rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Bezügemitteilung des Arbeitgebers ist kein konkludenter Verwaltungsakt - Änderungsmöglichkeit trotz Bestandskraft des Aufhebungsbescheides bei Prognoseentscheidungen über Kindergeld

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Bei der Kindergeldfestsetzung durch den Arbeitgeber kann eine bloße Bezügemitteilung keinen konkludenten Verwaltungsakt im Sinne eines Kindergeldaufhebungsbescheides darstellen.
  2. Dies gilt auch, wenn nach deren Inhalt die Auszahlung des Kindergeldes auf vorsorglichen Antrag des Arbeitnehmers faktisch eingestellt wird und die Mitteilung einen allgemeinen Hinweis zu den Rechtsfolgen der Überschreitung der Einkünfte- und Bezügegrenze enthält.
  3. Bei einem vorsorglichen Antrag auf Einstellung der Auszahlung des Kindergeldes ist ein schriftlicher Verwaltungsakt nicht nach § 70 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG entbehrlich.
  4. Sogar im Fall einer vor Ablauf des Prognosezeitraums ergangenen Kindergeldaufhebung sind die Voraussetzungen der Korrekturnorm des § 70 Abs. 4 EStG erfüllt, wenn die Abweichung von der Prognoseentscheidung allein auf besserer Rechtserkenntnis – hier: Beschluss des BVerfG v. 11.1.2005 2 BvR 167/2002 zur Einbeziehung der gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträge in die Einkünfteberechnung - beruht.
 

Normenkette

EStG § 31 S. 3, § 32 Abs. 4 S. 2, § 70 Abs. 1; AO § 118 S. 1, § 157; BGB § 133

 

Streitjahr(e)

2004

 

Tatbestand

Der Kläger ist der Vater des am 23. August 1995 geborenen Sohnes Peter, der ab 2002 eine dreijährige Berufsausbildung zum Industriemechaniker absolvierte. Im Schreiben vom 16. Februar 2004 teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass sein Sohn in diesem Jahr möglicherweise mit seinem Verdienst die maßgebliche Einkommensgrenze überschreiten werde und er deshalb vorsorglich die Einstellung der Auszahlung des Kindergeldes für das Jahr 2004 beantrage. Der Beklagte stellte darauf hin die Kindergeldzahlung für Peter ein. In der Bezügemitteilung für April 2004 ist folgender Text enthalten: „Nach den geltenden Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes entfällt für über 18 Jahre alte Kinder bei Überschreiten der jährlichen Einkünfte- und Bezügegrenze von 7.680 Euro durch das Kind rückwirkend der Anspruch auf Kindergeld. Liegen die Voraussetzungen für das Kindergeld nicht im gesamten Kalenderjahr vor (z. B. bei Beendigung der Ausbildung), gilt eine anteilige Einkünfte- und Bezügegrenze. Kinderbezogene Leistungen für über 18 Jahre alte Kinder, die an den Kindergeldanspruch anknüpfen (z. B. Familienzuschlag für Kinder), werden deshalb unter dem Vorbehalt der Rückforderung gewährt. Auf die Pflicht, Änderungen in den Einkommensteuerverhältnissen des Kindes unverzüglich anzuzeigen, wird hingewiesen.” Des weiteren weist die Mitteilung eine einmalige „Einbehaltung Kindergeld” in Höhe von 462 Euro und eine Kindergeldzahlung für den weiteren Sohn Raphael aus.

Mit Schreiben vom 22. Juli 2005 bat der Kläger unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) bzgl. der Sozialversicherungsbeiträge um die Überprüfung des Kindergeldanspruchs für das Jahr 2004. Nach der in der Verwaltungsakte befindlichen Lohnsteuerbescheinigung 2004 beträgt das Bruttogehalt des Sohnes Phillip 9.795,87 Euro und der Arbeitnehmeranteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag 2.076,79 Euro.

Im Bescheid vom 5. August 2005 gewährte der Beklagte Kindergeld ab 1. April 2004 und lehnte eine Kindergeldfestsetzung für die Monate Januar bis März 2004 ab. Zur Begründung führte er aus, die Festsetzung des Kindergeldes sei für die Zeit von Januar bis Dezember 2004 konkludent durch die Bekanntgabe der Zahlungseinstellung in der Bezügemitteilung für den Monat April 2004 aufgehoben worden. Die vorgenannte Mitteilung beinhalte eine verbindliche Regelung. Deren Bestandskraft stehe bis einschließlich des Monats der Bekanntgabe, vorliegend März 2004, einer erneuten Entscheidung unter Berücksichtigung des Beschlusses des BVerfG vom 11. Januar 2005 entgegen.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger fristgerecht Einspruch ein und machte geltend: Die Bezügemitteilung für April 2004 stelle keine verbindliche Regelung dar. Aus dieser ergebe sich kein Hinweis darauf, dass der Anspruch auf eine spätere Kindergeldzahlung ausgeschlossen sei. Er habe auf Grund der Mitteilung lediglich das Kindergeld für die Monate Januar bis März zurückgezahlt. Außerdem sei seinem Schreiben vom 26. Februar 2004 ein Telefongespräch mit einem Mitarbeiter des Beklagten vorausgegangen, der mitgeteilt habe, dass Kindergeld im Falle einer Bezugsberechtigung im Nachhinein beantragt und gezahlt werden könne.

Mit Bescheid vom 19. September 2005 wies der Beklagte den Einspruch unter Hinweis auf die Gründe des Bescheides vom 5. August 2005 zurück.

Zur Begründung seiner am 19. Oktober 2005 erhobenen Klage macht der Kläger geltend: Ein Bescheid über die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung, der bestandskräftig hätte werden können, sei vom Beklagten zu keinem Zeitpunkt erlassen worden.

Rein vorsorglich werde darauf hingewiesen, dass ein eventuelle...

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