Entscheidungsstichwort (Thema)

Schätzung der Besteuerungsgrundlagen anhand der Richtssatzsammlung, wenn Buchführungsunterlagen nicht vorgelegt werden

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Unschärfe, die jeder Schätzung anhaftet, kann im Allgemeinen vernachlässigt werden. Soweit sie sich zu Ungunsten des Steuerpflichtigen auswirkt, muss er sie hinnehmen, wenn er den Anlass für die Schätzung gegeben hat.

2. Die Richtsatzsammlungen sind Anhaltspunkte für die Finanzverwaltung, um Umsatz und Gewinn der Gewerbetreibenden zu verproben und bei Fehlen einer Buchführung nach § 162 AO zu schätzen. Mangels besserer Anhaltspunkte ist von den auf Erfahrungssätzen der einzelnen Branchen beruhenden Richtsätzen auszugehen, wenn auf Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen nicht zurückgegriffen werden kann.

3. Von den Richtsätzen kann wegen besonderer Verhältnisse des jeweiligen Betriebs abgewichen werden; solche konnten die Kläger jedoch im Streitfall nicht geltend machen.

 

Normenkette

AO §§ 158, 162 Abs. 1, 2 Sätze 1-2

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten.

 

Tatbestand

Streitig ist im Wesentlichen die Schätzung der Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb.

Die Kläger sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute. Der Kläger betrieb im Streitjahr als buchführungspflichtiger Einzelunternehmer (§ 238 des HandelsgesetzbuchesHGB –) ein Transportunternehmen. Die Klägerin erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Nachdem die Kläger für das Streitjahr 2011 trotz Aufforderung keine Einkommensteuererklärung abgegeben hatten, setzte der Beklagte (das Finanzamt – FA –) die Einkommensteuer mit Bescheid vom 13. November 2012 auf 17.242 EUR fest. Dabei schätze es den (Rein-) Gewinn des Klägers unter Rückgriff auf die Richtsatzsammlung 2011 mit 80.000 EUR auf circa 10 % der durch den Kläger angemeldeten Umsätze i.H.v. 797.542 EUR und setzte die Einkünfte der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit mit den durch den Arbeitgeber übermittelten Beträgen fest.

Zur Begründung der dagegen nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage tragen die Kläger im Wesentlichen vor: Es bestehe zwar zwischen den Beteiligten Einigkeit, dass der Gewinn des Klägers zu schätzen sei, da dessen Buchführungsunterlagen bei einem Transport am 28. August 2012 abhanden gekommen seien. Der Gewinn sei jedoch mit 0 EUR zu schätzen, da eine betriebswirtschaftliche Auswertung zum 31. August 2011 bereits einen vorläufigen Verlust von ./. 143.282,11 EUR ausweise. Zudem zeige ein innerbetrieblicher Vergleich, dass bereits in den Vorjahren Verluste erwirtschaftet worden seien. Im Übrigen stellen sich die Kläger auf den Standpunkt, die Richtsätze dürften veraltet und für das Streitjahr 2011 nicht repräsentativ sein. Die Transportbranche habe in den Jahren 2008 bis 2009 wegen „Maut” große Einbrüche verzeichnen müssen. Außerdem seien „extreme Diesel-Kostensteigerungen” zu berücksichtigen. Dennoch hätten die Richtsatzsammlungen für die Jahre 2008 bis 2010 für das Fuhrgewerbe einen Reingewinnmittelwert von 10 % ausgewiesen. Die Kläger bezweifeln, dass die Richtsätze tatsächlich „dem Branchenschnitt entsprechen”. Hierzu verweisen die Kläger auf Presseartikel des Jahres 2009 und eine Information der …bank von Dezember 2010 für den Bereich „Transport und Logistik”, nach der Transportunternehmen im Jahr 2009 nur ein durchschnittliches Betriebs- und Finanzergebnis von 0,2 % erzielt hätten. Zudem sei aus den Ergebnissen einer Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammer … (IHK) für das 1. Quartal 2010 und aus einem Konjunkturbericht der IHK für das 2. Quartal 2010 ersichtlich, dass die Aufwärtsentwicklung im Verkehrsgewerbe nach dem deutlichen Einbruch im Krisenjahr 2009 nur sehr zögerlich verlaufe. Ferner überreichen die Kläger „zum weiteren Nachweis” den Jahresabschluss der S. KG in M. zum 31. Dezember 2012. Schließlich begehren die Kläger, die Kapitalerträge i.H.v. zweimal 241 EUR aus Erstattungszinsen unter Berücksichtigung des Sparer-Pauschbetrages auf 0 EUR herabzusetzen.

Die Kläger beantragen,

unter Abänderung des Einkommensteuerbescheides 2011 vom 13. November 2012 und der Einspruchsentscheidung vom 20. Februar 2013 die Einkünfte des Klägers aus Gewerbetrieb und die Einkünfte der Kläger aus Kapitalvermögen mit 0 EUR anzusetzen und die Einkommensteuer entsprechend herabzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das FA steht auf dem Standpunkt, die Schätzung sei der Höhe nach gerechtfertigt. Aufgrund der Umsatzsteigerung des klägerischen Transportunternehmens von 2009 (angemeldete Umsätze i.H.v. 568.358 EUR) zu 2011 (angemeldete Umsätze i.H.v. 792.761 EUR) sei grundsätzlich sogar ein Ansatz über dem Mittelwert gerechtfertigt gewesen. Im Übrigen sei der Vortrag der Kläger, dass beim innerbetrieblichen Vergleich bereits in den Vorjahren Verluste erwirtschaftet worden seien, nicht nachvollziehbar, da die Kläger für die Jahre 2009 und 2010 ebenfalls keine Steuererklärungen und Jahresabschlüsse eingereicht hätten. Schließlich könne der Sparer-Pauschbetr...

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