Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuerbefreiung der Leistungen eines genossenschaftlichen Verbunds gesetzlicher Krankenkassen i. S. d. § 219 SGB V, der Datenverarbeitungsdienstleistungen gegen Kostenumlage an seine Mitglieder erbringt.

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Die Umsatzsteuerbefreiung der Leistungen eines genossenschaftlichen Verbunds gesetzlicher Krankenkassen i. S. d. § 219 SGB V, der Datenverarbeitungsdienstleistungen gegen Kostenumlage an seine Mitglieder erbringt, folgt unmittelbar aus Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. f) der 6. EG-Richtlinie, wonach Dienstleistungen von selbständigen Personenzusammenschlüssen steuerfrei sind, wenn die in ihnen zusammengeschlossenen Personen Tätigkeiten ausüben, die von der Steuer befreit sind.
  2. Die Befreiung führt nicht zu einer realen Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen, da eine Auftragsvergabe an private Anbieter nach § 80 Abs. 5 Nr. 2 SGB X wegen der notwendigen Übernahme der Speicherung des gesamten Datenbestandes der Krankenkassen ausscheidet.
  3. Der Umstand, dass der Verbund in einzelnen Jahren Jahresüberschüsse in erheblicher Höhe erzielt hat, steht der Umsatzsteuerbefreiung nicht entgegen, wenn dies auf die in die Preise einkalkulierten Investitionsmaßnahmen beruht, die in den Jahren der Realisierung zu die Überschüsse ausgleichenden Verlusten führen.
 

Normenkette

UStG § 4 Nr. 15; EWGRL 77/388 Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. f; SGB V § 219 Abs. 1; SGB X § 80 Abs. 5

 

Streitjahr(e)

2000

 

Tatbestand

Die Klägerin ist als übernehmender Rechtsträger durch Verschmelzung zum 01.09.2008 Gesamtrechtsnachfolger einer Genossenschaft. Die Klägerin ist seit dem 01.03.2011 aufgelöst und befindet sich seitdem in Liquidation. Bei der KLÄGERIN handelte es sich nach § 1 ihrer Satzung um eine Genossenschaft und Arbeitsgemeinschaft im Sinne von § 219 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V). Nach § 2 Abs. 1 ihrer Satzung bezweckte die KLÄGERIN die wirtschaftliche Förderung und Betreuung ihrer Mitglieder. Unternehmensgegenstand der KLÄGERIN war nach § 2 Abs. 2 der Satzung die Betreuung ihrer Mitglieder mit Datenverarbeitungs- und Organisationsdienstleistungen im Umfeld der von den Mitgliedern eingesetzten Datenverarbeitungssysteme sowie die Beratung der Mitglieder in betriebswirtschaftlichen Fragen. Mitglieder der KLÄGERIN waren im Streitjahr entsprechend § 3 Abs. 1 der Satzung Betriebskrankenkassen und andere Krankenkassen der gesetzlichen Krankenversicherung. Eine Ausdehnung des Geschäftsbetriebes auf Nichtmitglieder war nach § 2 Abs. 3 der Satzung nicht zugelassen.

Die KLÄGERIN erbrachte gegenüber ihren Mitgliedern Leistungen zur EDV-technischen Abwicklung von Krankenkassentätigkeiten. Dabei erfolgten die Eingaben zunächst vor Ort bei den einzelnen Mitgliedern (Krankenkassen), während die KLÄGERIN die eingegebenen Daten eigenverantwortlich bearbeitete. Im Einzelnen ging es um folgende Bereiche:

- Produktion: Abrechnung der Arztrechnungen und Krankenhausrechnungen, Führen von Beitragskonten und Arbeitgeberkonten, Stammdatenverwaltung der Kassenmitglieder, Erstellung von EDV-Auswertungen,

- Beleglesung: Einscannen der Belege (Au-, DÜF- und BN-Meldungen) der Krankenkassen,

- Kontenklärungen: Zusammenführung der Beitragsnachweise der Arbeitgeber und der Zahlungseingänge, Abstimmung der Beitragsnachweise,

- Verwaltungsvollstreckung: Eintreiben ausstehender Kassenbeiträge, Abwicklung des Mahnwesens und Beitreibung nach der ersten Mahnung sowie

- Fachberatung: Bearbeitung von Anfragen der Krankenassen in rechtlicher oder technischer Hinsicht, Mitgliederschulungen.

Die Tätigkeit wurde der KLÄGERIN von den Mitgliedern vergütet.

Einen Antrag der KLÄGERIN auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft zur Steuerfreiheit der von ihr gegen Entgelt erbrachten Leistungen lehnte der Beklagte (das Finanzamt FA ) mit Schreiben vom 24 November 2000 ab.

Gegen die am 25. Oktober 2001 beim Finanzamt eingegangene Umsatzsteuerjahreserklärung für das Streitjahr 2000, aus der sich eine Zahllast in Höhe von 1.160.549,64 DM ergab, legte die KLÄGERIN mit Schreiben vom 6. November 2001 Einspruch ein. Mit Einspruchsentscheidung vom 14. Juni 2002 wies das Finanzamt den Einspruch als unbegründet zurück.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage (5 K 3327/02 U) mit Urteil vom 22. November 2006 statt. Es führte aus:

Zwar seien die Leistungen der KLÄGERIN nicht nach § 4 Nr. 15 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) steuerfrei. Die KLÄGERIN gehöre nicht zu den nach dieser Vorschrift begünstigten Einrichtungen, da diese Vorschrift nur für die Umsätze der gesetzlichen Träger der Sozialversicherung und damit für die Umsätze der Krankenkassen gelte. Auch wenn die Organisationsform der KLÄGERIN gesetzlich (§ 219 SGB V) vorgesehen sei, sei die KLÄGERIN als solche nicht gesetzlicher Träger der Sozialversicherung. Die KLÄGERIN könne sich aber unmittelbar auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. f der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliederstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlini...

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