Beteiligte
Kläger und Revisionsbeklagter |
Beklagte und Revisionsklägerin |
Tatbestand
I
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte dem Kläger Rente wegen Erwerbsunfähigkeit über den 30. April 1986 hinaus nach den im ursprünglichen Rentenbescheid vom 21. Dezember 1981 festgestellten Berechnungsmerkmalen zu gewähren hat.
Die Beklagte gewährte dem 1922 geborenen Kläger durch Bescheid vom 21. Dezember 1981 aufgrund eines am 21. Juli 1981 eingetretenen Versicherungsfalles Rente wegen Erwerbsunfähigkeit in Höhe von monatlich 817, 50 DM. Im zugrundeliegenden Antrag hatte der Kläger die Fragen, ob er Beamter oder Berufssoldat gewesen sei und eine Nachversicherung beantragt habe, verneint. In einem Zusatzfragebogen gab er für die Zeit von April 1940 bis August 1945 "militärischen Dienst" an. Diese Zeit wurde im Rentenbescheid der Beklagten als Ersatzzeit (militärischer Dienst) berücksichtigt. Der Bescheid der Beklagten wurde bestandskräftig.
Auf Antrag des Klägers vom August 1985 bescheinigte der Regierungspräsident in Kassel am 27. September 1985 das Vorliegen der dienstrechtlichen und sozialversicherungsrechtlichen Voraussetzungen der Nachversicherung nach § 99 des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes (AKG). Der Kläger habe vom 10. April 1940 bis 31. März 1942 als Freiwilliger und vom 1. April 1942 bis 8. Mai 1945 als längerdienender Freiwilliger gedient.
Die Beklagte erhielt hiervon im Februar 1986 Kenntnis. Nachdem sie ermittelt hatte, daß sich aufgrund der für die Zeit vom 1. April 1942 bis 8. Mai 1945 durchgeführten Nachversicherung ein niedrigerer Rentenzahlbetrag als bisher ergab, hörte sie den Kläger mit Schreiben vom 25. März 1986 zu ihrer Absicht an, den Bescheid vom 21. Dezember 1981 insoweit mit Wirkung für die Zeit ab 1. Mai 1986 zurückzunehmen.
Mit Bescheid vom 21. April 1986 stellte sie die Rente mit Wirkung ab 1. Mai 1986 neu fest und nahm den Bescheid vom 21. Dezember 1981 insoweit nach § 45 des Sozialgesetzbuches -Verwaltungsverfahren - [SGB X] zurück. Im Unterschied zum Zahlbetrag der Rente bis April 1986 in Höhe von 1.081, 63 DM lag der nach dem neuen Bescheid ab Mai 1986 zu zahlende Rentenbetrag bei 1.042, 29 DM monatlich.
Der Widerspruch des Klägers hiergegen blieb erfolglos (Bescheid vom 24. Oktober 1986).
Mit Urteil vom 15. Mai 1987 hob das Sozialgericht [SG] den Bescheid vom 21. April 1986 auf und verurteilte die Beklagte, dem Kläger über den 30. April 1986 hinaus Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach den Berechnungsmerkmalen des Bescheides vom 21. Dezember 1981 zu gewähren.
Die Beklagte legte gegen dieses Urteil am 6. Oktober 1987 Berufung ein und änderte durch Bescheid vom 20. November 1987 ihren Bescheid vom 21. April 1986 sowie den Widerspruchsbescheid vom 24. Oktober 1986 hinsichtlich der rechtlichen Begründung wie folgt ab: "Der Bescheid vom 21. Dezember 1981 wird nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X für die Zukunft aufgehoben". Aufgrund der Bescheinigung des Regierungspräsidenten vom 27. September 1985 über die Zugehörigkeit des Klägers zum Personenkreis des § 99 AKG sei nach Erlaß des Bescheides vom 21. Dezember 1981 eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen i.S. von § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X eingetreten.
Das Landessozialgericht [LSG] wies mit Urteil vom 14. Februar 1989 die Berufung der Beklagten zurück und hob den Bescheid vom 20. November 1987 auf. Der aufhebende Bescheid der Beklagten vom 21. April 1986 sei rechtswidrig, weil der zu seiner Begründung herangezogene § 45 SGB X nicht anwendbar sei. Der aufgehobene Verwaltungakt vom 21. Dezember 1981 sei nicht, wie in § 45 SGB X vorausgesetzt werde, im Zeitpunkt des Erlasses rechtswidrig gewesen. Der Kläger sei nicht verpflichtet gewesen, einen Nachversicherungsantrag zu stellen; das Unterlassen des Antrages trotz Vorliegens der Voraussetzungen sei daher nicht rechtsmißbräuchlich gewesen. Eine Anrechnung der fraglichen Zeit als Beitragszeit anstelle einer Anrechnung als Ersatzzeit habe sich für die Zeit der Rentenbewilligung im Dezember 1981 nicht aus § 1260c der Reichsversicherungsordnung [RVO] ableiten lassen, da diese Vorschrift in der damals geltenden Fassung keine Regelung hierüber getroffen habe. Die Neufassungen der Vorschrift mit Wirkung ab Januar 1983 und Juli 1985 kämen nicht zum Zuge, da jeweils ergänzend die Regelung des Art 2 § 14b Abs. 2 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes [ArVNG] zu beachten sei, wonach die geänderten Vorschriften nicht anzuwenden seien, wenn über einen Anspruch eine nicht mehr anfechtbare Entscheidung getroffen worden sei. Da der Bescheid der Beklagten vom 21. Dezember 1981 bindend geworden sei, komme dem Kläger insoweit ein Bestandsschutz zu. Rechtswidrig sei auch der auf § 48 Abs. 2 Satz 1 SGB X gestützte Bescheid der Beklagten vom 20. November 1987. Dies ergebe sich zum einen daraus, daß die Beklagte den Kläger vor Erlaß dieses Bescheides nicht in der erforderlichen Weise gemäß § 24 SGB X angehört habe. Zum anderen könne der Bescheid auch deshalb keinen Bestand haben, weil die Nachversicherung aufgrund einer falschen Beratung des Klägers durch einen Dritten erfolgt sei, dessen pflichtwidriges Verhalten sich die Beklagte zurechnen lassen müsse. Dem Kläger stehe demgemäß ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch dahin zu, daß er so zu stellen sei, als sei die Beratung ordnungsgemäß erfolgt. In einem solchen Falle hätte er in Kenntnis der rechtlichen Folgen der Nachversicherung (Rentenminderung) den Nachversicherungsantrag nicht gestellt.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt eine Verletzung der §§ 24, 48 SGB X, des § 96 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG], des § 1260c RVO und der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts [BSG] zum Herstellungsanspruch.
Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 14. Februar 1989 sowie das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 15. Mai 1987 aufzuheben und die Klage abzuweisen. |
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Der Kläger beantragt,
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die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 14. Februar 1989 zurückzuweisen. |
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Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
II
Die kraft Zulassung durch das LSG statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und damit auch zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 21. April 1986 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Oktober 1986 sowie der während des Berufungsverfahrens erlassene und gemäß § 96 Abs. 1 SGG zum Gegenstand des Verfahrens gewordene Bescheid vom 20. November 1987 sind rechtswidrig. Der Rentenbescheid vom 21. Dezember 1981 konnte von der Beklagten weder aufgrund von § 45 SGB X noch nach § 48 SGB X aufgehoben werden. Zu Recht hat das LSG daher die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückgewiesen und den Bescheid der Beklagten vom 20. November 1987 aufgehoben.
Die Beklagte konnte ihren Bescheid vom 21. Dezember 1981 nicht aufgrund von § 45 SGB X aufheben, da dieser Bescheid zur Zeit seines Erlasses nicht rechtswidrig war. Bei der Berechnung der gewährten Erwerbsunfähigkeitsrente wurde der vom Kläger in der Zeit vom 10. April 1940 bis August 1945 geleistete militärische Dienst zu Recht aufgrund von § 1251 Abs. 1 Nr. 1 RVO als Ersatzzeit angerechnet. Eine Vorschrift, nach der wegen einer möglichen Nachversicherung die Ersatzzeit bei der Rentenberechnung unberücksichtigt zu bleiben habe, bestand Ende 1981 nicht. Wie das LSG zutreffend herausgestellt hat, enthielt insbesondere die Vorschrift des § 1260c RVO, die heute das Verhältnis zwischen Ersatzzeiten und Nachversicherung regelt, in ihrer damals geltenden Fassung keine Aussage über dieses Verhältnis. Zudem war eine Nachversicherung des Klägers seinerzeit auch gar nicht möglich, da der Kläger weder einen Antrag auf Nachversicherung tatsächlich gestellt hatte noch zum Stellen eines solchen Antrags mit der Folge verpflichtet war, sich bei pflichtwidrigem Unterlassen jedenfalls als Antragsteller behandeln lassen zu müssen. Wie das BSG bereits wiederholt entschieden hat, tritt die fiktive Nachversicherung nicht kraft Gesetzes ein, sondern ist von einem im Belieben des Versicherten stehenden Antrag abhängig [s Urteil des 5. Senats vom 20. Juni 1979 -5 RKn 16/78- SozR 2600 § 50 RKG Nr. 2; 4. Senat Urteil vom 1. Dezember 1982 -4 RJ 79/81-SozR 7290 § 72 G 131 Nr. 7 = BSGE 54, 193; 8. Senat Urteil vom 2. November 1988 -8/5a RKn 15/87- Kompaß 1989, 37 = ZfS 1989, 48]. Bei einem im Belieben des Versicherten stehenden Rechtsakt besteht aber keine Verpflichtung zu entsprechendem Handeln. Maßgebend für die daran anknüpfende Rechtsfolge ist vielmehr allein, ob der Rechtsakt konkret vorgenommen worden ist oder nicht.
Die Änderungen des § 1260c RVO mit Wirkung ab 1. Januar 1983 und 1. Juli 1985, die die bisherige Normierung um eine Regelung des Verhältnisses zwischen Ersatzzeiten und Nachversicherung ergänzten, stellen die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 21. Dezember 1981 nicht in Frage. Das Haushaltsbegleitgesetz 1983 [HBegleitG] vom 20. Dezember 1982 [BGBl. I 1857], mit dem die bezeichnete Ergänzung des § 1260c RVO im Jahr 1983 erfolgte, fügte in das ArVNG als § 14b eine neue Bestimmung zur zeitlichen Geltung des § 1260c RVO entsprechend dessen Veränderungen ein. Nach Abs. 2 der neuen Vorschrift gilt § 1260c Abs. 2 RVO auch für Versicherungsfälle vor dem 1. Januar 1983, es sei denn, über einen Anspruch ist eine nicht mehr anfechtbare Entscheidung getroffen worden. Die hiernach grundsätzlich mögliche Geltung des § 1260c Abs. 2 RVO für einen Versicherungsfall wie beim Kläger scheidet im vorliegenden Fall jedoch aus, da mit dem bestandskräftig gewordenen Bescheid der Beklagten vom 21. Dezember 1981 über den Anspruch des Klägers auf Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit eine nicht mehr anfechtbare Entscheidung getroffen worden ist.
Der Bescheid der Beklagten vom 21. Dezember 1981 kann auch nicht mit der Begründung als rechtswidrig betrachtet werden, die die Beklagte in ihrem Widerspruchsbescheid vom 24. Oktober 1986 dafür gegeben hat. Denn zum einen knüpft das Gesetz in § 45 SGB X die Möglichkeit, einen Verwaltungsakt zurückzunehmen, an die Grundvoraussetzung an, daß er rechtswidrig ist. Die Tatbestände der unrichtigen oder unvollständigen Angabe oder der Kenntnis der Rechtswidrigkeit, aus denen der Widerspruchsbescheid die Möglichkeit zur Rücknahme herleitet, kennt das Gesetz lediglich als Gründe dafür, daß sich ein durch den Verwaltungsakt Begünstigter nicht auf Vertrauensschutz berufen kann, S. § 45 Abs. 2 Satz 3 Nrn 2 und 3 SGB X. Davon abgesehen hat das LSG keine Feststellungen getroffen, die die Merkmale dieser Tatbestände betrafen. Hieran ist der erkennende Senat, da zulässige und begründete Verfahrensrügen insofern nicht erhoben sind, gemäß § 163 SGG gebunden. Die von der Beklagten der in ihrer Entscheidung ausdrücklich zugrunde gelegte Auffassung, daß die Fiktion der Nachversicherung nach § 99 AKG einen Antrag des Klägers nicht erfordert habe, die fehlenden Angaben des Klägers daher ursächlich die Anrechnung von Versicherungs- anstatt Ersatzzeiten verhindert hätten, trifft mit Rücksicht auf die bereits angeführte Rechtsprechung des BSG zum Antragserfordernis nicht zu.
Der Bescheid der Beklagten vom 20. November 1987 ist ebenfalls zu Recht aufgehoben worden, weil die Beklagte ihren Bescheid vom 21. Dezember 1981 auch nicht mit einer auf § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X gestützten Begründung für die Zukunft aufheben konnte. Nach dieser Vorschrift ist die Aufhebung eines Verwaltungssakts mit Dauerwirkung, wie ihn der Rentenbescheid der Beklagten vom Dezember 1981 darstellt, zulässig, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlaß des Verwaltungsakts vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wenn auch die bestandskräftig gewordene Bescheinigung des Regierungspräsidenten vom 27. September 1985 über die Zugehörigkeit des Klägers zum Personenkreis des § 99 AKG als Änderung i.S. des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X angesehen werden konnte, so war diese Änderung für den Rentenanspruch des Klägers jedoch nicht "wesentlich". Wesentlich sind Änderungen, die dazu führen, daß die Behörde unter den nunmehr objektiv vorliegenden Verhältnissen den Verwaltungsakt nicht oder nicht wie geschehen hätte erlassen dürfen (BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nrn 44 und 60). Die Beklagte durfte und darf hinsichtlich der streitigen Zeiten selbst mit Rücksicht auf den Bescheid des Regierungspräsidenten vom September 1985 nicht von deren ursprünglicher Bewertung als Ersatzzeiten abweichen. Zwar wäre die in diesem Bescheid getroffene Feststellung infolge ihrer Verbindlichkeit für die Rentengewährung kraft Tatbestandswirkung ("konstitutive" Wirkung, vgl. BSGE 41, 198, 200; 54, 193, 197; 56, 161, 163 und BSG SozR 2200 § 1260c RVO Nrn 11 und 12, jeweils m.w.N.) grundsätzlich geeignet gewesen, eine andere Art der Berechnung der Rente für die Zukunft zu rechtfertigen, d.h. eine Berücksichtigung der streitigen Zeiten gemäß § 99 Abs. 9 AKG i.V.m. § 72 Abs. 10 G 131 statt als Ersatzzeiten nunmehr aufgrund fiktiv durchgeführter Nachversicherung als Beitragszeiten i.S. von § 1250 Abs. 1 Buchst a RVO (s BSGE 56, 161, 163) zu tragen. Eine solche Bedeutung konnte sie aber im Fall des Klägers deshalb nicht erlangen, weil die Beklagte den Kläger aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so behandeln mußte, als hätte er einen Antrag auf Nachversicherung nicht gestellt und wäre die Bescheinigung des Regierungspräsidenten vom 27. September 1985 nicht erteilt worden.
Einen solchen Herstellungsanspruch hatte der Kläger aufgrund einer unvollständigen Beratung über die Auswirkungen einer Nachversicherung auf seine eigene Rente. Wie das LSG unangegriffen und damit nach § 163 SGG für den erkennenden Senat bindend festgestellt hat, wies der Bedienstete des Versicherungsamts Korbach, der Zeuge S. , den Kläger zwar auf die möglichen Folgen einer Nachversicherung für die (spätere) Rente der früheren Ehefrau des Klägers hin. Auf das Risiko für die schon laufende Rente des Klägers selbst, bei der Neuberechnung aufgrund durchgeführter fiktiver Nachversicherung unter den bisherigen Zahlbetrag abzusinken, machte er den Kläger aber nicht zugleich aufmerksam. Diese Unterlassung verletzte die Pflicht der Beklagten gegenüber dem Kläger zur Beratung gemäß § 14 SGB I, die zu den Pflichten aus dem Sozialversicherungsverhältnis gehört, deren nicht gehörige Erfüllung trotz gegebenen Anlasses zum sozialrechtlichen Herstellungsanspruch für den benachteiligten Versicherten führt. Ihrem gehaltlichen Umfang nach betrifft die Pflicht zur Beratung in einem Fall wie dem des Klägers nicht allein die Frage, ob überhaupt eine Nachversicherung rechtlich möglich und zu ihrer Durchführung ein Antrag erforderlich ist. Sie erstreckt sich vielmehr in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG, die sie inhaltlich umfassend versteht (vgl. hierzu z.B. BSG SozR 1200 § 14 SGB I Nrn 15 S. 26f., 16 S. 33 bis 35, 20 S. 50f., 24 S. 56f., 25 S. 63 und 66, 29), auch auf die materiellen Auswirkungen, die eine durchgeführte Nachversicherung auf rentenrechtliche Positionen des Versicherten selbst oder einer von ihm abgeleitet gesicherten Person hat. Der 4. und 8. Senat des BSG haben dementsprechend speziell für den Fall einer fiktiven Nachversicherung ausgesprochen, daß eine unterbliebene Beratung über die Auswirkungen der Nachversicherung für den benachteiligten Versicherten zu einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch in dem Sinn führen kann, daß er so zu behandeln ist, als sei die Nachversicherung nicht durchgeführt worden (4. Senat Urteil vom 1. Dezember 1982 -4 RJ 9/82- BSGE 54, 193, 198 f; 8. Senat Urteil vom 2. November 1988 -8/5a RKn 15/87-Kompaß 1989, 37; ZfS 1989, 48).
Wie bereits das LSG zutreffend herausgestellt hat, steht einem hierauf gegründeten sozialrechtlichen Herstellungsanspruch auch nicht der Umstand entgegen, daß die Beratung des Klägers nicht durch einen Bediensteten der Beklagten selbst, sondern einen beim Versicherungsamt in Korbach tätigen Verwaltungsbeamten erfolgte. Das BSG hat wiederholt entschieden, daß ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch infolge unterbliebener oder unvollständiger Beratung auch dann gegeben sein kann, wenn die Pflichtverletzung als tatsächlicher Vorgang in dem Verhalten einer nicht mit dem beklagten Sozialleistungsträger identischen anderen Stelle oder Person ("Dritten") bestand, sofern dieses Verhalten dem Sozialleistungsträger als eigene Verletzung rechtlich zuzurechnen ist. Bejaht wurde die Möglichkeit der Zurechnung dann, wenn der Sozialleistungsträger seinen gesetzlichen Auftrag zur Beratung durch eine in den Verwaltungsablauf eingeschaltete andere Behörde oder Person erfüllte (s z.B. BSG SozR 2200 § 381 RVO Nr. 44, SozR 1200 § 14 SGB I Nrn 18, 19, 28, 29, jeweils m.w.N.). Das Versicherungsamt einer Gemeinde stellt eine andere Behörde dar, die im Sinn dieser Rechtsprechung "arbeitsteilig" in das Verfahren der Beratung eingeschaltet war. Wenn ein Fehler in der Beratung durch eine solche Behörde für einen Versicherten zu einem Nachteil führt, wie er beim Kläger aufgrund der von der Beklagten errechneten Rentenminderung eintreten würde, ist ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch gegen den Sozialleistungsträger gegeben. Da der Herstellungsanspruch seiner rechtlichen Eigenart nach inhaltlich darauf gerichtet ist, daß der benachteiligte Versicherte so zu stellen ist, wie er stünde, wenn die Pflichtverletzung nicht begangen worden wäre, im vorliegenden Fall also die Beratung richtig und vor allem vollständig erfolgt wäre, hat der Kläger ein Recht darauf, so behandelt zu werden, als sei er seinerzeit auch auf die mit einer Nachversicherung für seine eigene Rente verbundenen Nachteile hingewiesen worden. Da er in Kenntnis dieser negativen Auswirkungen einer Nachversicherung einen entsprechenden Antrag nicht gestellt hätte, muß der von ihm tatsächlich gestellte Antrag und die daraufhin erteilte Bescheinigung des Regierungspräsidenten für die Entscheidung des Rechtsstreites außer Betracht bleiben.
An dieser Beurteilung ändert sich auch dann nichts, wenn berücksichtigt wird, daß zur Zeit der Stellung des Antrags und des Bescheides des Regierungspräsidenten bereits die Neufassung des 1983 in das Gesetz eingefügten Absatzes 2 des § 1260c RVO galt, wonach ein Antrag des Versicherten für die Durchführung der fiktiven Nachversicherung nicht mehr erforderlich war. Hierdurch wurde die Ursächlichkeit des vom Kläger gestellten Antrages auf Nachversicherung für den infolge der unvollständigen Beratung eingetretenen Nachteil - die von der Beklagten errechnete Rentenminderung - nicht beseitigt. Denn die Anwendung des § 1260c Abs. 2 RVO in der neuen Fassung wurde durch den unverändert bestehengebliebenen Art 2 § 14b Abs. 2 ArVNG im Fall des Klägers ausgeschlossen, weil mit dem Bescheid vom Dezember 1981 bereits im Sinn dieser Vorschrift über den Anspruch des Klägers eine nicht mehr anfechtbare Entscheidung getroffen worden war. Da es neben § 99 AKG für den Fall des Klägers keine anderen Vorschriften gab, die auch ohne Antrag eine Nachversicherung ermöglicht hätten, entfiel auch nicht über solche zusätzlichen Vorschriften die Ursächlichkeit des Antrags des Klägers für den durch fehlerhafte Beratung eingetretenen Nachteil.
Nach alledem mußte die Revision der Beklagten gemäß § 170 Abs. 1 Satz 1 SGG als unbegründet zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.13/5 RJ 38/89
BUNDESSOZIALGERICHT
Fundstellen