Entscheidungsstichwort (Thema)

Vollständigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung – Hinweis auf die Möglichkeit zur Einspruchseinlegung per E-Mail

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Selbst für den Fall, dass man die Einspruchseinlegung per E-Mail als zulässig ansieht, erfordert die Vollständigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung nicht, dass auf die Möglichkeit zur Einspruchseinlegung per E-Mail hingewiesen werden muss (entgegen Urteil des Niedersächsischen FG vom 24.11.2011 10 K 275/11, EFG 2012, 292).
  2. Ebenso wie das Computerfax wird die empfangene und ausgedruckte einfache E-Mail in der derzeit mit den Finanzämtern ausgeübten Kommunikationspraxis als eine Unterform des Schriftstücks behandelt, so dass sie konsequenterweise als von der „herkömmlichen” Rechtsbehelfsbelehrung erfasst anzusehen ist.
 

Normenkette

AO § 356 Abs. 1, 2 S. 1

 

Streitjahr(e)

2009

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 18.03.2014; Aktenzeichen VIII R 33/12)

 

Tatbestand

Die Kläger sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute. Da die Kläger ihre Einkommensteuererklärung für 2009 nicht fristgemäß abgaben, erließ der Beklagte (das Finanzamt –FA–) am 22.2.2011 einen Einkommensteuerbescheid, in dem er die Besteuerungsgrundlagen gem. § 162 der Abgabenordnung (AO) schätzte. Dagegen legte die Bevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 11.3.2011 Einspruch ein. Der Schriftsatz ging am 28.3.2011 beim FA ein. Dem Einspruch war als Anlage ein Ausdruck der elektronisch erstellten, komprimierten Einkommensteuererklärung für 2009 nebst Anlagen beigefügt.

Das FA wies die Kläger mit Schreiben vom 31.3.2011 darauf hin, dass die Einspruchsfrist bereits am 25.3.2011 abgelaufen gewesen sei, so dass der Einspruch unzulässig sei.

Die seinerzeitige Bevollmächtigte der Kläger, die „A” Steuerberatungsgesellschaft mit beschränkter Haftung, teilte dem FA mit Schreiben vom 5.4.2011 mit, dass der Einspruch aufrecht erhalten bleibe. Die Steuererklärung sei am 11.3.2011 fertig gestellt worden. Gleichzeitig sei das Einspruchsschreiben verfasst worden. Da eine Aussetzung der Vollziehung (AdV) nur gewährt werde, wenn der Einspruch durch die Abgabe der Steuererklärung begründet werde, sei das Einspruchsschreiben auf die Steuererklärung geheftet worden. Die ansonsten sehr zuverlässige Angestellte hätte den Einspruch zuvor an das FA faxen sollen, was jedoch unterblieben sei, da sie offenbar die Faxnummer nicht sofort zur Hand gehabt habe. Auf diesen Sachverhalt sei man erst durch das Schreiben des FA vom 31.3.2011 aufmerksam geworden. Aus diesem Grund werde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 110 AO beantragt.

Das FA teilte der Bevollmächtigten mit Schreiben vom 15.4.2011 mit, dass eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 110 AO nicht in Betracht komme. Die Frist sei schuldhaft versäumt worden. Ein Bevollmächtigter sei verpflichtet, seinen Bürobetrieb so zu organisieren, dass Fristversäumnisse ausgeschlossen seien. Vorliegend liege ein Organisationsverschulden vor. Der Einspruch werde daher zur Entscheidung an die Rechtsbehelfsstelle abgegeben.

Die Bevollmächtigte führte daraufhin im Schriftsatz vom 26.4.2011 ergänzend aus: Das FA habe die Wiedereinsetzung unter Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 7.12.1988 X R 80/87 (Bundessteuerblatt –BStBl–1989, 266) abgelehnt. In dem hier zu entscheidenden Sachverhalt liege aber eine andere Sachlage vor. In dem als Anlage beigefügten Postausgangsbuch seien unter dem 11.3.2011 sowohl die an den Mandanten versandte Steuererklärung als auch der an das FA zu versendende Einspruch eingetragen. Da der Einspruch erst mit der Einreichung der Einkommensteuererklärung begründet sei und erst dann auch eine AdV in Betracht komme, habe man den Einspruch in Papierform der Einkommensteuererklärung beigefügt, um das Aussetzungsverfahren zu beschleunigen. Selbstverständlich habe die Mitarbeiterin den Einspruch aus Fristwahrungsgründen aber auch vorab per Fax versenden sollen. Dies habe sie aus unerklärlichen Gründen versäumt. Die Frist sei erst nach Postausgang aus dem Fristenkontrollbuch ausgetragen worden. Eine weitere Kontrolle der Fristen werde durch das in der Kanzlei verwendete Dokumenten-Management-System (DMS) gewährleistet. In diesem revisionssicheren System sei ebenfalls am 11.3.2011 um 17:24 der Einspruch als Postausgang verbucht. Beide Kontrollsysteme würden laufend überwacht. Somit handle es sich vorliegend nicht um ein Organisationsverschulden.

Das FA verwarf den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 3.6.2011 als unzulässig. Für die Einzelheiten der Begründung wird auf die Einspruchsentscheidung Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die fristgemäß erhobene Klage. Die Kläger halten an ihrer im Einspruchsverfahren vertretenen Rechtsauffassung fest und führen ergänzend aus: Mit der Klage werde der Einspruch gegen den Schätzungsbescheid vom 22.2.2011, der sich gegen die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen richte, weiter verfolgt. Der Einspruchsschriftsatz datiere vom 11.3.2011. Die Steuererklärung sei dem FA elektronisch am gleichen ...

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