Leitsatz (amtlich)

1. HGA-Bescheide gelten bei der Veranlagung der Vermögensabgabe als Grundlagenbescheide.

2. Ist der HGA-Bescheid für ein der Vermögensabgabe unterliegendes Grundstück noch nicht unanfechtbar, so beginnt die Verjährungsfrist für die Vermögensabgabe erst mit der Rechtskraft des HGA-Bescheides.

2. Zu den Handlungen des FA, die gemäß § 147 AO a. F. die Verjährung von Vermögensabgabeleistungen unterbrachen, gehören Ermittlungen zur Feststellung der HGA-Schuld, insbesondere der Erlaß erstmaliger oder geänderter HGA-Bescheide.

 

Normenkette

AO a.F. § 147; LAG § 203 Abs. 1; 10. AbgabenDV-LA § 38

 

Tatbestand

Die Kläger, Revisionskläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind gemeinsam Miterben nach ihrer im Jahre 1959 verstorbenen Mutter, die zunächst gemeinsam mit ihrem Ehemann durch vorläufigen Bescheid vom 1. Oktober 1955 zur Vermögensabgabe veranlagt worden war. Am 30. August 1958 wurde ein allein gegen die Erblasserin (die Mutter) gerichteter endgültiger Vermögensabgabebescheid erlassen, in dem ebenso wie in dem vorangegangenen vorläufigen Bescheid die Vermögensabgabeschuld auf 0 DM festgesetzt war. Zu diesem Veranlagungsergebnis war es gekommen, weil der Beklagte, Revisionsbeklagte und Revisionskläger (FA) die auf dem Grundstück Haus A lastende Hypothekengewinnabgabe (HGA) zu 2/3 als HGA-Schuld der Erblasserin berücksichtigt und vom abgabepflichtigen Rohvermögen in Höhe von 14 000 DM zum Abzug gebracht hatte. Die im Zeitpunkt der endgültigen Vermögensabgabeveranlagung noch streitige HGA-Veranlagung wurde nach Zurücknahme der Berufung unanfechtbar.

Nach einer im Jahre 1964 durchgeführten Überprüfung der HGA-Veranlagung durch die OFD kam diese jedoch zu dem Ergebnis, daß der ursprünglich erlassene und unanfechtbar gewordene HGA-Bescheid insofern unrichtig sei, als die gesamte HGA-Schuld allein auf dem 1/3-Grundstücksanteil einer mit den obengenannten Erben in Miteigentumsgemeinschaft stehenden anderen Erbengruppe laste. Auf Grund einer Anweisung der OFD vom 30. April 1964 erließ deshalb das FA einen gemäß § 222 Abs. 1 Nrn. 3 und 4 AO berichtigten HGA-Bescheid, aus dem sich ergibt, daß die HGA-Forderung des FA sich allein gegen die andere Erbengruppe richtet. Dieser am 19. Juni 1964 erteilte Bescheid, von dem der Miterbin A (Klägerin) eine Zweitschrift erteilt wurde, blieb unangefochten.

Nachdem das für die Veranlagung der Vermögensabgabe zuständige FA von der Änderung des HGA-Bescheides zugunsten der o. g., im Rechtsstreit in Frage stehenden Erbengemeinschaft Kenntnis erlangt hatte, erließ es seinerseits am 8. Juli 1964 einen nach § 218 AO geänderten Vermögensabgabebescheid, der namentlich an den Ehemann der Erblasserin (Erben) zu Händen Frau A gerichtet war und in dem die Abgabeschuld nunmehr auf 4 900 DM festgesetzt wurde. Nachdem dieser Bescheid ebenso wie die ihn bestätigende Einspruchsentscheidung des FA im Rechtsmittelverfahren durch Urteil des FG vom 16. März 1967 deswegen ersatzlos aufgehoben worden war, weil Frau A ebenso wie ihr Bruder B (Kläger) die Erbschaft nach ihrem Vater ausgeschlagen hatten und deshalb durch die Zustellung des gegen die Erben gerichteten Vermögensabgabebescheides zu Händen der Frau A keine wirksame Bekanntgabe des Bescheides herbeigeführt werden konnte, führte das FA am 9. Mai 1967 erneut eine Berichtigungsveranlagung der Vermögensabgabe durch, die auf § 38 der 10. AbgabenDV-LA vom 28. Juni 1954 gestützt war. Ausfertigungen dieses nach § 38 der 10. AbgabenDV-LA erlassenen, gegen die verstorbene Mutter zu Händen des B und der A gerichteten Bescheides wurden sowohl für den erstgenannten Miterben als auch für die letztgenannte Miterbin erteilt.

Die gegen die Einspruchsentscheidungen des FA erhobenen Klagen hatten nur insofern Erfolg, als das FG sowohl den an die Klägerin als auch den an den Kläger gerichteten Vermögensabgabebescheid insofern abänderte, als es die Erhebung der Vermögensabgabe wegen Verjährung der bis zum 31. Dezember 1958 fällig gewordenen Vermögensabgabe-Vierteljahrsbeträge auf die nach diesem Zeitpunkt fällig gewordenen bzw. noch fällig werdenden Vierteljahrsbeträge beschränkte.

Gegen das Urteil des FG haben sowohl die Kläger als auch das beklagte FA Revision eingelegt.

Die Kläger rügen ungenügende Aufklärung des Sachverhalts, Verstöße gegen die Denkgesetze und gegen die allgemeinen Grundsätze der Beweiswürdigung sowie Verletzung des geltenden Rechts, u. a. des § 38 der 10. AbgabenDV-LA sowie der Vorschriften über die Abgabenverjährung, insbesondere des § 147 AO a. F. bzw. des § 144 AO n. F.

Sie führen aus, die angefochtene Entscheidung des FG enthalte auch insofern einen Verstoß gegen die Rechtskraftwirkung des finanzgerichtlichen Urteils vom 16. März 1967, als sie davon ausgehe, daß der berichtigte Vermögensabgabebescheid vom 8. Juli 1964 nicht nichtig und deshalb geeignet gewesen sei, die Verjährung der Vermögensabgabeleistungen zu unterbrechen. In Wirklichkeit habe das FG in seinem damaligen Urteil von 1967 den Bescheid vom 8. Juli 1964 aufgehoben, weil er unwirksam (nichtig) gewesen sei. Da der nichtige Bescheid vom 8. Juli 1964 keine verjährungsunterbrechende Wirkung gehabt habe, sei auf jeden Fall die Verjährung der bis Ende 1961 etwa fällig gewordenen Vermögensabgabe-Vierteljahresraten eingetreten.

Die Revision des FA richtet sich ausschließlich dagegen, daß das FG wegen der von ihm angenommenen Verjährung der bis 31. Dezember 1958 fälligen Vermögensabgabe-Vierteljahrsbeträge auf Wegfall der bis zu diesem Zeitpunkt fällig gewordenen Abgabebeträge erkannt hat. Das FA rügt insoweit auch seinerseits fehlerhafte Anwendung des § 147 Abs. 1 AO a. F. in Verbindung mit § 203 Abs. 1 LAG. Es führt zur Begründung der Revision aus, das angefochtene Urteil des FG widerspreche insofern den gesetzlichen Bestimmungen und der höchstrichterlichen Rechtsprechung, als es im Hinblick auf eine mögliche Unterbrechung der Verjährung zu dem Ergebnis gelange, im Erlaß des HGA-Bescheides, dessen Unterbrechungswirkung erst mit Ende des Rechtsbehelfsverfahrens im Jahre 1959 geendet habe und in anderen, auf die Ermittlung der HGA gerichteten Handlungen könne keine die Verjährung der Vermögensabgabe unterbrechende Maßnahme gesehen werden. Diese Ansicht sei unzutreffend. Denn in Wirklichkeit stelle der HGA-Bescheid ähnlich wie die sog. Feststellungsbescheide einen Grundlagenbescheid für die Veranlagung der Vermögensabgabe dar, weil die HGA ebenso wie die Kreditgewinnabgabe (KGA) den Wert des vermögensabgabepflichtigen Vermögens mindere. Um sicherzustellen, daß nachträgliche Änderungen der HGA oder KGA, durch die die Bemessungsgrundlage der Vermögensabgabe geändert würde, auch zu einer entsprechenden Änderung der Abgabeschuld der Vermögensabgabe führe, sei § 38 der 10. AbgabenDV-LA erlassen worden. Die Regelung entspreche der des § 218 Abs. 4 AO. Infolge Änderung des HGA-Bescheides hätten im Streitfall die Voraussetzungen für eine Berichtigung der Vermögensabgabe vorgelegen. Da im übrigen in Fällen vorläufiger Veranlagung der Anspruch auf Nachzahlung der Vermögensabgabe erst als mit Beseitigung der Ungewißheit entstanden gelte und die Ungewißheit, soweit deren Beseitigung von einem anderen Abgabebescheid abhänge, nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 16. Juni 1965 II 42/64, HFR 1965, 561) erst mit dessen Unanfechtbarkeit beseitigt werde, so habe auch im Streitfall die Verjährung der Vermögensabgabe erst nach der (im Jahre 1959 eingetretenen) Rechtskraft des HGA-Bescheides erneut zu laufen begonnen. Die Vermögensabgabe sei daher im Streitfall nicht verjährt gewesen.

 

Entscheidungsgründe

Auf die Rüge der Kläger, daß das FG die Verjährung der Vierteljahrsraten zu Unrecht auf den Zeitraum bis Ende 1958 beschränkt habe, während in Wirklichkeit Verjährung der Vermögensabgabe bis 1961 eingetreten sei, braucht zunächst nicht näher eingegangen zu werden, da sich aus den folgenden Ausführungen zur Revision des Beklagten ergibt, daß eine Verjährung nicht eingetreten ist.

Die Revision der Kläger erweist sich daher als unbegründet.

Die Revision des Beklagten führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, weil das FG zu Unrecht eine teilweise Verjährung der Abgabeforderungen bejaht hat. Das FG hat die Rechtslage insoweit verkannt, als es die Auffassung vertritt, daß der Erlaß des HGA-Bescheides vom 31. Juli 1958 und andere auf die Ermittlung der HGA gerichtete Handlungen des FA die Verjährung der Vermögensabgabe nicht unterbrechen könnten. Nach § 147 AO a. F. wird die Verjährung unterbrochen durch Zahlungsaufschub, durch jede Anerkennung des Zahlungspflichtigen, durch schriftliche Zahlungsaufforderung und überhaupt durch jede Handlung des zuständigen FA, die der Feststellung des Anspruchs oder des Verpflichteten dient. Als Unterbrechungshandlung in diesem Sinne ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH auch der Erlaß von Feststellungsbescheiden zu werten, soweit sie der Steuerveranlagung eines Steuerpflichtigen zugrunde zu legen sind (vgl. u. a. Urteile des BFH vom 22. Oktober 1959 IV 36/59 U, BFHE 70, 61, BStBl III 1960, 24, und vom 12. November 1959 IV 46/59 U, BFHE 70, 75, BStBl III 1960, 29). Was für Feststellungsbescheide im Sinne der §§ 214, 215 AO gilt, muß entsprechend aber auch für HGA-Bescheide in ihrem Verhältnis zur Vermögensabgabe gelten, da nach § 210 Nr. 2 LAG die HGA nach ihrem Wert am 21. Juli 1948 vom vermögensabgabepflichtigen Vermögen abzuziehen ist und somit der hierüber erteilte HGA-Bescheid die alleinige Grundlage für den Schuldenabzug der HGA bei der Veranlagung der Vermögensabgabe bildet. Infolgedessen kann im Vermögensabgabeverfahren der HGA-Bescheid nicht zum Gegenstand des Rechtsstreits gemacht und über ihn entschieden werden. Wegen der Abzugsfähigkeit der HGA bei der Vermögensabgabeveranlagung beeinflussen alle Handlungen zur Ermittlung der HGA auch die Höhe der festzusetzenden Vermögensabgabe. Der HGA-Bescheid wirkt jedenfalls in diesem begrenzten Umfang wie ein Grundlagenbescheid für die Vermögensabgabe, wie dies der erkennende Senat bereits in dem Urteil vom 24. August 1962 III 289/60 U (BFHE 75, 531, BStBl III 1962, 460) erklärt hat. Für einen ähnlichen Fall wie den vorliegenden, in dem das endgültige Ergebnis der Vermögensabgabeveranlagung von dem Ergebnis der HGA-Veranlagung abhing, hat deshalb der erkennende Senat in einem (nicht veröffentlichten) Urteil vom 29. Oktober 1971 III R 103/69 ausgesprochen, auch im Falle einer zunächst vorläufigen Vermögensabgabeveranlagung müsse hinsichtlich des Verjährungsbeginns der Grundsatz des § 225 Satz 3 AO gelten, daß die Verjährung erst mit der Beseitigung der bei Erlaß des vorläufigen Bescheides bestehenden Ungewißheit zu laufen beginne und daß, falls die Ungewißheit wie im Streitfall von einem anderen Abgabebescheid abhängt, die Ungewißheit im allgemeinen erst mit dessen Unanfechtbarkeit beseitigt werde (vgl. Entscheidung des BFH II 42/64). Für den vorliegenden Streitfall bedeutet die Anwendung dieser Grundsätze, daß die Verjährung der Vermögensabgabe, die zunächst durch den vorläufigen Bescheid vom 1. Oktober 1955 und sodann durch den endgültigen Bescheid vom 30. August 1958 veranlagt worden war, erst mit dem Ablauf des Jahres 1959 beginnen konnte, weil die HGA-Veranlagung, auf deren Ergebnis die endgültige Veranlagung der Vermögensabgabe vom 30. August 1958 beruhte, zunächst angefochten und erst nach Zurücknahme der Berufung gegen die Einspruchsentscheidung des FA im Jahre 1959 unanfechtbar geworden war. Die Verjährungsfrist der Vermögensabgabe konnte daher im Streitfall erst mit Ablauf des Jahres 1964 enden, sofern nicht in der Zwischenzeit eine neue Unterbrechung der Verjährung eingetreten war. Das FG hat eine neue Unterbrechungshandlung in dem Erlaß des Vermögensabgabebescheides vom 8. Juli 1964 erblickt.

Ob die von den Klägern im Hinblick auf die Unterbrechungswirkung des letztgenannten, nach ihrer Ansicht nichtigen Bescheides geäußerten Zweifel berechtigt sind, braucht deshalb nicht entschieden zu werden, weil im gleichen Jahr 1964 erneut auch Handlungen zur Ermittlung des Bestehens oder Nichtbestehens der HGA-Schuld der Erblasserin durchgeführt worden sind, die, wie bereits dargelegt, zur Unterbrechung der Verjährung der Vermögensabgabe geeignet waren. Insbesondere durch den Erlaß des HGA-Bescheides vom 19. Juni 1964 wurde somit die Verjährung der Vermögensabgabe zumindest in dem Umfang erneut unterbrochen, als durch den Wegfall der HGA-Schuld der Abgabepflichtigen die Höhe der festgesetzten Vermögensabgabeschuld sich änderte. Eine Verjährung der durch den angefochtenen Vermögensabgabebescheid nachgeforderten Vermögensabgabe ist demgemäß nicht eingetreten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70700

BStBl II 1974, 46

BFHE 1974, 444

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Gold. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge