Entscheidungsstichwort (Thema)

Ernstliche Zweifel an der Vereinbarkeit des Steuerabzugsverfahrens nach § 50a EStG 2007 mit EU-Recht

 

Leitsatz (redaktionell)

Es ist unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils vom 3.10.2006, Rs. C-290/04 (F.K.P. Scorpio Konzertproduktionen GmbH) ernstlich zweifelhaft, ob das deutsche Steuerabzugs- und Haftungsverfahren i.S. des § 50a EStG nicht seit dem In-Kraft-Treten der geänderten Beitreibungsrichtlinie vom 15.6.2001 (Richtlinie 2001/44/EG) gegen das EU-rechtliche Verbot der Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs verstößt.

 

Normenkette

EStG 2007 § 50a Abs. 4 S. 1 Nr. 1, Abs. 5 S. 1; EStDV § 73e S. 2; EG Art. 49-50; FGO § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1; Richtlinie 2001/44/EG

 

Tenor

Die Vollziehung des Bescheides über den Steuerabzug gemäß § 50a Abs. 4, 5 EStG (Steueranmeldung) für das 1. Quartal 2007 vom … wird ab Fälligkeit bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe einer abschließenden Entscheidung über den Einspruch vom … in Höhe von 2.673,74 EUR ausgesetzt.

Die Beschwerde zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsgegner auferlegt.

 

Tatbestand

Die Antragstellerin ist eine inländische unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft (GmbH), deren Geschäftszweck die Durchführung von Tourneen mit ausländischen Künstlern im Inland ist. Sie gab beim Antragsgegner am … für das 1. Quartal 2007 eine Steueranmeldung gemäß § 50a EinkommensteuergesetzEStG – i.V.m. § 73e der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung – EStDV – ab. Sie deklarierte mit dieser Anmeldung unter anderem einen Steuerabzug gemäß § 50a Abs. 4 S. 1 Nr. 1 EStG in Höhe von 2.673,74 EUR, der auf Vergütungen beruhte, welche die Antragstellerin an Künstler gezahlt hatte, die im Vereinigten Königreich (Großbritannien) ansässig sind. Zeitgleich mit der Steueranmeldung legte die Antragstellerin gegen die Anmeldung Einspruch ein und beantragte beim Antragsgegner die Aussetzung der Vollziehung der angemeldeten Steuern, soweit diese auf die an die Künstler aus dem Vereinigten Königreich gezahlten Vergütungen entfielen.

Zur Begründung führte die Antragstellerin aus, der Steuerabzug nach § 50a Abs. 4 EStG sei – jedenfalls bezogen auf Vergütungsgläubiger mit Sitz im Vereinigten Königreich – unzulässig. Der Europäische Gerichtshof – EuGH – habe am 3. Oktober 2006 eine Entscheidung bezüglich der Rechtmäßigkeit des Steuerabzugsverfahrens nach § 50a Abs. 4 EStG getroffen (Rs. C-290/04, F.K.P. Scorpio Konzertproduktionen GmbH, Bundessteuerblatt – BStBl-II 2006, 353). Zwar habe der EuGH in dieser Entscheidung, die das Streitjahr 1993 betraf, das Quellensteuerabzugsverfahren nach § 50a Abs. 4 EStG noch für gemeinschaftsrechtskonform angesehen; allerdings hätten sich die Rechtsverhältnisse zwischenzeitlich geändert, nachdem die geänderte Beitreibungsrichtlinie zur Mitte des Jahres 2002 in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft in Kraft getreten sei (Richtlinie 2001/44/EG vom 15.06.2001, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft – ABlEG – L 175/17 vom 28.06.2001). Denn das auf Gebietsfremde ausgerichtete Quellensteuerabzugsverfahren enthalte eine gemeinschaftsrechtswidrige Benachteiligung, die der EuGH im zitierten Fall lediglich deshalb für gerechtfertigt gehalten habe, weil in dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Streitjahr 1993 noch keine zwischenstaatlichen Vollstreckungsmöglichkeiten existiert hätten. Dieser Rechtfertigungsgrund sei nach Einführung der geänderten Beitreibungsrichtlinie vom 15.06.2001 entfallen, so dass § 50a Abs. 4 EStG in Bezug auf Vergütungsgläubiger aus EU-Mitgliedsstaaten als gemeinschaftsrechtswidrig anzusehen und nicht mehr anwendbar sei.

Mit Bescheid vom 24. Mai 2007 lehnte der Antragsgegner die beantragte Aussetzung der Vollziehung ab. Es bestünden keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Steueranmeldung. Nach dem von der Antragstellerin zitierten EuGH-Urteil vom 3. Oktober 2006 und dem hierzu ergangenen Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen – BMF – vom 5. April 2007 (BStBl I 2007, 449) bestünden europarechtlich keine Bedenken gegen den Steuerabzug gemäß § 50a EStG. Lediglich die Versagung des Betriebsausgabenabzugs im Zusammenhang mit den Vergütungen sei vom EuGH als gemeinschaftsrechtswidrig angesehen worden. Insoweit werde der Antragstellerin anheim gestellt, gegebenenfalls Betriebsausgaben zu erklären und eine entsprechend korrigierte Steueranmeldung für das 1. Quartal 2007 abzugeben.

Daraufhin hat sich die Antragstellerin mit dem vorliegenden Antrag an das Finanzgericht gewandt. Sie wiederholt ihr Vorbringen aus dem außergerichtlichen Verfahren.

Die Antragstellerin beantragt,

die Vollziehung der Steueranmeldung nach § 50a EStG für das I. Quartal 2007 in dem Umfang auszusetzen, in dem Vergütungen an beschränkt Steuerpflichtige mit Sitz im Vereinigten Königreich angemeldet wurden,

sowie hilfsweise, für den Fall des Unterliegens, die Beschwerde zuzulassen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Er hält den Antrag für zulässig,...

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