Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerliche Anerkennung eines Organschaftsverhältnisses

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Scheitert die steuerliche Wirksamkeit eines Organschaftsverhältnisses im Jahr des Abschlusses des Ergebnisabführungsvertrags ausschließlich an der verspäteten Eintragung der elektronischen Handelsregisteranmeldung aufgrund behördlichen Fehlverhaltens, besteht ein Anspruch auf abweichende Steuerfestsetzung aus sachlichen Billigkeitsgründen.
  2. Auch das Fehlverhalten einer anderen - zwar nicht steuerfestsetzenden, aber steuerrechtliche Normen anwendenden -Behörde kann eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen erfordern, wenn die Finanzverwaltung steuerrechtliche Folgen an deren Entscheidung knüpft.
 

Normenkette

AO § 163; KStG § 14 Abs. 1 S. 2; AktG § 294; HGB § 8a Abs. 1; BGB § 839 Abs. 3

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 23.04.2012; Aktenzeichen I B 100/11)

 

Tatbestand

Die Klägerin schloss am 16.11.2007 mit ihrer alleinigen Gesellschafterin, der zu dem Klageverfahren beigeladenen „B-GmbH” (vormals „G-GmbH”) -"G-GmbH"- einen notariell beurkundeten Ergebnisabführungsvertrag (Urkundenrolle für die Klägerin Nr. „001/2007” des Notars „I” in „H-Stadt”), in dem sie sich verpflichtete, erstmals für das ab dem 1.01.2007 laufende Geschäftsjahr ihren ganzen Gewinn an ihre Gesellschafterin abzuführen. Die „G-GmbH” hatte sich ihrerseits zur Verlustübernahme bzw. zum Verlustausgleich verpflichtet. Die Gesellschafterversammlungen beider Gesellschaften stimmten dem Vertrag am selben Tag zu. Die Handelsregisteranmeldung wurde ebenfalls am 16.11.2007 von den Vertragsparteien unterzeichnet.

Der Ergebnisabführungsvertrag wurde nebst Zustimmungsbeschlüssen der Gesellschafter der „G-GmbH” und der Klägerin, sowie der Handelsregisteranmeldung und Begleitschreiben am 10.12.2007 durch den beurkundenden Notar im Wege der elektronischen Registeranmeldung zur Eintragung in das Handelsregister des Amtsgerichts „H-Stadt” übermittelt. Diese elektronische Registeranmeldung ging am 10.12.2007 um 15:46:02 Uhr auf dem Server des „Z-Bundesland” Ministeriums der Justiz ein, adressiert an das Amtsgericht „H-Stadt” als Empfänger. Der Antrag auf Eintragung des Ergebnisabführungsvertrages wurde nach Auskunft des Registerrichters des Amtsgerichts „H-Stadt” formell und materiell fehlerfrei gestellt, weshalb es keiner Zwischenverfügung des Registerrichters bedurfte.

Aufgrund einer technischen Panne bei der Weiterverarbeitung der auf dem Server des „Z-Bundesland” Ministeriums der Justiz eingegangenen Daten wurden die korrekten Anmeldedokumente fälschlicherweise in einen sogenannten Fehlerordner verschoben mit der Folge, dass sie nicht an das zuständige Registergericht weitergeleitet wurden und dort nicht bearbeitet werden konnten. Erst am 7.01. 2008 wurde der Abschluss des Ergebnisabführungsvertrages zwischen der Klägerin und der „G-GmbH” im Handelsregister des Amtsgerichts „H-Stadt” eingetragen. Am 14.01.2008 wurde dieser Handelsregistereintrag um den Hinweis ergänzt, dass die Eintragungsvoraussetzungen für den Ergebnisabführungsvertrag bereits am 13. 12. 2007 vorgelegen hatten.

Das für die Klägerin seinerzeit örtlich zuständige Finanzamt „H-Stadt” lehnte den Antrag der Klägerin auf Herabsetzung der Vorauszahlungen zur Körperschaftsteuer 2007 und den Gewerbebesteuer- Messbetrag auf jeweils 0 EUR vom 7.02.2008 mit Bescheid vom 3.03.2008 mit der Begründung ab, die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Satz 2 KStG hätten im Streitjahr noch nicht vorgelegen, da der Ergebnisabführungsvertrag erst mit der Eintragung im Folgejahr wirksam geworden sei. Den hiergegen eingelegten Einspruch wies der Beklagte, der nach Verlegung des Geschäftsleitungssitzes der Klägerin nach „E-Stadt” für den Streitfall zuständig geworden war, mit Einspruchsentscheidung vom 11.08.2009 als unbegründet zurück. Hiergegen hat die Klägerin die unter dem Az. 6 K 3100/09 K,G,AO geführte Klage erhoben.

Am 19.07.2010 hat der Beklagte Jahresbescheide über Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer-Messbetrag 2007 erlassen, die gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Klageverfahrens 6 K 3100/09 K,G,AO geworden sind. Den erstmals im Klageverfahren hilfsweise gestellten Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen hat der Beklagte mit Bescheid vom 9.12.2010 abgelehnt. Der gegen diesen Ablehnungsbescheid innerhalb der Einspruchsfrist erhobenen Sprungklage, die unter dem Az. 6 K 4704/10 AO beim erkennenden Senat anhängig geworden ist, hat der Beklagte innerhalb eines Monats nach Zustellung der Klageschrift zugestimmt.

Der Senat hat mit Beschluss vom 11.03.2011 beide Klageverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und gleichzeitig die „B-GmbH” (vormals „G-GmbH”) zu diesem Verfahren beigeladen.

Klägerin und Beigeladene beantragen weiterhin die Anerkennung des mit der „G-GmbH” bestehenden körperschaftsteuerlichen und gewerbesteuerlichen Organschaftsverhältnisses bereits für das Streitjahr. Zur Begründung tragen sie vor:

Der Abschluss des...

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