Orientierungssatz

Grundsätzlich auch nach Treu und Glauben keine Aufrechnung mit dem Anspruch auf Rückzahlung eines kapitalersetzenden Darlehens an die GmbH gegen einen noch nicht erfüllten Bareinlageanspruch der GmbH.

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 14. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 16. Oktober 1981 aufgehoben.

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 22. Zivilkammer des Landgerichts Berlin vom 21. November 1980 wird zurückgewiesen.

Auf die Anschlußberufung des Klägers wird der Beklagte verurteilt, über das vorbezeichnete Urteil hinaus an den Kläger weitere 65.000 DM mit 9,5 % Zinsen seit dem 8. April 1981 zu zahlen.

Der Beklagte trägt auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits.

 

Tatbestand

Der Beklagte ist Gesellschafter der im Jahre 1976 mit einem Stammkapital von 200.000 DM gegründeten S. Gesellschaft für Modular-Programme mbH. Durch Beschluß vom 4. Januar 1978 erhöhten die Gesellschafter deren Stammkapital auf 400.000 DM. Darauf übernahm der Beklagte laut Niederschrift eine in Geld zu leistende weitere Stammeinlage von 70.000 DM. Nach einer vorausgegangenen Vereinbarung vom 7. Dezember 1977 sollte die Einlageverpflichtung durch Verrechnung erfüllt werden. Im Juli 1979 beantragte die S. die Eröffnung des Konkursverfahrens, die das Konkursgericht mangels Masse ablehnte.

Die S. schuldet dem Kläger aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs vom 12. Juni 1979 mindestens 5.000 DM und gemäß Versäumnisurteil vom 14. Februar 1980 64.004,76 DM mit Zinsen. Wegen dieser Ansprüche hat der Kläger die angebliche Einlageforderung der S. gegen den Beklagten aus der Kapitalerhöhung pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen. Er hat im ersten Rechtszug beantragt, den Beklagten zur Zahlung von 5.000 DM mit Zinsen zu verurteilen.

Der Beklagte hat eingewandt, er habe seine Einlageschuld durch Zahlungen getilgt, die er in der Zeit von März bis Juli 1979 auf Gesellschaftskonten geleistet habe. Ein anderer Rechtsgrund für diese Zahlungen habe nicht bestanden. Jedenfalls verstoße es gegen Treu und Glauben, die Stammeinlage nochmals einzufordern, wenn ein Gesellschafter in der irrigen Annahme, sie bereits voll geleistet zu haben, der Gesellschaft weitere Mittel als kapitalersetzende Darlehen zur Verfügung gestellt habe.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. In der Berufungsinstanz hat der Kläger seinen Zahlungsantrag auf weitere 65.000 DM mit Zinsen erweitert. Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Revision, die der Beklagte zurückzuweisen beantragt, verfolgt der Kläger seinen Zahlungsanspruch in Höhe von insgesamt 70.000 DM weiter.

 

Entscheidungsgründe

1. Unstreitig hat der Beklagte seine aufgrund des Kapitalerhöhungsbeschlusses vom 4. Januar 1978 übernommene Verpflichtung, eine weitere Stammeinlage von 70.000 DM in Geld einzuzahlen, nicht erfüllt. Durch eine Verrechnung mit schon bestehenden Darlehensforderungen, wie sie die Gesellschafter zuvor am 7. Dezember 1977 abgesprochen hatten, konnte er nach der zutreffenden Ansicht der Vorinstanzen seine Einlageschuld nicht tilgen, da dies § 19 Abs. 3 (jetzt § 19 Abs. 5) in Verbindung mit § 56 GmbHG widersprach (BGHZ 15, 52, 60).

2. Unzulässig ist auch die vom Beklagten gewünschte Anrechnung der von April bis Juli 1979 an die S. überwiesenen 70.000 DM auf seine Einlage. Nach den vom Berufungsgericht rechtlich einwandfrei ausgelegten Vertragserklärungen hat der Beklagte diese Beträge nicht als Einlage gezahlt, weil die Beteiligten übereinstimmend davon ausgingen, er habe diese bereits erbracht. Es handelte sich vielmehr um Darlehen, die er der Gesellschaft mit Rücksicht auf ihren weiteren dringenden Kapitalbedarf zur Verfügung gestellt hat. Mit dem Anspruch auf Rückgewähr dieser Darlehen kann er nach § 19 Abs. 2 Satz 2 GmbHG nicht gegen den noch unerfüllten Bareinlageanspruch aufrechnen. Ebensowenig kann er die ursprüngliche Zweckbestimmung seiner von der S. längst verbrauchten Darlehenszahlungen rückwirkend noch dahin ändern, daß sie nunmehr als Einlage gelten sollten (vgl. BGHZ 51, 157, 162).

3. Das Berufungsgericht meint allerdings, es wäre mit Treu und Glauben unvereinbar, den Beklagten aus der Übernahme der Stammeinlage weiter haften zu lassen. Die von ihm seit April 1979 an die Gesellschaft gegebenen Mittel seien nämlich nach dem Willen der Beteiligten und den objektiven Umständen wie haftendes Stammkapital zu behandeln. Deshalb könne sich der Beklagte andererseits auch darauf berufen, mit diesen Zahlungen seine Einlage geleistet zu haben. Zu einer Doppelzahlung sei er nicht verpflichtet.

Wie die Revision zutreffend rügt, sind diese Ausführungen rechtlich nicht haltbar. Mit Rücksicht auf den zwingenden Charakter der Vorschriften über die Aufbringung und Erhaltung des Stammkapitals kann der Schuldner weder der Gesellschaft noch einem Pfändungsgläubiger entgegenhalten, die Einforderung der Stammeinlage verstoße gegen Treu und Glauben, es sei denn, aus seinen persönlichen Rechtsbeziehungen zum Pfändungsgläubiger ergebe sich – wofür hier nichts vorliegt – etwas anderes (BGHZ 37, 75, 79; 68, 191, 197 f).

Es liegt auch kein Widerspruch darin, daß der Beklagte seine Darlehenszahlungen wie Kapitalleistungen behandeln lassen muß, sie aber andererseits nicht auf seine Stammeinlage verrechnen darf. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sollten die zinslos und unbefristet gewährten Darlehen einen zusätzlichen, über das satzungsmäßige Stammkapital hinausgehenden Kapitalbedarf der Gesellschaft decken. Dies kam schon in einer Erklärung vom 27. Mai 1979 zum Ausdruck, die der Kläger ebenso wie andere Gesellschafter auf Veranlassung des damaligen Geschäftsführers abgegeben hat und in der es hieß:

„Unter Bezugnahme auf die Gesellschafterversammlung vom 14. 5. 1979 in meinem Büro erkläre ich ausdrücklich, daß meine bisherigen und künftigen baren Zahlungen, soweit sie nicht auf das erhöhte Stammkapital zu verrechnen sind, unbefristete Darlehen darstellen.

Meine Ansprüche sollen solange ruhen, bis alle anderen Verbindlichkeiten der Gesellschaft erfüllt sind oder die Gesellschaft aufgelöst wird. Mit dieser Erklärung soll die Vermögenslage der Gesellschaft verbessert werden, damit sie die gegenwärtigen wirtschaftlichen Schwierigkeiten überwinden kann.”

Nach dieser Rangrücktrittserklärung hatten die vom Beklagten gegebenen Mittel die Bedeutung einer kapitalersetzenden Leistung, die ebenso wie das Stammkapital selbst entsprechend den §§ 30, 31 GmbHG gebunden war (Urt. d. Sen. v. 8. 3. 82 – II ZR 86/81, ZIP 1982, 563).

Das entsprach auch der tatsächlichen Lage. Denn nach den Feststellungen des Berufungsgerichts, die sich auf den unstreitigen Parteivortrag in Verbindung mit den vom Beklagten selbst als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater erarbeiteten Bilanzen für 1977 und 1978 sowie auf weitere Unterlagen in den Konkursakten stützen, befand sich die S. im ersten Halbjahr 1979 in Liquiditätsschwierigkeiten. Ende 1978 war das ursprüngliche Stammkapital von 200.000 DM zum größten Teil aufgezehrt. Aus der Anfang Januar 1978 beschlossenen Kapitalerhöhung waren der Gesellschaft nur wenig neue Mittel zugeflossen. Die Gesellschaft benötigte hiernach zu ihrer Rettung dringend weiteres Kapital. Nach einem Schreiben des Klägers an das Konkursgericht vom 9. September 1979 soll die S. nach Berichtigung ihrer Bilanz um zu hoch angesetzte Aktiva (u. a. 224.000 DM „Anlaufkosten” und 137.450 DM Entgelte für noch nicht abgerechnete Leistungen) sogar schon zum 31. Dezember 1977 mit mehr als 300.000 DM überschuldet gewesen sein. Selbst wenn man dies außer Betracht läßt, erscheint es nach dem unstreitigen Sachverhalt und angesichts der Anfang Juli 1979 offenbar gewordenen Insolvenz ausgeschlossen, daß die Gesellschaft, auch wenn der Beklagte seine Einlage von 70.000 DM in bar eingezahlt hätte, in der maßgeblichen Zeit von April bis Juli 1979 mit ihrem Stammkapital ausgekommen und nicht noch auf weitere Eigenmittel mindestens in gleicher Höhe angewiesen gewesen wäre, um ihren dringendsten Kapitalbedarf decken zu können.

Hätte der Beklagte daher pflichtgemäß seine Einlageschuld in Geld anstelle im Wege der Verrechnung getilgt, so würde dies nichts daran ändern, daß seine im Jahre 1979 als Darlehen gegebenen Mittel zusätzlich in die Haftung nach § 30 GmbHG einzubeziehen wären. Infolgedessen kann von einer „Doppelzahlung” keine Rede sein, da sowohl die Stammeinlageverpflichtung als auch der Darlehensanspruch der gesetzlichen Kapitalbindung unterliegen. Jedenfalls bei dieser Sach- und Rechtslage ist es gleichgültig, ob der Beklagte die als Darlehen gegebenen Mittel deshalb nicht als Leistungen auf seine Einlageschuld gekennzeichnet hat, weil er irrtümlich glaubte, er habe diese bereits erfüllt (BGHZ 37, 75, 79). Zutreffend weist die Revision auch auf das ungereimte Ergebnis hin, daß nach der Auffassung des Berufungsgerichts die Einlageschuld des Beklagten wieder aufgelebt wäre, wenn er nach gelungener Sanierung der S. seine Darlehen zurückgefordert hätte.

Die Ansicht des Berufungsgerichts läuft daher auf nichts anderes als auf die Anerkennung einer nach § 19 Abs. 2 Satz 2 GmbHG verbotenen Aufrechnung hinaus. Dasselbe gilt im Ergebnis für die von der Revisionserwiderung vertretene Vertragsanpassung wegen beiderseitigen Rechtsirrtums. Eine Aufrechnung wäre allenfalls im beiderseitigen Einvernehmen und unter der Voraussetzung zulässig gewesen, daß der Darlehensanspruch des Beklagten in diesem Zeitpunkt noch fällig und vollwertig gewesen wäre (BGHZ 15, 52). Ein solcher Sachverhalt liegt nicht vor.

4. Die vorsorglich erklärte Aufrechnung des Beklagten mit Beträgen, die er zur Tilgung von Lohnsteuerverbindlichkeiten der S. aufgewandt haben will (Schrifts. v. 7. 3. 1981 S. 4/5), scheitert ebenfalls an § 19 GmbHG. Seine Einlageverpflichtung konnte er nur durch Leistung an die Gesellschaft und nicht an einen Dritten erfüllen.

5. Entgegen dem Berufungsurteil ist daher die Berufung des Beklagten gegen das zutreffende landgerichtliche Urteil zurückzuweisen. Zugleich ist der Beklagte auf den in der Berufungsinstanz gestellten Antrag des Klägers, der als Anschlußberufung aufzufassen ist (BGH, Urt. v. 28. 10. 53 – VI ZR 217/52, NJW 1954, 266), zur Zahlung weiterer 65.000 DM mit den geforderten, nach Grund und Höhe unbestrittenen Verzugszinsen zu verurteilen.

 

Fundstellen

ZIP 1982, 1320

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