Entscheidungsstichwort (Thema)

Mit der Verwaltung von Grundstücksgesellschaften zusammenhängende Leistungen als grundstücksbezogene oder nicht grundstücksbezogene Leistungen. Leistungsort. Einspruchseinlegung per einfacher E-Mail

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Das Eigentum an einem inländischen Grundstück bewirkt die Ansässigkeit des Grundstückseigentümers im Inland.

2. Die Anschaffung eines Gegenstands und dessen Finanzierung sind selbst dann getrennt umsatzsteuerlich zu würdigen, wenn beide Leistungen vom selben Vertragspartner bezogen werden.

3. Mehrere in einem einheitlichen Vertrag vereinbarte Einzelleistungen sind einer gesonderten Leistungsortsbestimmung zugänglich.

4. Der Annahme einer nicht grundstücksbezogenen Leistung des Portfolio-Managements steht es nicht entgegen, wenn die Steuerpflichtige nur über ein Grundstück verfügt.

5. Umfangreiche Ausführungen zur Würdigung verschiedener, im Streitfall in zwei Verträgen vereinbarter Leistungen als grundstücksbezoge oder nicht grundstücksbezoge Leistungen sowie zum jeweiligen Leistungsort.

6. Ein per einfacher E-Mail eingelegter Einspruch ist formgerecht, nämlich elektronisch im Sinne des § 357 Abs. 1 Satz 1 AO, erhoben.

 

Normenkette

UStG 2015 § 13b Abs. 2 Nr. 1, Abs. 5, 7, § 3a Abs. 3 Nr. 1 S. 1, Abs. 2 S. 2; EGV 282/2011 Art. 10-11, 22, 31a; EGRL 112/2006 Art. 47; AO § 357 Abs. 1 S. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 16.03.2023; Aktenzeichen V R 17/21)

 

Tenor

Abweichend vom Umsatzsteuerbescheid 2015 vom 17.10.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.05.2019 wird die Umsatzsteuer auf 23.163,38 EUR festgesetzt.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren war notwendig.

Die Revision wird zugelassen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darum, in welchem Umfang der Leistungsort für die Klägerin erbrachte Dienstleistungen in Deutschland liegt, so dass die Klägerin die dadurch ausgelöste Umsatzsteuer nach § 13b Abs. Abs. 2 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz 2015 –UStG– schuldet.

Die Klägerin ist eine Kommanditgesellschaft, die am 11.03.2015 gegründet wurde und den Gegenstand des Erwerbs, der Verwaltung und der Veräußerung von in Deutschland belegenen Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten hat. Komplementärin war und ist die B… GmbH, die durch die Geschäftsführer C… und D…, jeweils wohnhaft in H…/Libanon, vertreten wird. Kommanditisten waren und sind die E… Ltd. mit Sitz in F…/British Virgin Islands, die ebenfalls durch C… und D… vertreten wird, und die G… s.a.l. mit Sitz in H…/Libanon.

Am 17.04.2015 schloss die Klägerin einen Kaufvertrag mit der I… GmbH sowie der J… GmbH über einen Grundstückskomplex (mehrere benachbarte Flurstücke) an der K…-straße in L… (den sog. …, ein größerer, Bürozwecken dienender Komplex) zum Preis von 7,1 Mio. EUR, wovon ca. 5 Mio. EUR durch die Aufnahme eines Bankdarlehens finanziert wurden. Die Vertragsparteien erklärten hinsichtlich der Objekte der I… GmbH, dass die Objekte langfristig vermietet seien und dass auch die Klägerin beabsichtige, die Objekte weiterhin zu vermieten. Daher gingen sie von einer Geschäftsveräußerung im Ganzen i.S. des § 1 Abs. 1a UStG aus. Vorsorglich verzichteten die Verkäuferinnen auf die Steuerfreiheit für den Grundstücksverkauf, soweit die Flächen umsatzsteuerpflichtig vermietet seien oder vermietet werden sollten (50,08 % der Flächen der I… GmbH). Dagegen gingen die Vertragsparteien davon aus, dass hinsichtlich der Objekte der J… GmbH keine Geschäftsveräußerung im Ganzen vorlag. Die J… GmbH verzichtete insoweit auf die Steuerfreiheit für die Veräußerung. Der Lastenwechsel fand am 01.07.2015 statt (Seite 3 der Anlage III zum Schriftsatz der Klägerin vom 28.10.2020, Bl. 58 Gerichtsakte –GA–).

Am 01.06.2015 schloss die Klägerin zwei Verträge, nämlich ein Identification & Acquisition, Disposition Fee Agreement –ITF-Vertrag– mit der M… Ltd. mit Sitz in F…/British Virgin Islands und ein Management and Coordination Agreement –MCF-Vertrag– mit der N… s.a.l. mit Sitz in H…/Libanon, die sowohl in der englischen Originalfassung (Bl. 11 ff., 17 f. GA) als auch in deutscher Übersetzung (Bl. 81 ff., 86 ff. GA) vorliegen. Sowohl die N… s.a.l. als auch die M… Ltd. wurden von D… vertreten, jedenfalls die M… Ltd. auch von C….

Nach dem ITF-Vertrag schuldete die Klägerin der M… Ltd. eine Vergütung einerseits für Tätigkeiten der M… Ltd. im Zusammenhang mit der Anschaffung des Grundstücks (Koordinierung der Aufgaben im Vorfeld der Anschaffung und Verhandlungen über Bankdarlehen; („Transaction Fee (Identification & Acquisition)”) und andererseits für künftige Tätigkeiten zum Zwecke des Verkaufs des Objekts („Transaction Fee (Disposition)”), jeweils in Höhe von 1 % des notariellen Kaufpreises. Die Vergütungen s...

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