rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Duldungsbescheid. Nutzung eines Fremdkontos zum Empfang von Leistungsentgelten. Kenntnis des Kontoinhabers von der Gläubigerbenachteiligungsabsicht

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei Einzahlungen auf einem fremden Konto handelt es sich um Rechtshandlungen des Anfechtungsschuldners, wenn er diese veranlasst hat und er mit der Einzahlung einen Vermögensgegenstand verliert. Erfasst werden auch die Fälle, in denen er seine Schuldner (Dritte) anweist, die ihm zustehenden Forderungsbeträge auf ein Fremdkonto zu überweisen.

2. Der Begriff der Leistung in § 4 Abs. 1 AnfG ist weit zu fassen. Es genügt, wenn der Begünstigte – unabhängig von der Wirksamkeit einer Verfügung – in die Lage versetzt wird, das zugewendete Vermögensgut tatsächlich zu nutzen und weiter zu übertragen.

3. Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass derjenige, unter dessen Namen ein Bankkonto eingerichtet wurde und geführt wird, über das Kontoguthaben zu verfügen berechtigt ist.

4. Anknüpfungspunkt für die Anfechtung ist, was der Schuldner aus seinem Vermögen weggegeben hat. Weggegeben aus dem Vermögen des Vollstreckungsschuldners wurden im Streitfall die Geldbeträge, die die Kunden auf dessen Anweisung auf das Konto des Anfechtungsgegners überwiesen haben. Daran ändert sich nichts dadurch, dass der Vollstreckungsschuldner die Beträge kraft einer ihm erteilten Kontovollmacht von dem Konto abgehoben hat.

5. Der Anfechtungsgegner, der sein Girokonto dem Vollstreckungsschuldner zum Gebrauch für die Abwicklung eigener Geldgeschäfte überlassen und ihm hierzu Kontovollmacht erteilt hat, muss sich die Kenntnis des Vollstreckungsschuldners über die Gläubigerbenachteiligungsabsicht im Rahmen des § 819 Abs. 1 BGB über den Rechtsgedanken des § 166 Abs. 1 BGB zurechnen lassen.

 

Normenkette

AO § 191 Abs. 2, § 35; AnfG § 3 Abs. 1-2, § 4 Abs. 1, § 11; BGB § 166 Abs. 1, §§ 818-819

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 30.06.2020; Aktenzeichen VII R 63/18)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 94 % und der Beklagte zu 6 %.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der Beklagte berechtigt war, den Kläger mit einem Duldungsbescheid wegen rückständiger Steuerbeträge eines Dritten in Anspruch zu nehmen.

I. Nach einer Rückständeaufstellung vom 22.08.2013 (Bl. 8 Vollstreckungsakten – Vo.-A. –) schuldete der Vater des Klägers, Herr B. (nachfolgend auch: „Vollstreckungsschuldner” oder „Anfechtungsschuldner”), dem Beklagten Steuern und steuerliche Nebenleistungen in einer Gesamtsumme von 199.633,81 EUR. Hierbei handelte es sich im Wesentlichen um rückständige Beträge an Einkommensteuer, Gewerbesteuer und Umsatzsteuer aus den Besteuerungszeiträumen 2008 bis Mitte 2013 sowie damit im Zusammenhang stehende Zinsen und Säumniszuschläge.

Am 08.11.2013 erließ der Beklagte (nachfolgend auch: „Anfechtungsgläubiger”) einen Duldungsbescheid gemäß § 191 AbgabenordnungAO – i.V.m. § 4 Abs. 1, hilfsweise § 3 Abs. 2, hilfsweise § 3 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Insolvenzverfahrens – AnfG – (Bl. 6 f. Vo.-A.).

Mit diesem Duldungsbescheid nahm der Beklagte den Kläger hinsichtlich eines Betrages von 181.913,94 EUR als Duldungsverpflichteten (nachfolgend auch: „Anfechtungsgegner” oder „Duldungsschuldner”) im Wege der Vollstreckung für die rückständigen Steuerschulden seines Vaters in Anspruch.

Die Vollstreckung gegen den Vollstreckungsschuldner, also den Vater des Klägers, sei bisher erfolglos verlaufen. Dementsprechend sei das Land Berlin nach § 2 AnfG zur Anfechtung berechtigt. Der Kläger sei seit dem 06.06.2005 Inhaber des Kontos mit der Kontonummer. bei der C. Bank e.G., welches in der Filiale in der D.-straße in Berlin geführt wurde. Seit dem 20.11.2005 habe eine Verfügungsberechtigung des Vaters des Klägers, dem Anfechtungsschuldner B., bestanden. Im Zeitraum vom 10. Oktober bis zum 9. Dezember 2011 seien auf diesem Konto elf Gutschriften in einer Gesamtsumme von 181.913,94 EUR erfolgt; die Höhe der einzelnen Gutschriften habe zwischen rund 2.874 EUR und rund 38.064 EUR betragen (auf die Zusammenstellung auf Seite 2 des Duldungsbescheids wird Bezug genommen; Bl. 12 FG-Akte). Auftraggeber der Überweisungen sei in zehn Fällen die Firma „E. GmbH” und in einem Fall ein Herr F. gewesen.

Als Verwendungszweck sei bei allen elf Überweisungen der Name B. entweder mit dem Zusatz „diverse Rechnungen” (bei zwei Überweisungen) oder mit der Angabe einer Rechnungsnummer und eines Rechnungsdatums (bei neun Überweisungen) angegeben worden.

Nach Ansicht des Beklagten sei davon auszugehen, dass vom Anfechtungsschuldner erstellte Rechnungen für von ihm erbra...

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