der Schwiegervater dem Kläger eine auf dem Grundstück „A” in „B” befindliche Scheune für die Dauer von 20 Jahren unentgeltlich zur betrieblichen Nutzung. Eine Verpflichtung des Schwiegervaters zur Vornahme von Reparaturmaßnahmen bestand nicht. Nach dem Inhalt der Vereinbarung war der Kläger berechtigt, die auf dem Gelände befindliche Scheune auf eigene Gefahr und auf eigenes Risiko von innen ausbauen und für die Zwecke seines Betriebes herzurichten. Für den Fall der Beendigung der Nutzungsüberlassung stand dem Kläger ein Anspruch auf Ersatz des Wertes der von ihm geschaffenen Baumaßnahmen zu.

Im Jahr 2000 nahm der Kläger eine umfangreiche Sanierung des Scheunendaches vor und machte hierfür Betriebsausgaben i. H. von netto 149.483,00 DM in 2000 und 4.298 DM in 2001 sowie zusätzlich in 2001 Aufwendungen von 57.341 DM für die Errichtung von 12 Stellplätzen geltend. Mit Vertrag vom 18.06.2001 übertrug der Schwiegervater das Grundstück unentgeltlich auf seine Tochter, die Klägerin. Der Übertragungsvertrag enthielt u.a. die Zusicherung des Vaters gegenüber der Klägerin, dass keine Miet- und Pachtverhältnisse mit Dritten bestünden. Mit Vertrag vom 28.06.2001 nahm die Klägerin an den Kläger eine entgeltliche Vermietung der Scheune mit einer monatlichen Kaltmiete von 3.736 DM vor. Einen Ersatzanspruch für die in den Jahren 2000 und 2001 getätigten Aufwendungen machte der Kläger gegenüber seinem Schwiegervater nicht geltend.

Nach Eingang der Einkommensteuererklärung 2001 im Jahr 2002 erließ der Beklagte zunächst einen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Einkommensteuerbescheid 2001 vom 12.11.2002. Im Jahr 2004 führte das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung (Groß-BP) eine steuerliche Außenprüfung für die Jahre 2000 bis 2002 durch. Im Betriebsprüfungsbericht vom 19.06.2006 vertrat die Groß-BP die Auffassung, dass die in 2000 und 2001 getätigten Aufwendungen für die Dachsanierung und die Errichtung der Stellplätze im Jahr ihrer Entstehung nicht abzugsfähige Zuwendungen nach § 12 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) darstellten und nicht zum Betriebsausgabenabzug zuzulassen seien. Diese Beurteilung beruhe auf der Tatsache, dass der Kläger den ihm gegen seinen Schwiegervater zustehenden Ersatzanspruch nicht geltend gemacht habe. Da die Aufwendungen für die Dachsanierung bereits aus dem genannten Grund nicht abzugsfähig seien, könne dahingestellt bleiben, ob die Aufwendungen tatsächlich ausschließlich dem betrieblich genutzten Gebäude zuzurechnen seien. Auf der Grundlage der Prüfungsfeststellungen ergingen unter dem 18.10.2006 geänderte Bescheide zur Einkommensteuer 2000 und 2001, in denen zugleich der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben wurde.

Im nachfolgenden Einspruchsverfahren ging der Beklagte in der Einspruchsentscheidung vom 17.11.2008 bei der Einkommensteuer 2000 davon aus, dass die vom Kläger vorgenommen Dachsanierungsarbeiten dem Grunde nach als Betriebsausgaben zu behandeln seien. Da der Kläger jedoch keinen Nachweis darüber erbracht habe, dass sämtliche Aufwendungen auf das von ihm betrieblich genutzte Gebäude entfielen, berücksichtigte er im Schätzungswege lediglich 50 % der Aufwendungen (netto 74.742,00 DM) als Betriebsausgaben. Zugleich erließ der Beklagte für 2001 eine verbösernde Einspruchsentscheidung. In dieser ging er davon aus, dass wegen der Beendigung des unentgeltlichen Überlassungsverhältnisses des Betriebsgrundstücks im Sommer 2001 die Entnahme eines Aufwendungsersatzanspruchs res...

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