rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Abzweigung von Kindergeld bei Unterhaltsbeitrag der Kindergeldberechtigten in Höhe des durch § 91 Abs. 2 BSHG vorgeschriebenen Kostenbeitrages

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Voraussetzungen von § 74 Abs. 1 Satz 3 zweite Alternative i.V.m. Satz 4 EStG, wonach das Kindergeld auch dann an eine andere Person oder Stelle als den Kindergeldberechtigten ausgezahlt werden kann, liegen vor, wenn der Kindergeldberechtigte nur Unterhalt in Höhe eines Betrages zu leisten braucht, der geringer ist als das für die Auszahlung in Betracht kommende Kindergeld.

Der Zweck des § 74 Abs. 1 EStG gebietet nicht zwingend das Kindergeld in voller Höhe an den Sozialhilfeträger auszuzahlen, wenn der Kindergeldberechtigte seine durch § 91 Abs. 2 Satz 2 BSHG vorgeschriebene Unterhaltsleistung erbringt.

 

Normenkette

EStG § 66 Abs. 1, § 74 Abs. 1 Sätze 1, 3-4; BSHG § 91 Abs. 2, § 94 Abs. 2

 

Tatbestand

Der Kläger stellt seit September 2000 als Träger der Sozialhilfe den Unterhalt des 1986 geborenen und wegen Behinderung vollstationär untergebrachten Kindes M K durch Gewährung von Eingliederungshilfe gemäß §§ 53 ff. SGB XII ( bislang §§ 39 ff. Bundessozialhilfegesetz -BSHG-) sicher. Dessen Mutter, die Beigeladene, wird zu einem Kostenbeitrag in Höhe von 26,00 € herangezogen, den sie regelmäßig gezahlt hat. Nach den Angaben der Beigeladenen hat sich ihr Kind im Jahr 2004 zu Ostern, in den Sommerferien für eine Woche und über die Weihnachtsfeiertage im elterlichen Haushalt aufgehalten. Dem Kläger liegt eine Mitteilung vor, dass sich das Kind 2004 viermal im Haushalt der Beigeladenen aufgehalten haben soll. Außerdem hat die Beigeladene diverse zusätzliche Kosten u.a. für eine Klassenfahrt und Arzneimittel getragen.

Für das Kind M K wird laufend Kindergeld gezahlt. Den vom Kläger gestellten Antrag vom 28. Januar 2004 auf Abzweigung des Kindergeldes lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 28. April 2004 unter Hinweis auf den von der Beigeladenen geleisteten Unterhalt ab. Den hiergegen gerichteten Einspruch wies die Beklagte durch Einspruchsentscheidung vom 2. Juli 2004 mit der Begründung zurück, mit der Zahlung des durch § 91 Abs. 2 BSHG vorgeschriebenen Kostenbeitrags in Höhe von 26,00 € kämen die Eltern ihrer Unterhaltsverpflichtung nach, so dass eine Abzweigung von Kindergeld nicht zulässig sei, auch nicht in Höhe dieses Betrags.

Zur Begründung der hiergegen erhobenen Klage macht der Kläger geltend, die Voraussetzungen für die Abzweigung des Kindergeldes seien schon deshalb erfüllt, weil die Eltern im Fall der vollstationären Unterbringung ihres Kindes der Unterhaltsverpflichtung in Form einer den gesamten Bedarf an Betreuung und Geldleistung deckenden Unterhaltsleistung nicht nachkämen. Die Abzweigung komme nur dann nicht in Betracht, wenn die Eltern das untergebrachte Kind regelmäßig, d. h. zumindest an jedem zweiten Wochenende sowie an Feiertagen und in den Ferien in den eigenen Haushalt holten und dort betreuten. Die sozialhilferechtliche Inanspruchnahme in Höhe von 26,00 € sage nichts über den zivilrechtlichen Unterhaltsanspruch aus, so dass - wie im vorliegenden Fall - auch bei einer Unterhaltsleistung in dieser Höhe eine partielle Unterhaltspflichtverletzung bestehen bleibe. Dem Kläger stehe die Abzweigung des Kindergeldes in voller Höhe zu.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 28. April 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. Juli 2004 zu verpflichten, das Kindergeld für das Kind M K ab Februar 2004 in voller Höhe an den Kläger abzuzweigen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nach ihrer Auffassung ist die Beigeladene ihrer gesetzlichen Unterhaltspflicht durch den geleisteten Barunterhalt nachgekommen, so dass eine Abzweigung des Kindergeldes an den Kläger nicht möglich sei. Auch im Fall einer zivilrechtlich in konkret höherem Umfang festgestellten Unterhaltspflicht seien die Eltern durch § 91 Abs. 2 BSHG vor einer Inanspruchnahme in Höhe von mehr als 26,00 € geschützt, so dass im Fall der vollstationären Unterbringung eines Kindes keineswegs regelmäßig von einer Unterhaltspflichtverletzung gesprochen werden könne.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Dem Gericht hat ein Band Kindergeldakten vorgelegen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nach Maßgabe des Urteilstenors begründet. Die Bescheide, mit denen die Beklagte die Abzweigung des Kindergeldes zugunsten des Klägers abgelehnt hat, sind ermessensfehlerhaft (§ 102 der Finanzgerichtsordnung -FGO-), damit rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 101 Satz 1 FGO). Die Beklagte ist verpflichtet, den Kläger hinsichtlich seines Abzweigungsbegehrens unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden (§ 101 Satz 2 FGO).

Nach § 74 Abs. 1 Sätze 1 und 4 des Einkommensteuergesetzes -EStG- in der für den streitigen Zeitraum geltenden Fassung kann das für ein Kind nach § 66 Abs. 1 EStG festgesetzte Kindergeld u. a. an die Stelle ausgezahlt werden, die dem Kind Unterhalt gewäh...

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