Rn 1

Die §§ 129 ff. verfolgen – wie auch schon die §§ 29 ff. KO – den Zweck, eine Vermehrung der Insolvenzmasse dadurch zu erreichen, dass Rechtshandlungen, die vor Verfahrenseröffnung vorgenommen worden sind und zu einer Benachteiligung der Insolvenz- masse geführt haben, bei Vorliegen bestimmter Zeit- bzw. Umstandsmomente zu Gunsten der Masse rückabgewickelt werden können.[1]

Diese Vorschriften sind damit in besonderer Weise Ausdruck des das gesamte Insolvenzrecht prägenden Grundprinzips der Gläubigergleichbehandlung (par condicio creditorum),[2] indem sie zu verhindern suchen, dass der Schuldner noch (unmittelbar) vor Verfahrenseröffnung der Masse Vermögenswerte entzieht oder sich einzelne Gläubiger zu Lasten der Gläubigergesamtheit individuelle Sicherung oder Befriedigung verschaffen.[3] Auf derartige Weise erlangte Vermögenswerte sollen – mag ihr Erwerb auch nicht gemäß § 81 oder § 91 unwirksam sein – doch zumindest haftungsrechtlich durch den in § 143 geregelten Rückgewähranspruch als nach wie vor der Masse zustehend behandelt werden.

 

Rn 2

Diesem Zweck dient das in § 129 Abs. 1 erwähnte Anfechtungsrecht des Insolvenzverwalters.[4] Im Zuge der Neuregelung der Anfechtungsvorschriften wurde ausdrücklich darauf verzichtet, die Formulierung des § 29 KO, wonach die Rechtshandlungen "als den Konkursgläubigern gegenüber unwirksam" angefochten werden können, in die Neufassung zu übernehmen.[5] Damit sollte allerdings zur umstrittenen Rechtsnatur des Anfechtungsrechts (§ 143 Rn. 2) nur insoweit Stellung genommen werden, als die Ausübung des Anfechtungsrechts keinen Einfluss auf die dingliche Rechtslage haben sollte (so aber die dinglichen Theorien in ihren verschiedenen Spielarten,[6] sondern die Anfechtbarkeit im Regelfall einen nur obligatorischen Rückgewähranspruch begründet. Einer weitergehenden Stellungnahme hinsichtlich der dogmatischen Einordnung des Anfechtungsrechts hat sich der Gesetzgeber bewusst enthalten.[7]

[1] Vgl. zum Normzweck der Insolvenzanfechtung Haarmeyer/Wutzke/Förster, Kap. 5 Rn. 202 ff.
[2] Vgl. Bork, Rn. 2 und 204; Häsemeyer, Rn. 21.01; Nerlich/Römermann-Nerlich, § 129 Rn. 5; demgegenüber kritisch und stärker auf den Gesichtspunkt einer Interessenabwägung abstellend Kübler/Prütting-Paulus, § 129 Rn. 4 ff.
[3] Während Nerlich/Römermann-Nerlich, § 129 Rn. 5, dabei eher eine wirtschaftliche Betrachtungsweise vorzieht, legt Kübler/Prütting-Paulus, § 129 Rn. 14, mehr Wert auf rechtliche Genauigkeit.
[4] Während des Insolvenzverfahrens können die einzelnen Gläubiger dem Rechtsstreit lediglich als Nebenintervenienten beitreten; Nerlich/Römermann-Nerlich, § 129 Rn. 27. Danach stehen ihnen wieder die Möglichkeiten nach dem AnfG offen.
[5] BegrRegE, in: Kübler/Prütting, Bd. I, S. 336.
[6] Siehe dazu den Überblick bei Hess/Weis, Rn. 38 ff.
[7] So ausdrücklich die BegrRegE, in: Kübler/Prütting, Bd. I, S. 337.

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