Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung der Verfahrenshandlungen des Kindergeldberechtigten nach Aufhebung und Neufestsetzung von Kindergeld. Kindergeld

 

Leitsatz (amtlich)

1. Deutet eine Finanzbehörde einen außerhalb eines Einspruchsverfahrens gestellten Aufhebungsantrag in einen Einspruch um, und weist sie den „Einspruch” im Hinblick auf den Eintritt der Bestandskraft des Bescheids, dessen Aufhebung begehrt wird, ohne Entscheidung über die in Betracht kommenden Änderungsmöglichkeiten zurück, so ist die Einspruchsentscheidung durch das Finanzgericht als gegenstandslos aufzuheben.

2. Reichen türkische Kindergeldberechtigte den ihnen im Rahmen der jährlichen Fragebogenaktion zur Prüfung des weitern Vorliegens der Voraussetzungen für den Anspruch auf Kindergeld bei ausländischen Berechtigten übersandten Fragebogen nicht innerhalb der ihnen gesetzten Frist wieder ein, so liegt in dem Umstand, dass der Fragebogen zunächst nicht vorgelegen hat, keine Änderung der für die Festsetzung von Kindergeld relevanten Verhältnisse.

 

Normenkette

EStG 1990 § 70 Abs. 2, § 67 Abs. 1; AO 1977 § 173 Abs. 1 Nr. 2, § 163

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 21.01.2004; Aktenzeichen VIII R 15/02)

BFH (Urteil vom 21.01.2004; Aktenzeichen VIII R 15/02)

 

Tenor

Die Einspruchsentscheidung vom 30. April 1997 wird ersatzlos aufgehoben. Auch die in dem „Multibrief” des Beklagten vom 12. Mai 1997 enthaltene Aufhebung der Kindergeld festsetzung zum 01. Februar 1996 und die Einspruchsentscheidung vom 30. September 1997 werden aufgehoben, so dass die Kindergeldfestsetzung vom 22. Januar 1996 auch für die Monate Februar bis August 1996 wieder wirksam wird.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 4.900 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

Der Kläger und seine Ehefrau haben 1988 die Ehe geschlossen. Sie besitzen die türkische Staatsangehörigkeit. Beide sind 1970 geboren, der Kläger in Ankara, die Ehefrau in Aksaray. Die Ehefrau erhielt am 02. Dezember 1988 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis für die Bundesrepublik Deutschland. Die Aufenthaltserlaubnis des Ehemanns vom 21. August 1991 war zunächst bis 20. August 1993 befristet; sie wurde in der Folgezeit verlängert und am 08. August 1996 in eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis umgewandelt. Die Eheleute waren und sind in Mannheim wohnhaft. Zunächst hatten sie eine Wohnung in der B. straße, später in der J. Straße und nunmehr – seit 23. Januar 1996 – in der W. straße. Die Ehefrau war zunächst bei B. M. beschäftigt, von Juli 1994 bis Juni 1995 bezog sie vom Beklagten Leistungen wegen Arbeitslosigkeit Seither war sie offenbar nicht mehr erwerbstätig; in dem Fragebogen vom 04. März 1997 – auf den unten näher einzugehen ist – hat der Kläger erklärt, dass seine Ehefrau ab 04. Januar 1996 – der Geburt des dritten Kindes – wegen „Mutterschaft” Leistungen von der „Landbank” erhält. Möglicherweise handelte es sich dabei um ein Erziehungsgeld.

Auch der Kläger arbeitete und arbeitet seit 1991 bei B. in Mannheim, und zwar als Bäckereifahrer. Nach der Geburt seines zweiten Kindes – die Tochter Berna ist am 05. Februar 992, die Tochter Büsra am 21. Dezember 1992 geboren – bestimmten die Eheleute den Kläger zum Kindergeldberechtigten, nachdem bis dahin die Ehefrau das Kindergeld (…) bezogen hatte.

Am 04. Januar 1996 wurde der Sohn Ahmet Burak geboren. Zwei Wochen später, am 18. Januar 1996, stellte der Kläger – unter der damals noch bestehenden Anschrift J. Straße 6 a – Antrag auf Kindergeld für die drei Kinder. Auf dem amtlichem Formular unterzeichnete er auch die Erklärung: „Ich versichere, dass ich alle Angaben wahrheitsgemäß gemacht habe, mir ist bekannt, dass ich alle Änderungen, die für den Anspruch auf Kindergeld von Bedeutung sind, unverzüglich dem Arbeitsamt – Familienkasse – mitzuteilen habe. Das Merkblatt über Kindergeld habe ich erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen.” Das Kindergeld wurde am 22. Januar 1996 ab Januar 1996 auf monatlich 700 DM – ohne Bekanntgabe des Bescheids an den Kläger – festgesetzt (und ausgezahlt).

Schon im September/Oktober 1996 sollte im Rahmen der für Ausländer im Abstand von einem Jahr durchgeführten Fragebogenaktionen geprüft werden, ob die Voraussetzungen für den Anspruch auf Kindergeld beim Kläger weiterhin vorlagen. Die Formulare für Berechtigte aus Frankreich, Griechenland, Italien und der Türkei sind zweisprachig abgefasst (Türken erhalten den Vordruck DVKG 71.t-001/96). Die Formulare werden von der Zentrale der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg versandt, wobei als Absender das zuständige Arbeitsamt erscheint, an das die Sendung bei Unzustellbarkeit zurückgesandt wird. Die Zentrale datierte das an den Kläger übersandte Formular auf den 20. September 1996 und ersuchte ihn, den Fragebogen mit den erforderlichen Nachweisen innerhalb von vier Wochen bei dem Beklagten einzureichen. Die Absendung erfolgte laut Freistempler am 04. Oktober 1996. Da die Sendung an die gespeicherte Adresse des Klägers in der J.-Straße gerichtet war, konnte sie von der Post nicht...

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