Rn 16

Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 23 Abs. 1 besteht eine Veröffentlichungspflicht des Gerichts nur für die dort genannten Verfügungsbeschränkungen bei gleichzeitiger Anordnung einer vorläufigen Insolvenzverwaltung. Da § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 nicht auf § 30 Abs. 1 verweist und andererseits die bloße vorläufige Insolvenzverwaltung ohne Anordnung von Verfügungsbeschränkungen in § 23 Abs. 1 nicht erwähnt ist, besteht für diese keine gesetzliche Bekanntmachungspflicht. Legt man die gesetzgeberische Zielrichtung bei Erlass der Regelung des § 23 Abs. 1 zugrunde, wonach der Geschäftsverkehr nur über Verfügungsbeschränkungen des Schuldners unterrichtet werden soll, lässt sich auch keine teleologische Extension rechtfertigen.

 

Rn 17

Demgegenüber ist die Bekanntmachung sonstiger Sicherungsmaßnahmen grundsätzlich zulässig, das Gericht muss aber im Rahmen der Ausübung seines pflichtgemäßen Ermessens abwägen, ob sie im Einzelfall tunlich ist.[24] Diese Auffassung konnte bis 30.06.2007 auf § 9 Abs. 2 Satz 1 gestützt werden, der dem Gericht die Möglichkeit zur Veranlassung "weiterer Veröffentlichung" einräumte. Mit der Neufassung,[25] die "weitere" (d. h. nicht ausdrücklich vorgesehene) Veröffentlichungen von einer landesrechtlichen Regelung abhängig macht, lässt sich dies aber nicht mehr aufrechterhalten, auch wenn die Änderung durch den Gesetzgeber versehentlich erfolgt sein sollte.[26] Als taugliche Rechtsgrundlagen kommen daher zum einen die analoge Anwendung der §§ 9, 23,[27] und zum anderen die Veröffentlichung auf Grundlage von § 21 Abs. 1 in Betracht.[28] Im Ergebnis dürfte die Heranziehung des § 21 Abs. 1 vorzugswürdig sein. Auch wenn der Gesetzgeber in § 23 eine Spezialregelung zur Veröffentlichung von allgemeinen Verfügungsbeschränkungen getroffen hat, ist damit nicht ausgeschlossen, dass der Veröffentlichung weiterer Informationen im Insolvenzeröffnungsverfahren ein Sicherungscharakter zukommen kann. Diesen muss das Gericht nach den allgemeinen Grundsätzen des § 21 Abs. 1 mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Schuldners abwägen. Dabei muss sich das Gericht am Verfahrenszweck einer gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung orientieren.[29]

 

Rn 18

Diese Abwägung wird bei der Anordnung besonderer Verfügungsbeschränkungen[30] regelmäßig zugunsten einer Veröffentlichung ausfallen, da eine vergleichbare Interessenslage zur Anordnung allgemeiner Verfügungsbeschränkungen besteht.[31] Entsprechend den gesetzgeberischen Intentionen zu § 23, wird auch die bloße Anordnung eines (isolierten) allgemeinen Verfügungsverbots ohne gleichzeitige Bestimmung einer vorläufigen Insolvenzverwaltung regelmäßig zu veröffentlichen sein, obwohl dieser Fall vom reinen Gesetzeswortlaut nicht erfasst ist und demzufolge formal keine Veröffentlichungspflicht besteht.[32]

 

Rn 19

Ähnlich verhält es sich bei der Anordnung von Sicherungsmaßnahmen nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3. Um eine Unternehmensfortführung effektiv zu erleichtern, kann es sinnvoll sein die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Schuldner öffentlich bekannt zu machen, nicht zuletzt wegen der Zustellungsfiktion des § 9 Abs. 3, die gegenüber sämtlichen beteiligten Vollstreckungsgläubigern wirkt.[33] Zwar ist die Zustellung nicht Wirksamkeitsvoraussetzung für die Sicherungsmaßnahme, sie vermeidet jedoch durch die Benachrichtigung der betreffenden Gläubiger von dem Vollstreckungsverbot spätere zeitintensive Interventionen des vorläufigen Insolvenzverwalters gegenüber den Vollstreckungsorganen bzw. Erinnerungen nach § 766 ZPO.

 

Rn 20

Andererseits kann es unter bestimmten Umständen auch geboten sein, (zunächst) keine Veröffentlichung zu veranlassen. Gefährdet eine Veröffentlichung – beispielsweise im Rahmen einer vorläufigen Eigenverwaltung – den Erfolg beabsichtigter Sanierungsbemühungen, muss sie unterbleiben, wenn keine gewichtige Gefährdung des Schuldnervermögens entgegensteht.[34] Der bloße Verweis auf den Schutz der Gläubiger oder zukünftiger Vertragspartner des Schuldners ist insoweit ohne Belang.[35] Dem Gericht wird aber ein Verzicht auf die Veröffentlichung nur möglich sein, wenn es frühzeitig eingebunden wird und damit dem Insolvenzrichter eine eigenständige Prüfung der vorgebrachten Schuldnerinteressen möglich ist. Die Frage, ob eine Veröffentlichung tunlich ist, sollte daher Bestandteil jeder Vorbesprechung bei Gericht sein (zur Vorbesprechung vgl. die Kommentierung bei § 22 a Rn. 70). Im Regelfall wird daher die Veröffentlichung einer Einzelermächtigung (vgl. die Kommentierung bei § 22 Rn. 54 ff.) nicht in Betracht kommen, da dort zwangsläufig Geschäftsgeheimnisse des Schuldners preisgegeben werden, sie kann aber auch im Einzelfall berechtigt sein.[36]

 

Rn 21

Zu weitgehend ist es, die Befugnis des Gerichts zur Veröffentlichung der Bestellung eines vorläufigen Sachwalters (§ 270 a Abs. 1 Satz 2) oder der Anordnung eines Schutzschirmverfahrens (§ 270 b Abs. 1) unter Verweis auf eine fehlende gesetzliche Grundlage generell abzuleh...

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