Entscheidungsstichwort (Thema)

Sondersteuer auf Einzelhandelsumsätze, Ungarn, Diskriminierende Wirkung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Art. 49 AEUV und 54 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats betreffend eine Steuer auf den Umsatz des Einzelhandels in Verkaufsräumen entgegenstehen, die die Steuerpflichtigen, die in einer Unternehmensgruppe „verbundene Unternehmen“ im Sinne dieser Regelung bilden, verpflichtet, ihre Umsätze im Hinblick auf die Anwendung eines stark progressiven Steuersatzes zusammenzurechnen und sodann den auf diese Weise erhaltenen Steuerbetrag anteilsmäßig nach ihrem tatsächlichen Umsatz untereinander aufzuteilen, wenn ‐ was zu prüfen dem vorlegenden Gericht obliegt ‐ die einer Unternehmensgruppe angehörenden und von der höchsten Tarifstufe der Sondersteuer erfassten Steuerpflichtigen in den meisten Fällen mit Unternehmen „verbunden“ sind, die ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat haben.

 

Normenkette

AEUV Art. 49, 54

 

Beteiligte

Hervis Sport- és Divatkereskedelmi

Hervis Sport- és Divatkereskedelmi Kft

Nemzeti Adó- és Vámhivatal Közép-dunántúli Regionális Adó Foigazgatósága

 

Verfahrensgang

Székesfehérvári Törvényszék (Ungarn) (Urteil vom 26.07.2012; ABl. EU 2012, Nr. C 366/24)

 

Tatbestand

„Vorabentscheidungsersuchen ‐ Direkte Steuern ‐ Niederlassungsfreiheit ‐ Nationale Steuerregelung, mit der eine Sondersteuer auf den Einzelhandelsumsatz in Verkaufsräumen eingeführt wird ‐ Kaufhausketten ‐ Bestehen einer diskriminierenden Wirkung ‐ Mittelbare Diskriminierung“

In der Rechtssache C-385/12

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Székesfehérvári Törvényszék (Ungarn) mit Entscheidung vom 26. Juli 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 13. August 2012, in dem Verfahren

Hervis Sport- és Divatkereskedelmi Kft.

gegen

Nemzeti Adó- és Vámhivatal Közép-dunántúli Regionális Adó Főigazgatósága

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, des Vizepräsidenten K. Lenaerts, der Kammerpräsidenten A. Tizzano, L. Bay Larsen, T. von Danwitz, E. Juhász, M. Safjan und J. L. da Cruz Vilaça, der Richter A. Rosas, A. Ó. Caoimh, J.-C. Bonichot (Berichterstatter) und A. Arabadjiev sowie der Richterin C. Toader,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 18. Juni 2013,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ der Hervis Sport- és Divatkereskedelmi Kft., vertreten durch L. Darázs und A. Dezső, ügyvédek,

‐ der Nemzeti Adó- és Vámhivatal Közép-dunántúli Regionális Adó Főigazgatósága, vertreten durch Z. Horváthné Ádám,

‐ der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Z. Fehér und K. Szíjjártó als Bevollmächtigte,

‐ der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer und F. Koppensteiner als Bevollmächtigte,

‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch K. Talabér-Ritz und W. Mölls als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 5. September 2013

folgendes

Urteil

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 18, 26, 49, 54 bis 56, 63, 65 und 110 AEUV.

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Hervis Sport- és Divatkereskedelmi Kft. (im Folgenden: Hervis) und der Nemzeti Adó- és Vámhivatal Közép-dunántúli Regionális Adó Főigazgatósága (regionale Oberfinanzdirektion Közép-Dunántúl, die zur nationalen Steuer- und Zollverwaltung gehört) über die Entrichtung der von Ungarn für die Jahre 2010 bis 2012 eingeführten Sondersteuer auf den Umsatz bestimmter Sektoren des Einzelhandels in Verkaufsräumen.

Rechtlicher Rahmen

Rz. 3

In der Präambel des Gesetzes Nr. XCIV 2010 über die Sondersteuer für bestimmte Sektoren (egyes ágazatokat terhelő különadóról szóló 2010. évi XCIV. Törvény, im Folgenden: Sondersteuergesetz) heißt es:

„Im Rahmen der Wiederherstellung des Haushaltsgleichgewichts erlässt das Parlament das nachstehende Gesetz über die Einführung einer Sondersteuer zulasten der Steuerpflichtigen, deren Fähigkeit, einen Beitrag zur Bestreitung der öffentlichen Lasten zu leisten, die allgemeine Steuerpflicht übersteigt.“

Rz. 4

Art. 1 („Erläuternde Bestimmungen“) dieses Gesetzes bestimmt:

„Im Sinne dieses Gesetzes bedeutet:

1. Einzelhandelstätigkeit in Verkaufsräumen: nach dem am 1. Januar 2009 geltenden System zur einheitlichen Klassifizierung der wirtschaftlichen Tätigkeiten die Tätigkeiten, die in Abschnitt Nr. 45.1 - mit Ausnahme des Großhandels mit Fahrzeugen und Anhängern -, in die Abschnitte Nrn. 45.32 und 45.40 - mit Ausnahme der Instandsetzung von und des Großhandels mit Krafträdern - sowie in die Abschnitte Nrn. 47.1 bis 47.9 eingereiht sind, d. h. alle gewerblichen Tätigkeiten, in deren Rahmen der Käufer auch eine nicht als Unternehmer geltende natürliche Person sein kann.

5. Nettoumsatz: im Fall eines dem Buchhaltungsgesetz unterliegenden Steuerpflichtigen der aus dem Verkauf stammende Nettoumsatz im Sinne des Buchhaltungsgesetzes; im Fall eines der vereinfachte...

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