Entscheidungsstichwort (Thema)

Insolvenz: Anspruch eines Insolvenzverwalters gegen den Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin wegen Zahlungen trotz bestehender Insolvenzreife

 

Normenkette

InsO § 17 Abs. 2 S. 1, § 19 Abs. 2 S. 1, § 35; GmbHG §§ 30, 43 Abs. 3 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Potsdam (Urteil vom 16.11.2012; Aktenzeichen 6 O 20/11)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 16.11.2012 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des LG Potsdam - 6 O 20/11 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsrechtszuges hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Der Kläger ist mit Beschluss des AG Charlottenburg vom 8.11.2007 - 36g IN 4313/07 - zum Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der G. mbH (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin) bestellt worden. Der Beklagte war Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin.

Der Kläger nimmt den Beklagten auf Erstattung von Zahlungen i.H.v. insgesamt 379.439,12 EUR in Anspruch, die die Insolvenzschuldnerin in einem Zeitraum geleistet haben soll, in welchem nach Behauptung des Klägers bereits Insolvenzreife vorgelegen haben soll.

Gegenstand des Unternehmens der Insolvenzschuldnerin war die Ausübung des Bewachungsgewerbes gem. § 34a GewO. Sie war ausschließlich im Rahmen einer Arbeitsgemeinschaft (ARGE B.) mit der W. GmbH (im Folgenden: W. GmbH) für die B. (B.) im Bereich Fahrgastkontrolle und Sicherheitsdienstleistung mit bis zu 250 Mitarbeitern tätig. Sie hatte als Teil der ARGE B. mit der B. einen Vertrag mit einem Gesamtauftragswert von 24.500.625 EUR geschlossen, der zum 31.7.2007 auslief. Bei der Neuausschreibung des Auftrages entschied sich die B. für einen anderen Anbieter. Dies teilte sie der Insolvenzschuldnerin mit Schreiben vom 4.4.2007 mit. Die Insolvenzschuldnerin betrieb daraufhin die Liquidation. Die 250 Arbeitnehmer wurden von der Betriebsnachfolgerin, der S. GmbH & Co. KG (im Folgenden: S.), übernommen.

In dem Zeitraum 31.8.2007 bis 25.9.2007 erfolgten aus dem Vermögen der Schuldnerin Zahlungen an diverse Gläubiger i.H.v. insgesamt 379.439,12 EUR.

Wegen der Einzelheiten der Zahlungen wird auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils - dort Seite 3 - Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Der Kläger hat behauptet, die Insolvenzschuldnerin sei bereits zum 30.4.2007 überschuldet gewesen. Forderungen und sonstige Vermögensgegenstände i.H.v. 945.794 EUR hätten Verbindlichkeiten i.H.v. 1.116.818 EUR gegenübergestanden. Dabei seien Rückstellungen wegen strittiger Lohnforderungen von Arbeitnehmern i.H.v. 143.400 EUR zu bilden gewesen. Dies beruhte darauf, dass zahlreiche Arbeitnehmer der Insolvenzschuldnerin Klage auf Lohnnachzahlungen für die vergangenen Jahre erhoben hätten, da die Insolvenzschuldnerin eine Lohnzulage i.H.v. 1,02 EUR pro Stunde nicht ausgezahlt habe. Eine weitere Rückstellung i.H.v. 86.000 EUR sei aufgrund von Seiten der W. GmbH angemeldeter Ansprüche zu bilden gewesen, da die W. GmbH bereits im Jahre 2005 in einem Schiedsverfahren gegen die ARGE B. Klage auf Auszahlung eines Gewinnanteils i.H.v. 86.088 EUR erhoben habe.

Unter Bezugnahme auf ein in einem Parallelverfahren (LG Potsdam - 6 O 17/11) eingeholtes Sachverständigengutachten hat der Kläger ferner behauptet, die Insolvenzschuldnerin sei spätestens am 31.8.2007 zahlungsunfähig gewesen.

Der Kläger hat beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn einen Betrag i.H.v. 379.439,12 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 8.11.2007 zu zahlen;

2. dem Beklagten vorzubehalten, nach Erstattung des Verurteilungsbetrages an die Insolvenzmasse seine Gegenansprüche, die sich nach Rang und Höhe mit den Beträgen decken, welche die durch die verbotswidrigen Zahlungen begünstigten Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätten, gegen den Kläger als Insolvenzverwalter zu verfolgen;

3. den Beklagten zu verurteilen, ihn gegenüber den Rechtsanwälten ... von der Verbindlichkeit aus der Kostenrechnung vom 29.12.2010, Rechnungs-Nr. 258/2010, i.H.v. 3.391,29 EUR freizustellen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Inanspruchnahme entgegengetreten. Die Insolvenzschuldnerin sei weder zahlungsunfähig noch überschuldet gewesen. Rückstellungen wegen drohender Lohndifferenzklagen von Arbeitnehmern seien nicht zu bilden gewesen, da eine solche Inanspruchnahme vor September 2007 nicht gedroht habe. Es seien lediglich vereinzelt Klagen von Arbeitnehmern eingereicht worden, bei denen es sich überwiegend um Kündigungsschutzklagen gehandelt habe. Der Kläger habe die von den Arbeitnehmern zur Insolvenztabelle angemeldeten Lohndifferenzansprüche b...

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