Leitsatz (amtlich)

§ 28 Nr. 2 TabStG steht dem Ansatz eines Mitgliederumsatzes in Tabakwaren bei der Ermittlung des Verhältnisses des Mitgliederumsatzes zum Gesamtumsatz nach § 35 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 KStDV nicht entgegen. Mangels ausreichender Unterlagen (Markenrücklauf) ist der Mitgliederumsatz in Tabakwaren zu schätzen.

 

Normenkette

KStDV § 35; AO § 217; FGO §§ 76, 96; TabStG § 28

 

Tatbestand

Die Revisionsklägerin (Steuerpflichtige) ist eine Konsumgenossenschaft. Sie berechnete im Streitjahr 1961 die obere Grenze für den Abzug der Warenrückvergütungen an Mitglieder (§ 35 Abs. 2 KStDV) in der Weise, daß sie bei der Ermittlung des Verhältnisses des Mitgliederumsatzes zum Gesamtumsatz vom Gesamtumsatz ausging, der auch den Umsatz in Tabakwaren enthielt, und den nach dem Markenrücklauf sich ergebenden Mitgliederumsatz um einen dabei nicht erfaßten Mitgliederumsatz in Tabakwaren erhöhte. Diesen Betrag errechnete die Steuerpflichtige in der Weise, daß sie den Gesamtumsatz an Tabakwaren im gleichen Verhältnis wie die übrigen Umsätze auf Mitglieder und Nichtmitglieder aufteilte.

Der Revisionsbeklagte (das FA) änderte diese Rechnung dahin, daß er zwar den Ansatz des gesamten Tabakwarenumsatzes im Gesamtumsatz billigte, den Ansatz eines geschätzten Mitgliederumsatzes in Tabakwaren dagegen ablehnte. Die Folge war, daß von der tatsächlich ausgeschütteten einheitlichen Warenrückvergütung 2 391,12 DM statt 1 893 DM als nicht abzugsfähig verblieben.

Die Sprungberufung blieb ohne Erfolg.

Das FG hat ebenfalls die Tabakwarenumsätze der Steuerpflichtigen, da sie Zweckgeschäfte der Konsumgenossenschaft seien, in den Gesamtumsatz eingerechnet, aber keinen Teil des Tabakwarenumsatzes als Mitgliederumsatz angesetzt. Dabei könne, wie das FG ausgeführt hat, dahingestellt bleiben, ob diese Behandlung schon im Hinblick auf das Verbot des § 28 Abs. 2 des Tabaksteuergesetzes (TabStG), im Kleinhandel mit Tabakerzeugnissen Rabatt oder Rückvergütungen auf der Grundlage des Umsatzes zu gewähren, gerechtfertigt sei. Denn mangels eines Markenrücklaufs fehle es an einem Nachweis für die Höhe des Mitgliederumsatzes in Tabakwaren. Die Warenrückvergütung stelle eine steuerliche Vergünstigung dar, die an den Nachweis bestimmter Voraussetzungen geknüpft sei und für eine Schätzung keinen Raum lasse. Überdies fehlten im Streitfall außer der Höhe des gesamten Tabakwarenumsatzes jegliche Anhaltspunkte für eine Schätzung. Die Umsätze in Tabakwaren seien in den Jahren 1958 bis 1962 erheblich gestiegen. Berücksichtige man, daß es sich im Streitfall um ein Konsumgeschäft in einem Nordsee-Bad mit einer Bevölkerungszahl handele, die nicht entsprechend der dargestellten Umsatzanhebung gestiegen sein dürfte, und daß der Bezug von Tabakwaren aus den an der Außenfront angebrachten Automaten jedem Straßenpassanten (Kurgäste!) ermöglicht sei, so erhelle hieraus, daß eine Aufteilung der Tabakwarenumsätze in demselben Verhältnis wie die übrigen Umsätze auf Mitglieder und Nichtmitglieder nicht der Wirklichkeit nahekommen könne.

Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde (Revision) der Steuerpflichtigen, die das FG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Streitsache zugelassen hat.

Die Steuerpflichtige rügt unrichtige Anwendung des § 35 Abs. 2 KStDV, wesentliche Verfahrensmängel und einen Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben.

1. Unrichtige Rechtsanwendung und Verstoß gegen Treu und Glauben.

Die Verwaltung erkenne als Mitgliederumsatz in der Regel nur den anhand des Marken- oder Scheckrücklaufs nachgewiesenen Betrag an. Daß ein solcher Nachweis hier nicht möglich sei, liege allein in dem preisrechtlichen Verbot des § 28 Nr. 2 TabStG, im Kleinhandel mit Tabakwaren Rabatt oder Rückvergütungen zu gewähren. Sei somit ein Nachweis des Mitgliederumsatzes in Tabakwaren nicht möglich, und zwar aus Gründen, die sie, die Steuerpflichtige, nicht zu vertreten habe, so müsse dieser Betrag nach § 217 AO, § 270 Abs. 2 AO a. F. geschätzt werden. Die lapidare Feststellung des FG, daß Nachweisschwierigkeiten zu Lasten des Begehrenden gingen, lasse das gebotene Verständnis für die durch den gesetzlichen Eingriff geschaffene Zwangslage der Genossenschaft vermissen und verstoße gegen Treu und Glauben, zumal sie, die Steuerpflichtige, stets ihre Bereitschaft zur Mitwirkung bei der Schätzung der Höhe des Mitgliederumsatzes in Tabakwaren bekundet habe. Ein Weglassen dieser Größe würde dazu führen, daß Mitgliederumsätze als Nichtmitgliederumsätze gewertet und somit die obere Grenze für den Abzug der Warenrückvergütung zu niedrig angesetzt würde. Die Steuerpflichtige müßte dann entgegen dem § 35 Abs. 2 KStDV einen im Mitgliedergeschäft erwirtschafteten Teil der Warenvergütung versteuern. Das Bedenken des FG, an dem Überschuß aus Mitgliederumsätzen in Tabakwaren könnten auch solche Mitglieder beteiligt werden, die keine Tabakwaren bezogen hätten, erledige sich dadurch, daß infolge der generellen Bemessung der Warenrückvergütung nach dem Jahresumsatz die einzelnen Mitglieder keineswegs genau das erhielten, was aus ihren Umsätzen erwirtschaftet worden sei.

2. Wesentliche Verfahrensmängel

Die Ausführungen des FG über die Umsatzsteigerung in Tabakwaren und über die Bedeutung der Automaten gründe sich auf Vermutungen, die von ihr, der Steuerpflichtigen, leicht hätten widerlegt werden können, wenn ihr Gelegenheit gegeben worden wäre, sich dazu zu äußern. Das FG habe in diesem Punkt seine Ermittlungspflicht verletzt und zugleich ihr, der Steuerpflichtigen, das rechtliche Gehör versagt.

Die Steuerpflichtige beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung den durch Verhältnisrechnung ermittelten Tabakwarenumsatz mit Mitgliedern dem unmittelbar nachgewiesenen übrigen Mitgliederumsatz hinzuzurechnen und hiernach den Grenzbetrag für den Rückvergütungsabzug im Sinne des § 35 Abs. 2 Satz 3 KStDV zu bestimmen. Hilfsweise beantragt die Steuerpflichtige, die Sache zur anderweitigen Schätzung des Mitgliederumsatzes in Tabakwaren an das FG zurückzuverweisen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Dieses muß bei der Ermittlung der oberen Grenze für den Abzug der Warenrückvergütungen an Mitglieder nach § 35 Abs. 2 KStDV das Verhältnis des Mitgliederumsatzes zum Gesamtumsatz (§ 35 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 KStDV) in der Weise berechnen, daß es beim Mitgliederumsatz auch den Umsatz in Tabakwaren mit Mitgliedern in einem notfalls geschätzten Betrag (§ 217 AO) ansetzt.

Das Gesetz verlangt, daß bei Einkaufs- und Verbrauchergenossenschaften der Überschuß im Verhältnis des Mitgliederumsatzes zum Gesamtumsatz aufgeteilt wird. Für die Ermittlung der beiden zu vergleichenden Größen gelten die allgemeinen Vorschriften. Das Gericht hat den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen (§ 76 FGO, § 243 AO a. F.) und dann in freier Beweiswürdigung zu entscheiden (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO, § 278 AO a. F.). Dabei hat es, wie § 96 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz FGO und § 270 Abs. 2 AO a. F. ausdrücklich klargestellt haben, die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, wenn diese nicht anders ermittelt oder berechnet werden können (§ 217 AO). Nach diesen Grundsätzen hat das FG im Streitfall zu ermitteln, wie hoch in den Streitjahren der Mitgliederumsatz der Steuerpflichtigen in Tabakwaren war. Das FG muß von dem in der Revision erwähnten Angebot der Steuerpflichtigen, an der Ermittlung dieser Größe mitzuwirken, Gebrauch machen und den zu ermittelnden Betrag erforderlichenfalls unter Berücksichtigung aller Umstände schätzen. Die Anwendung einer gesetzlichen Vorschrift darf nicht deshalb unterbleiben, weil ihre tatsächlichen Voraussetzungen nicht genau berechnet und belegt werden können. Das gilt in gleicher Weise für Vorschriften zugunsten wie zuungunsten des Steuerpflichtigen. Richtig mag sein, daß die Steuerpflichtige im Streitfall die objektive Beweislast für die Voraussetzungen des Abzugs der Warenrückvergütungen an Mitglieder trägt (vgl. Ziemer-Birkholz, Finanzgerichtsordnung, § 96 Anm. 41 ff.; Barske-Woerner, Finanzgerichtsordnung, S. 90 ff.). Das bedeutet aber nicht, daß der Ansatz eines Mitgliederumsatzes in Tabakwaren unterbleiben darf, wenn die Steuerpflichtige - gleich aus welchen Gründen - darüber keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag. Auch in diesem Fall ist, wie sich aus § 217 Abs. 2 AO ergibt, zu schätzen. Die objektive Beweislast der Steuerpflichtigen würde nur dann dazu führen, daß ein Mitgliederumsatz in Tabakwaren nicht angesetzt wird, wenn nach ausreichender Ermittlung des Sachverhalts durch das Gericht vernünftige Zweifel bestehen, ob ein Mitgliederumsatz in Tabakwaren überhaupt stattgefunden hat. Anhaltspunkte für derartige Zweifel scheinen aber dem Senat bisher nicht vorhanden zu sein.

Auch das Verbot des § 28 Nr. 2 TabStG, im Kleinhandel mit Tabakerzeugnissen Rabatt oder Rückvergütungen zu gewähren, vermag die Entscheidung des FG nicht zu stützen. Denn diese Vorschrift, die eine verdeckte Preisschleuderei verhindern soll (Schröter, Das Tabaksteuergesetz, § 28 Anm. 1, 4) und an die sich die Steuerpflichtige nach ihren eigenen Angaben hält, untersagt lediglich, dem einzelnen Mitglied der Genossenschaft Rückvergütungen auf der Grundlage des von diesem Mitglied erreichten Umsatzes in Tabakwaren zu gewähren. Sie schließt aber nicht aus, daß ein Mitgliederumsatz in Tabakwaren und ein bei diesem Umsatz erwirtschafteter Überschuß erzielt werden. Auf diese beiden Größen kommt es bei der Anwendung des § 35 Abs. 2 KStDV entscheidend an. Diese Vorschrift knüpft bei der Umschreibung des Tatbestands der zulässigen Warenrückvergütungen nicht an die Vergütungen auf den Bezug der einzelnen Waren durch das einzelne Mitglied an. Warenrückvergütungen an Mitglieder sind vielmehr soweit abzugsfähig, wie die dafür verwendeten Beträge im gesamten Mitgliedergeschäft, d. h. - nach der Verhältnisrechnung des § 35 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 KStDV - bei dem Gesamtumsatz mit Mitgliedern erwirtschaftet worden sind (§ 35 Abs. 2 Satz 2 KStDV). Eine Abstufung nach der Art der umgesetzten Waren oder nach der Höhe des Umsatzes mit den einzelnen Mitgliedern kommt grundsätzlich nicht in Betracht (Abschn. 65 Abs. 5 Satz 2 KStR).

Das steht im Einklang mit dem Genossenschaftsrecht. Die Warenrückvergütung hat ihre Wurzel nicht im einzelnen Umsatzgeschäft, sondern im Mitgliedschaftsverhältnis. Ihre Höhe richtet sich daher nach dem Gesamtergebnis der Genossenschaft sowie nach den Gesamtbezügen des einzelnen Genossen. Die Warenrückvergütung ist vom einzelnen Umsatzgeschäft losgelöst (Urteil des Bundesgerichtshofs I b ZR 50/62 vom 9. Oktober 1963, BB 1963, 1353, Der Betrieb 1963 S. 1639; vgl. ferner BB 1966, 346, 424). Im Streitfall braucht nicht geprüft zu werden, ob diese Betrachtung auch uneingeschränkt am Platze ist, wenn eine Genossenschaft mehrere Geschäftszweige mit unterschiedlicher Rentabilität betreibt (vgl. Paulick, Das Recht der eingetragenen Genossenschaft, S. 287 ff.) und ob in diesem Fall die zulässige Warenrückvergütung nach der Einheitsmethode oder nach der Spartenmethode zu ermitteln ist (vgl. Urteil des FG Hamburg II 86/62 vom 3. Juli 1963, EFG 1964, 71). Denn die einheitliche Betrachtung gilt jedenfalls dann, wenn, wie im Streitfall, in einem Geschäftszweig verschiedene Warengattungen gehandelt werden.

Abschn. 65 Abs. 5 Satz 3 KStR läßt nun allerdings eine Ausnahme von dem Grundsatz der einheitlichen Betrachtung für den Umsatz der Konsumgenossenschaft in Tabakwaren gelten. Damit wird aber für die Genossenschaft steuerrechtlich nur die Möglichkeit eröffnet, dem Verbot der Rückvergütungen auf den Bezug von Tabakwaren nach § 28 Nr. 2 TabStG bei der Gewährung der Warenrückvergütung Rechnung zu tragen. Ein Zwang wird damit nach Ansicht des Senats nicht ausgeübt. Er ließe sich jedenfalls aus dem Wortlaut des § 35 KStDV nicht herleiten und könnte daher durch die Richtlinien nicht eingeführt werden. § 35 Abs. 2 Satz 2 KStDV setzt für die Abzugsfähigkeit der Warenrückvergütungen nur voraus, daß sie im gesamten Mitgliedergeschäft erwirtschaftet worden sind. Auch Beträge, die im Mitgliedergeschäft in Tabakwaren erwirtschaftet worden sind, dürfen demnach bei der Ermittlung der Höhe der Warenrückvergütungen angesetzt werden, mit der Folge freilich, daß wegen des Verbots des § 28 Nr. 2 TabStG Überschüsse, die im Mitgliedergeschäft in Tabakwaren erzielt worden sind, zu Warenrückvergütungen auf die übrigen Warenbezüge verwendet werden. Diese Folge erweist sich aber deshalb als unschädlich, weil, wie ausgeführt, zwischen der Warenrückvergütung und dem einzelnen Umsatzgeschäft kein rechtlicher Zusammenhang besteht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68447

BStBl II 1969, 245

BFHE 1969, 390

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