Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung eines Wirtschaftsprüfers gegenüber einer Kreditbank bei absichtlich unrichtig erstellter Vermögensübersicht

 

Leitsatz (redaktionell)

Erteilt ein Fachmann Auskunft über die Bonität eines (zukünftigen) Geschäftspartners des Auskunftsempfängers und weiß er, daß für den Empfänger die Auskunft Grundlage für weitreichende geschäftliche Maßnahmen ist, handelt er in der Regel in dem Bewußtsein, eine verbindliche, möglicherweise Haftungsfolgen auslösende Willenserklärung und nicht nur eine unverbindliche Wissenserklärung abzugeben (Festhaltung BGH, 25.09.1985, IVa ZR 237/83, WM IV 1985, 1520).

 

Normenkette

BGB §§ 276, 676, 826; StBerG § 68

 

Tatbestand

Die Klägerin, eine Bank, begehrt mit der Behauptung, die beklagte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft habe ihr eine unrichtige Kreditauskunft gegeben, die Feststellung, diese sei ihr zum Schadensersatz verpflichtet.

Ein Kunde der Beklagten (im folgenden: M.) beantragte bei der Klägerin im Jahre 1981 einen Bauträgerkredit. Im Auftrag des M. fertigte die Beklagte eine mit ihrem Siegel versehene Aufstellung der Immobilien des M. und der A. AG zum 31. Dezember 1980. Das Begleitschreiben vom 13. Juli 1981 bei Übersendung dieser Aufstellung an die Klägerin lautet:

„Kreditunterlagen Unternehmensgruppe … M. … Sehr geehrter Herr B., im Auftrage von Herrn M. und wie mit Ihnen besprochen übersenden wir Ihnen als Anlage zu diesem Schreiben die vorläufigen Jahresabschlüsse zum 31.12.1980 des Ingenieurbüros M. der C.-Bad GmbH der A. AG, Betriebsstätte E. Des weiteren übersenden wir Ihnen eine Übersicht über die Verkehrswerte und Belastungen des Herrn M. bzw. der A. AG gehörenden Grundbesitzes.”

In der Aufstellung waren 17 Grundstücke des M. mit einem Gesamtverkehrswert von über 20 Mio. DM und drei Grundstücke der AG mit einem solchen Wert von 5,8 Mio. DM aufgeführt. Dazu wurde jeweils bemerkt, daß die Verkehrswerte „von der Gesellschaft ermittelt” worden seien, eine „Überprüfung durch den Wirtschaftsprüfer” sei nicht erfolgt. Das Reinvermögen nach Abzug der vermerkten Belastungen war mit fast 22 Mio. DM angegeben. Belastungen waren für sechs der 17 Grundstücke des M. in der entsprechenden Spalte nicht eingetragen. Bei den übrigen 11 Grundstücken waren Belastungen jeweils unter Hinweis auf die Bemerkungen 2. oder 3. oder 4. der Aufstellung eingetragen. Die Bemerkung 4. bezog sich auf die beabsichtigte Baumaßnahme. Die Bemerkungen 2. und 3. lauten:

„2. Bei diesen Belastungen handelt es sich um die durch Bankbeleg nachgewiesene Darlehensvalutierung zum 31.12.1980.

3. Bei den ausgewiesenen Beträgen handelt es sich um die Nominalbeträge der Darlehen. Grundbuchauszüge und Darlehensverträge wurden nicht eingesehen; Abrechnungen der Kreditinstitute wurden nicht vorgelegt.”

Am 9. September 1981 bewilligte die Klägerin den beantragten Bauträgerkredit von 1.525.000,– DM. Er wurde durch eine Briefgrundschuld über 4 Mio. DM auf dem Baugrundstück, durch eine weitere, bereits abgetretene Grundschuld von 350.000,– DM, die Mitverpflichtung der Ehefrau des M. und Abtretung der Kaufpreisansprüche gegen die Erwerber der Baumaßnahme gesichert.

Vor Beendigung der Bauarbeiten fiel M. in Konkurs. Die Klägerin versucht in Zusammenarbeit mit dem Konkursverwalter, das Bauvorhaben fertigzustellen. Sie schätzt ihren voraussichtlichen Ausfall auf circa 250.000,– DM. Sie behauptet, drei der als unbelastet angegebenen Grundstücke seien in Wahrheit – das wertvollste mit mehr als 1 Mio. DM, in den beiden anderen Fällen in geringerem Umfang – belastet gewesen. Dies habe die Beklagte gewußt. Bei Kenntnis dieser Belastungen würde die Klägerin den Kredit nicht bewilligt haben. Die Beklagte verneint eine Haftung, hilfsweise beruft sie sich auf Verjährung und Mitverschulden.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Feststellungsbegehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache. Das Berufungsgericht hat die Möglichkeit einer Haftung der Beklagten nicht rechtsfehlerfrei verneint.

1. Einen Rechtsfehler enthalten die Ausführungen des Berufungsgerichts dazu, ob zwischen M. und der Beklagten ein Vertrag mit Schutzwirkung für die Klägerin geschlossen worden ist.

Nach Ansicht des Berufungsgerichts hätte M. für das „Wohl und Wehe” der Klägerin mitverantwortlich sein müssen, hätte zwischen der Klägerin und M. eine durch eine Fürsorgepflicht gekennzeichnete Beziehung bestehen müssen, was wegen Gegenläufigkeit der Interessen nicht der Fall gewesen sei. Diese Ansicht läßt sich mit der Senatsrechtsprechung zum Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte nicht vereinbaren (Urteile vom 28.4. und 29.9.1982, vom 2.11.1983 – IVa ZR 312/80, 309/80, 20/82 – LM BGB § 328 Nr. 71, 72 und 75 = WM 1982, 762 und 1983, 177 und 1984, 34 = NJW 1982, 2431 und 1983, 1053 und 1984, 355; schließlich vom 23.1.1985 – IVa ZR 66/83 – WM 1985, 450). Die vertragsgemäß beabsichtigte Verwendung von Gutachten, Testaten und Auskünften als Kreditunterlage bei einem Dritten kann durchaus geeignet sein, Schutzwirkungen für den Dritten zu erzeugen. Ist einem Vertragsschließenden Wohl und Wehe des Dritten anvertraut, dann spricht allein schon die objektive Interessenlage der Beteiligten entscheidend für eine Einbeziehung in den Schutzzweck. Die Vertragsparteien – hier also M. und die Beklagte – können aber auch dann, wenn es ihnen nicht um das Wohl und Wehe eines Dritten geht oder gehen muß, diesen Dritten in den Schutzbereich ihres Vertrages ausdrücklich oder stillschweigend einbeziehen.

Das Berufungsgericht wird nach Maßgabe der in der genannten Rechtsprechung dargelegten Grundsätze zur Frage der Schutzwirkung den nach außen zutage getretenen Willen der Vertragsschließenden gemäß §§ 133, 157 BGB festzustellen haben.

2. Weiter kann auch die Ablehnung eines Anspruchs aus § 826 BGB (dazu BGH, Urteil vom 17.9.1985 – VI ZR 73/84 – WM 1985, 1531 = VersR 1986, 158 = NJW 1986, 180 unter II. 2.) von Rechtsfehlern beeinflußt sein. Im Berufungsurteil heißt es, die Behauptung der Beklagten, ihr Geschäftsführer habe die Übersicht anhand der vorliegenden Unterlagen nach bestem Wissen und Gewissen erstellt, sei nicht substantiiert widerlegt. Die Revision meint mit Recht, das werde dem Vortrag der Klägerin nicht gerecht. Sie hatte substantiiert und unter Beweisantritt behauptet, welche Belastungen auf welchen als unbelastet angegebenen Grundstücken schon Ende 1980 vorhanden waren. Sie hatte in ihrer Berufungsbegründung auf den eigenen Vortrag der Beklagten in der Klageerwiderung hingewiesen, wonach ursprünglich nach eigener Kenntnis der Beklagten Belastungen bestanden, die „nach den bei der Beklagten vorhandenen Unterlagen” abgelöst worden waren. Der Aufforderung der Klägerin in der Berufungsbegründung, diese Unterlagen vorzulegen, war die Beklagte nicht nachgekommen. Hatte die Beklagte eingeräumt, Kenntnis von Belastungen auch bei den als unbelastet bezeichneten Grundstücken gehabt zu haben, dann war es ihre Sache, die nach ihrer Behauptung bei ihr vorhandenen Belege über deren Ablösung vorzulegen, wenn sie für sich in Anspruch nehmen wollte, die der Klägerin übersandte Aufstellung nach bestem Wissen und Gewissen fehlerfrei gefertigt zu haben. Solange das nicht geschah, war der Vorwurf der Klägerin, die Lastenfreiheit sei in diesen Fällen „ins Blaue hinein” behauptet worden, jedenfalls nicht von der Hand zu weisen.

3. Das angefochtene Urteil kann nicht mit anderer Begründung bestehen bleiben. Die Beklagte hat sich in erster Instanz gegenüber der Klägerin auf die nach ihrer Behauptung mit M. vereinbarten Haftungsbeschränkungen nach Nr. 9 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen, insbesondere auf Verjährung berufen. Gegenüber einem Anspruch aus § 826 BGB könnten solche Haftungsbeschränkungen ohnehin nicht gelten. Ob sie gegenüber einem Anspruch des Dritten aus einem Vertrag mit Schutzwirkung durchgreifen und ob die behauptete Haftungsbeschränkung der Inhaltskontrolle standhalten kann, braucht nicht entschieden zu werden. Die Klägerin hatte noch keine Gelegenheit, zu diesem Vortrag der Beklagten Stellung zu nehmen. Die Klageerwiderung ist am 16. Juni 1983 an die Klägerin abgegangen; erst mit Schriftsatz vom 20. Juni 1983 hat die Beklagte ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorgelegt. Dem unter diesen Umständen mit Recht (§§ 132, 129, 283 ZPO) von der Klägerin im einzigen erstinstanzlichen Termin vom 24. Juni 1983 gestellten Antrag, ihr eine Schriftsatzfrist einzuräumen, ist nicht entsprochen worden. In zweiter Instanz ist keine der Parteien auf diesen Vortrag zurückgekommen.

4. Bei der erneuten Verhandlung und Entscheidung wird das Berufungsgericht auch folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen haben:

a) Die Haftung aus einem stillschweigend zwischen den Parteien geschlossenen Auskunftsvertrag und die daneben mögliche Haftung aus Verschulden bei Vertragsschluß sind im angefochtenen Urteil abgelehnt. Wer als Fachmann Auskunft über die Bonität eines (zukünftigen) Geschäftspartners des Auskunftsempfängers erteilt und weiß, daß für den Empfänger die Auskunft Grundlage für weitreichende geschäftliche Maßnahmen ist, der handelt in der Regel in dem Bewußtsein, eine verbindliche, möglicherweise Haftungsfolgen auslösende Willenserklärung und nicht nur eine unverbindliche Wissenserklärung abzugeben (Senatsurteil vom 25.9.1985 – IVa ZR 237/83 – WM 1985, 1520 = VersR 1986, 35).

Soweit das Berufungsgericht für die Annahme eines stillschweigenden Vertragsabschlusses sich nicht allein damit begnügt, die Beklagte sei sachkundig und ihre Auskunft sei für die Kreditentscheidung der Klägerin bedeutsam gewesen, ist das nicht zu beanstanden. Entscheidend ist, ob die Gesamtumstände unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung und des Verkehrsbedürfnisses den Schluß zulassen, die Auskunft habe Gegenstand vertraglicher Rechte und Pflichten sein sollen (vgl. das genannte Urteil des VI. Zivilsenats vom 17.9. unter II. 1.).

Dazu hat der Tatrichter festgestellt: Nach ihrem Gesamtcharakter stelle die Übersicht unverkennbar eine jedenfalls weitgehend ungeprüfte Aufstellung über den Grundbesitz des M. dar, die die Klägerin lediglich in die Lage versetzt habe, sich einen ersten Überblick über die Grundstücke des M. zu verschaffen, um weitere eigene Nachprüfungen anstellen zu können. Die Klägerin habe bei objektiver Betrachtung die Übersendung der Übersicht wegen ihres eingeschränkten Aussagewertes nicht als Angebot zum Abschluß eines Auskunftsvertrages ansehen können.

Ob in diese Feststellungen die Überlegung der Revision einbezogen ist, eine Auskunft, die in verschiedenen Punkten Einschränkungen enthält, lege jedenfalls bei den Punkten, bei denen solche Einschränkungen nicht gemacht sind, Verläßlichkeit gerade wegen des Fehlens der Einschränkung nahe, wird darzulegen sein. Dabei kann auch auf den Umstand eingegangen werden, daß die Beklagte unter besonderer Betonung ihrer Eigenschaft als Wirtschaftsprüferin – sie fügte der Aufstellung ihr Wirtschaftsprüfersiegel bei, bezeichnete sich nicht nur auf dem Briefbogenformular, sondern mehrfach im geschriebenen Text als Wirtschaftsprüfer – tätig wurde.

b) Bislang sind die gegebenenfalls weiter notwendigen tatsächlichen Feststellungen noch nicht getroffen worden. Die Beklagte hat schon das Bestehen von nennenswerten Belastungen zum fraglichen Zeitpunkt bestritten. Die Klägerin hat unter Beweisantritt behauptet, bei Kenntnis der Belastung insbesondere des wertvollsten der als unbelastet bezeichneten Grundstücke hätte sie den Kredit nicht bewilligt. Sie sei davon ausgegangen, im Notfall auf dieses unbelastete Grundvermögen zurückgreifen zu können. In diesem Zusammenhang wird im Hinblick auf das Erfordernis der Kausalität, jedenfalls aber wegen des von der Beklagten erhobenen Einwands des Mitverschuldens zu klären sein, ob nicht etwa die Klägerin damit rechnen mußte, ihr Schuldner M. habe in der Zeit zwischen Auskunft und Kreditbewilligung Grundstücke belastet, möglicherweise werde er ohne ihre Kenntnis freie Grundstücke veräußern oder hoch belasten, bevor er den Kredit der Klägerin notleidend werden lasse.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2098710

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