Entscheidungsstichwort (Thema)

Gegenstand des Erwerbs durch Vorvermächtnis – Beschränkung des Verfügungsrechts des Vermächtnisnehmers – Anordnung ratierlicher Auszahlungen durch Testamentsvollstrecker

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Gegenstand eines Vorvermächtnisses über einen durch einen Testamentsvollstrecker treuhänderisch anzulegenden Geldbetrag, aus dem sowohl Zinsen und Dividenden als auch auf Verlangen 10% der Kapitalsumme jährlich an den Vermächtnisnehmer auszuzahlen sind, ist – unabhängig von den bis zum Eintritt des Nachvermächtnisfalls tatsächlich vorgenommenen Auszahlungen - auch der Kapitalbetrag, wenn der Erblasser bei der Errichtung der letztwilligen Verfügung noch mit der vollständigen Auszahlung des Kapitalbetrags rechnen konnte.
  2. Die Beschränkung des Verfügungsrechts des Vermächtnisnehmers auf Grund der Anordnung der Testamentsvollstreckung hat keine Auswirkung auf die erbschaftsteuerrechtliche Bewertung des Erwerbs.
  3. Gegen die Besteuerung des Erwerbs des Vorvermächtnisnehmers bestehen auch unter dem Gesichtspunkt der mehrfachen Besteuerung desselben Vermögensgegenstands keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
  4. Anders als in den Fällen der Nacherbschaft muss das FA nicht im Rahmen einer Gesamtschuldnerauswahl in Erwägung ziehen, die Erbschaftsteuer für das Vorvermächtnis gegen den Nachvermächtnisnehmer festzusetzen.
 

Normenkette

ErbStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 6 Abs. 1, 4, § 9 Abs. 1 Nr. 1, §§ 11, 12 Abs. 1, § 20 Abs. 1 S. 1, Abs. 4; BewG § 9 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 2, § 12 Abs. 1 S. 1; BGB §§ 2100, 2145, 2147, 2191

 

Tatbestand

Der Kläger ist der Gesamtrechtsnachfolger der ...... 1925 geborenen A. Diese war die Schwester der am 2. August 1924 geborenen Erblasserin B, geborene A.

Die Erblasserin errichtete am 27. Mai 2000 ein eigenhändiges Testament, mit dem sie ihre Patenkinder C und D zu ihren Erben einsetzte. Ferner verfügte sie unter Nr. 2 ihres Testaments:

„Aus meinem Vermögen erhält meine Schwester ..... A als Vorvermächtnis einen Geldbetrag in Höhe von 500.000 DM sowie den als Anlage zu diesem Testament aufgelisteten Schmuck meiner Mutter...

Der Testamentsvollstrecker…soll den Betrag von 500.000 DM treuhänderisch anlegen und zwar mündelsicher im Sinne der Vorschrift über die Vormundschaft. Die Früchte der Anlage, insbesondere Zinsen, Dividenden usw. sollen zweimal im Jahr an meine Schwester ausgezahlt werden. Auch kann diese verlangen, dass ihr jeweils zum 31.12. eines jeden Jahres 50.000 DM aus dem vorhandenen Kapitalbetrag zusätzlich ausgezahlt werden.

Nachvermächtnisnehmer nach dem Tod meiner Schwester ist Frau E...”

Die Erblasserin ordnete unter Nr. 3 ihres Testaments Testamentsvollstreckung für die Durchführung ihrer letztwilligen Verfügung „einschließlich des Vor- und Nachvermächtnisses” an.

Die Erblasserin verstarb…2009.

Das beklagte Finanzamt setzte gegen A mit Bescheid vom 7. Oktober 2010 70.680 € Erbschaftsteuer fest. Dabei setzte es einen Erwerb durch Vermächtnis von 255.646 € an.

Hiergegen legte A Einspruch ein. Sie verstarb…Dezember 2011 und wurde von dem Kläger allein beerbt. Der Kläger trug im Einspruchsverfahren vor: Das Bankguthaben in Höhe von 500.000 DM sei nicht auf A übergegangen. Sie habe nur jährlich 1/10 des Guthabens herausverlangen können. Sie habe jedoch nicht einmal die Auszahlung des Betrags von 50.000 DM von der Testamentsvollstreckerin verlangt. Da sie nur noch dreimal nach dem Erbfall einen 31. Dezember erlebt habe, hätte sie auch nur dreimal die Zahlung von 50.000 DM verlangen können. A habe den in dem Testament genannten Schmuck von der Testamentsvollstreckerin ausgehändigt erhalten. Die Testamentsvollstreckerin habe zudem zweimal jährlich die Zinsen und Dividenden ausgezahlt. Der Kapitalbetrag von 500.000 DM sei nur der Nachvermächtnisnehmerin zugeflossen. Dennoch werde dieser Betrag zweimal besteuert.

Das beklagte Finanzamt wies den Einspruch gegenüber dem Kläger als Rechtsnachfolger der A mit Entscheidung vom 18. August 2014 zurück und führte aus: A habe den Anspruch auf das Vorvermächtnis mit dem Tode der Erblasserin erworben. Dieser Erwerb unterliege der Erbschaftsteuer. Gegenstand des Vermächtnisses seien nach dem Wortlaut des Testaments der Betrag von 500.000 DM sowie der Schmuck und nicht nur die Nutzungen und späteren Auszahlungen gewesen. Die Erblasserin habe der Testamentsvollstreckerin nur die treuhänderische Verwaltung des Geldbetrags übertragen. Die aus der Anordnung der Testamentsvollstreckung folgenden Verfügungsbeschränkungen könnten keinen Einfluss auf die Bewertung des Erwerbs der A haben. Durch die Anordnung des Nachvermächtnisses sei ihre Rechtsstellung nicht nur auf die einer Nießbraucherin reduziert worden. Die Besteuerung des Erwerbs der Nachvermächtnisnehmerin habe keine Bedeutung für die Besteuerung des Erwerbs der A.

Der Kläger trägt mit seiner Klage vor: A habe zu ihren Lebzeiten von der Testamentsvollstreckerin keine Zinsen ausgezahlt erhalten, weil sie deren Schreiben nicht beantwortet und keine Kontoverbindung angegeben h...

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