Entscheidungsstichwort (Thema)

Betrieb eines Krematoriums durch eine Kommune als Wahrnehmung einer spezifisch öffentlichrechtlichen Aufgabe

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Nach dem nordrhein-westfälischen Bestattungsrecht erfüllt eine Kommune mit dem Betrieb eines Krematoriums eine spezifisch öffentlichrechtliche, aus der Staatsgewalt abgeleitete Aufgabe außerhalb des Bereichs der privatunternehmerischen Gewerbeausübung.
  2. Trotz der in § 1 Abs. 5 BestG NRW vorgesehenen Übertragungsmöglichkeit des Betriebs eines Krematoriums an einen privaten Unternehmer ist die Einäscherung in Nordrhein-Westfalen weiterhin eine Aufgabe, die juristischen Personen des öffentlichen Rechts als Träger öffentlicher Gewalt eigentümlich und vorbehalten ist.
  3. Die Frage, ob eine Tätigkeit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts eigentümlich und vorbehalten ist, kann und muss im Hinblick auf die Maßgeblichkeit landesgesetzlicher Regelungen nicht für den gesamten Geltungsbereich des Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuergesetzes einheitlich beantwortet werden.
  4. Ist von einer hoheitlichen Tätigkeit auszugehen, so kommt es auf die Frage eines tatsächlichen oder potentiellen (länderübergreifenden) Wettbewerbs nicht mehr an.
  5. Die zur Umsatzsteuer ergangene gegenteilige Entscheidung des EuGH vom 8.6.2006 Rs. C 430/04, HFR 2006, 830, ist auf die direkten Steuern nicht übertragbar.
  6. Es erscheint sachdienlich, dem BFH Gelegenheit zur Klarstellung zu geben, dass seine Entscheidung vom 17.03.2005 I B 245/04, BFH/NV 2005, 1135, entgegen der von den Körperschaftsteuerreferenten der Länder vertretenen Auffassung nicht bundesweit gilt.
 

Normenkette

KStG § 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 Abs. 1, 5 S. 1; GewStDV § 2 Abs. 2; BestG NRW § 1 Abs. 1-2, 5

 

Streitjahr(e)

2004, 2005

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 29.10.2008; Aktenzeichen I R 51/07)

 

Tatbestand

Die Klägerin – eine Kommune – betreibt ein Krematorium, das als organisatorisch und finanzwirtschaftlich unselbständiger Regiebetrieb geführt wird.

Der Beklagte beurteilt diese Tätigkeit als einen Betrieb gewerblicher Art (BgA) i. S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG. Er beruft sich hierbei im Wesentlichen auf einen Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 17.03.2005 I B 245/04, BFH/NV 2005, 1135. Nach vergeblicher Aufforderung zur Vorlage von Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuererklärungen erließ der Beklagte auf geschätzten Besteuerungsgrundlagen beruhende Körperschaftsteuerbescheide und Gewerbesteuer-Messbescheide für 2004 und 2005 sowie Kapitalertragsteuerbescheide für die Anmeldungszeiträume VIII/2005 und VIII/2006.

Hiergegen hat die Klägerin nach erfolglosen Einsprüchen Klage erhoben. Sie vertritt die Auffassung, dass es sich bei dem Krematorium um einen Hoheitsbetrieb nach § 4 Abs. 5 EStG handelt und begründet ihre Auffassung wie folgt:

Nach dem Gesetz über das Friedhofs und Bestattungswesen für Nordrhein-Westfalen vom 17.06.2003 (BestG NRW) sei der Betrieb von Krematorien als hoheitliche Aufgabe einzuordnen, da diese Aufgabe in Nordrhein-Westfalen wie schon nach der früheren Rechtslage den Körperschaften des öffentlichen Rechts eigentümlich und vorbehalten sei. Die Genehmigung zur Anlage und Unterhaltung einer Feuerbestattungsanlage nach § 1 Abs. 2 BestG NRW werde grundsätzlich nur einer Körperschaft des öffentlichen Rechts erteilt. Durch dieses Verfahren solle sichergestellt werden, dass die technischen Anforderungen an eine Einäscherungsanlage sowie deren würdige Gestaltung beachtet werde und keine Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere für die Gesundheit und die Belange der Strafrechtspflege ausgehe. Zwar könne nach § 1 Abs. 5 BestG NRW der öffentlichrechtliche Friedhofsträger, bei dem es sich nach § 1 Abs. 1 BestG NRW stets um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts handeln müsse, die Errichtung und den Betrieb seiner Feuerbestattungsanlage widerruflich einem Übernehmer übertragen; die Aufgabe als solche verbleibe aber bei der Körperschaft des öffentlichen Rechts und sei weiterhin dieser eigentümlich und vorbehalten.

Die nach § 1 Abs. 5 BestG NRW gegebene Privatisierungsmöglichkeit stelle eine „schlichte” Beleihung dar, mit der Folge, dass die privaten Krematorienbetreiber lediglich als sog. beliehene Unternehmer tätig würden. Entscheidend sei in diesem Zusammenhang, dass sich die Körperschaft des öffentlichen Rechts durch die gewählte Privatisierungsform nicht endgültig der übertragenen Aufgabe entledigen könne und die Aufgabe somit am Markt im Wettbewerb auch nicht eigenständig von anderen privaten Unternehmern erbracht werden könne. Verbleibe die Aufgabe als solche und damit die Letztverantwortung für die Tätigkeit jedoch bei dem Träger der öffentlichen Gewalt, sei die Aufgabe weiterhin ihm eigentümlich und vorbehalten. Soweit der Beklagte entscheidend darauf abstelle, dass nach der Gesetzesbegründung zu § 1 Abs. 5 BestG NRW Ziel der Neuregelung die Erweiterung des Betätigungsfelds für private Unternehmer und die Förderung des Wettbewerbs gewesen sei, verkenne er, dass es die unterschiedlichsten ...

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